1.) die Ei-Form
Es gibt verschiedene Funktionen, die den vielfältigen wirklichen
Eiformen nahe kommen.
Die in diesem Rätsel vorgegebene Gleichung kann alle oben abgebildeten Formen erzeugen,
wenn sie als Randfunktion eines Rotationskörpers benutzt wird, bei dem die Rotationsachse die x-Achse ist (liegendes Ei):
$$
\left(\frac{x}{a}\right)^2+\left(\frac{y}{b}\right)^2 \cdot \frac { a+c\cdot x } { a-c\cdot x }= 1
$$
oder nach y aufgelöst in der Normalform
$$
y=f(x)=b\cdot\sqrt{ \left(1-\frac{x^2}{a^2}\right)\cdot \frac { a-c\cdot x } { a+c\cdot x }}\tag{0}
$$
Im weiteren Verlauf werden auch noch die erste und zweite Ableitung benötigt.
Diese können leicht mit dem
Ableitungsrechner gefunden werden:
$$
f'(x)=\frac {b(c^2x^3+acx^2-a^2x-a^3c)} {a^2(a+cx)^2\cdot\sqrt{(1-\frac{x^2}{a^2})\cdot\frac{a-cx}{a+cx}}}\tag{1}
$$
$$
f''(x)=-\frac
{b\left(c^2-1\right)\left(c^2x^4-2acx^3+2a^3cx-a^4\right)}
{a^2\left(a+cx\right)^4 \left( (1-\frac{x^2}{a^2})\cdot \frac{a-cx}{a+cx} \right) ^\frac32}\tag{2}
$$
Dabei ist:
$$\begin{align}
a& =\text{halbe Höhe der Eiform (liegt auf der x-Achse)} \\
b& =\text{Radius der Eiform auf halber Höhe (Funktionswert bei x = 0 in y-Richtung)} \\
c& =\text{Form-Parameter im Bereich von 0 = Ellipsoid bis 1 = Kegel}
\end{align}$$
Der Definitionsbereich für die x-Werte geht von -a bis +a.
In der folgenden Darstellung von Randfunktionen ist a=3 und b=2.2 festgelegt. c nimmt vier verschiedene Werte an:
0,0
0,2
0,4
0,6
Bild 1
Das sind genau die zur Erzeugung der oben abgebildeten Formen nötigen Randfunktionen.
2.) das Ei-Volumen
Das Volumen eines Rotationskörpers mit der x-Achse als Rotationsachse ist
$$
V=\pi\cdot\intop_{x_{min}}^{x_{max}}\left[ f(x) \right]^2 \textrm{d}x
$$
Mit der Randfunktion von (0) und den Grenzen -a und +a ergibt sich
$$
V=b^2\pi\cdot\intop_{-a}^a \left(1-\frac{x^2}{a^2}\right)\cdot \frac { a-c\cdot x } { a+c\cdot x } \textrm{d}x
$$
Auch hier ist das Internet hilfreich mit z.B. dem
Integralrechner.
Hier muss nun eine Fallunterscheidung gemacht werden, um zu vermeiden, dass ein Logarithmus von Null oder eine Division durch Null vorkommt.
Wenn $\sand{c=0}$ dann ist
$$
V=b^2\pi\cdot\frac43a
$$
Wenn $\sand{0 < c < 1}$ dann ist
$$
V=b^2\pi\cdot \left[ \frac{2a}{c^3}(c^2-1)\cdot\ln(a+cx)+\frac x{c^2}(-c^2+2)-\frac{x^2}{ac} + \frac{x^3}{3a^2} \right]_{-a}^{a}
$$
Wenn $\sand{c = 1}$ dann ist
$$
V=b^2\pi\cdot\frac83a
$$
Mit den für dieses Rätsel vorgegebenen Werten:
$$
a=3 \\
b=2.2 \\
c=0.2 $$
ist das Ergebnis
$$
\rand{ V = 61,8114363351}
$$
Man kann auch sehr viel einfacher zu einem Ergebnis kommen.
Man zerschneidet das Ei in viele Scheiben, berechnet das Volumen dieser Zylinder ähnlichen Teile und addiert dann alle.
Der verbleibende Fehler wird um so kleiner, je mehr Zerteilungsstücke berechnet werden.
Das Verfahren ist zwar einfach, benötigt aber für hohe Genauigkeit sehr viel mehr Rechenzeit.
Hier folgt das Miniprogramm in EXCEL (auf dieser Seite läuft das gleiche Programm in PHP):
Function eivol(a, b, c, zahl, off)
d = (a + a) / zahl
v = 0
For i = 0 To zahl - 1
x = -a + d * (i + off)
r2 = (a - x) * (a + x)
m = c * x
r2 = r2 * (a - m) / (a + m)
v = v + r2
Next i
eivol = v * d * b * b / a / a * Atn(1) * 4
End Function
Die Berechnung erfolgte mit zahl = 1000000 Scheiben.
Eine Verdopplung der Zahl verkleinert den Fehler um den Faktor 4 bis an die Grenzen der Rundungsfehler der Arithmetik.
In Zeile 5 des Programms wird in Abhängigkeit vom Laufindex i die x-Position der Scheibe bestimmt. Wird mit off = 0.5 diese auf die Mitte der Breite d eingestellt,
ist bei konvexem Kurvenverlauf das Ergebnis größer als das tatsächliche Volumen.
Wählt man statt der Mitte den linken oder rechten Rand (off = 0 oder 1) ist das Ergebnis kleiner als das tatsächliche Volumen.
Somit kann man den Fehler bei jeder Anzahl der Scheiben mit zwei Berechnungen sehr gut eingrenzen.
$$
\rand{\text{Eivolumen mit EXCEL oder PHP:}\quad 61,81143633499<V<61,81143633509}
$$
3.) der Ei-Schwerpunkt
Zum besseren Verständnis der Schwerpunkt-Berechnung kann man sich auch das Ei wieder in Scheiben zerschnitten vorstellen.
Wegen der Rotationssymmetrie ist es unzweifelhaft, dass alle Scheiben ihren Schwerpunkt auf der x-Achse haben und damit auch das gesamte Ei.
Wie bei einer Balkenwaage (hier die x-Achse mit Drehpunkt bei x = 0) ist das Drehmoment jedes Teils nicht nur vom Gewicht (hier Kreisfläche mal Dicke)
sondern auch von seinem Abstand vom Drehpunkt abhängig,
also Gewichtskraft mal Kraftarm. Werden alle diese Drehmomente aufsummiert erhält man das Gesamtdrehmoment.
Dieses muss dem Produkt aus Ei-Gewicht und Hebelarmlänge gleich sein. Diese Hebelarmlänge ist die gesuchte x-Position des Schwerpunktes.
Mit diesem Hintergrund ist die folgende Integraldarstellung verständlicher.
Auf dem Bruchstrich stehen die aufsummierten Drehmomente und unter dem Bruchstrich die aufsummierten Gewichte.
$\pi$ und das spezifische Gewicht sind bereits weggekürzt.
$$
x_s = \frac{\int\limits_{x_1}^{x_2} x \left[ f(x) \right]^2 \textrm{d}x}{\int\limits_{x_1}^{x_2} \left[ f(x) \right]^2 \textrm{d} x}, \quad y_s = z_s = 0 \\
$$
Mit den guten Erfahrungen beim Bestimmen des Volumens mit EXCEL ist auch hier der schnellste Weg zur Lösung ein kurzes Programm, bei dem auch $b^2$ weggekürzt ist:
Function eischwer(a, c, zahl, off)
d = (a + a) / zahl
v = 0
s = 0
For i = 0 To zahl - 1
x = -a + d * (i + off)
r2 = (a - x) * (a + x)
m = c * x
r2 = r2 * (a - m) / (a + m)
s2 = r2 * x
v = v + r2
s = s + s2
Next i
eischwer = s / v
End Function
$$
\rand{\text{Ei-Schwerpunkt mit EXCEL oder PHP:}\quad
-0,240295959843 < x_s < -0,240295959842}
$$
4.) die Auflagepunkte
Bei einem konvexen Körper wie dem Ei gibt es immer nur gleichzeitig einen Kontaktpunkt mit einer ebenen Unterlage.
Wenn der Abstand zum Schwerpunkt ein lokales Minimum hat ist die Lage auf diesem Kontaktpunkt stabil.
Die Bedingung kann auch so formuliert werden:
Wenn der Schwerpunkt senkrecht über dem Kontaktpunkt liegt (kein wirkendes Drehmoment)
und
der Abstand der beiden Punkte verglichen mit dem Radius des Krümmungskreises am Kontaktpunkt
kleiner ist, ist die Lage stabil,
gleich ist, ist die Lage indifferent,
größer ist, ist die Lage labil.
Hier soll die Bedingung nur in der xy-Ebene der oben vorgegebenen Randfunktion betrachtet werden, denn es ist klar,
dass in der yz-Ebene sich wegen der Eigenschaft eines Rotationskörpers immer Kreise als Randkurve existieren
und daher in dieser Richtung indifferentes Verhalten vorliegt, das Ei rollt bei leichtem Anstoß.
Für die Berechnungen sind zwei Bedingungen zu formulieren:
- das Suchen nach Punkten auf der Randfunktion mit der Eigenschaft, das die Senkrechte zur Tangente durch den Schwerpunkt geht
- das Berechnen der Krümmung bzw. des Krümmungsradius und des Abstandes zum Schwerpunkt (findet im nächsten Abschnitt statt)
Die gesuchten Punkte auf der Randfunktion haben die Eigenschaft, dass die Senkrechte zur Tangente in diesen Punkten durch den Schwerpunkt $S(x_s,0)$ geht (siehe Bild 3 unten).
Wenn der gesuchte Punkt die Koordinaten $K(x,y)$ hat so ist die Steigung der Senkrechten $m_s=\frac{y-0}{x-x_s}=\frac{f(x)}{x-x_s}$.
Die Tangentensteigung ist $m_t=f'(x)=-\frac1{m_s}$. daraus folgt:
$$
\tonbl{f(x)\cdot f'(x)+x-x_s=0}\tag{3} \\
\text{oder} \\
\tongr{\frac{x_s-x}{f'(x)}-f(x)=0} \\
\text{oder} \\
\tonor{\frac{f(x)}{x_s-x}-\frac1{f'(x)}=0}
$$
Diese drei Gleichungen lassen sich als Funktionen von x darstellen, von denen man die Nullstellen bestimmen muss.
Bild 2
Wie man sieht, treffen sich die drei Funktionen mit ihren Nullstellen in drei x-Positionen.
Die Punkte $K_1(a,0)$ und $K_2(-a,0)$ sind sofort abzulesen und keine Überraschung.
Der dritte Punkt $K_3(x_k,y_k)$ muss noch berechnet werden.
Die dazu beste Funktionsgleichung ist die blaue, weil sie die kürzeste explizite Form hat (es kürzen sich die Wurzeln weg)
und zwischen den Grenzen von -a bis a einen glatten Verlauf aufweist (keine Polstellen wie die beiden anderen).
Daher wird diese als Bestimmungsgleichung für $x_k$ gewählt.
$f(x)$ und $f'(x)$ sind als Funktion bereits bekannt siehe (0) und (1).
Es lässt sich (3) nun als Kontaktpunkt-Funktion $k(x)$ schreiben, von der die Nullstelle in der Mitte gesucht wird.
Um mit dem Newton Näherungsverfahren dies zu berechnen ist auch gleich noch die erste Ableitung $k'(x)$ zu bilden:
$$
k(x)=\frac {b^2(c^2x^3+acx^2-a^2x-a^3c)} {a^2(a+cx)^2} +x-x_s \\
k'(x)=-\frac{2b^2c\left(c^2x^3+acx^2-a^2x-a^3c\right)}{a^2\left(cx+a\right)^3}+\frac{b^2\left(3c^2x^2+2acx-a^2\right)}{a^2\left(cx+a\right)^2}+1
$$
Das Newton Verfahren nähert sich ausgehend von einem geschätzten Anfangswert schrittweise der Lösung.
Bei jedem Schritt verdoppelt sich die Anzahl der richtigen Nachkommastellen.
$$
x_{n+1} = x_n - \frac{k(x_n)}{k'(x_n)}
$$
$n$ | xk |
0 | 0,0000000000000000 |
1 | 0,1630313954547568 |
2 | 0,1580050227786189 |
3 | 0,1580003702189914 |
4 | 0,1580003702150015 |
k'(xk) | 0,5371970859435966 |
Der dritte Kontaktpunkt $K_3$ hat also die Koordinaten $x_k=0,1580003702$ und $ y_k=2,1739260888$
5.) die Ei-Krümmung
Für die Überprüfung der Lagestabilität ist die Krümmung der Randfunktion an den gefundenen Punkten $K_1$ bis $K_3$ zu bestimmen.
Die Krümmung der Funktion f(x) berechnet sich durch
$$
\kappa (x)={\frac {f''(x)}{\left(1+f'(x)^{2}\right)^{3/2}}}
$$
Dabei ist $\kappa (x)$ der Kehrwert des Radius eines Kreises, der sich im Punkt (x,f(x)) genau an den Kurvenverlauf anlegt.
Das Vorzeichen von $\kappa$ gibt an, in welcher Richtung bei zunehmenden x-Werten die Kurve sich wendet, wo also der Radius anliegt: links ist positiv, rechts ist negativ.
Für die Bestimmung des Krümmungsradius ist das Vorzeichen ohne Bedeutung.
$$
r_{\kappa}(x) = \frac1{|\kappa(x)|}
$$
Kontaktpunkt | x-Wert | $\kappa (x)$ | $r_{\kappa}(x)$ | Abstand vom Schwerpunkt |
$K_1$ | 3,00000000 | -0,92975207 | 1,07555556 | 3,24029596 |
$K_2$ | -3,00000000 | -0,41322314 | 2,42000000 | 2,75970404 |
$K_3$ | 0,15800037 | -0,21729660 | 4,60200490 | 2,21011190 |
Es gibt zwei instabile Kontaktpunkte $K_1$ und $K_2$,
weil der Berührkreis mit Mittelpunkt im Schwerpunkt einen größeren Radius hat als der Krümmungskreis der Ei-Funktion am jeweiligen Punkt.
Der Punkt $K_3$ ist stabil in der xy-Ebene.
Bild 3
Im Bild 3 ganz oben in pink ist die Funktion des Krümmungsradius $r_{\kappa}(x)$ gezeichnet.
Man erkennt, dass die flachste Stelle am Ei mit dem größten Krümmungsradius bei etwa x = 1 ist.
Darunter in orange ist die Abstandsfunktion des Schwerpunktes zur Randfunktion.
Diese hat, wie zu erwarten war, bei $x_k$ ein lokales Minimum.
Es sind die Kontaktpunkte $K_1$, $K_2$ und $K_3$ sowie die Mittelpunkte der dazugehörigen Krümmungskreise $M_1$, $M_2$ und $M_3$ eingetragen.
Die Kreise selbst sind in grau erkennbar.
Für $K_3$ ist auch der innere Berührkreis mit Mittelpunkt im Schwerpunkt $S$ in grün gezeichnet.
6.) das rollende Ei
Das Ei bewegt sich bei leichtem Anstoß mit seinem Kontaktpunkt auf der ebenen Unterlage kreisförmig um Punkt $Z$ mit dem Radius $r_2=\overline{K_3Z}$.
Der Punkt $R(x_k,0)$ ist der Mittelpunkt des Kreises in der yz-Ebene, auf dem das Ei mit seiner Oberfläche rollt.
Der Radius ist $r_1=\overline{K_3R}=y_k$ und ist bereits bekannt.
Das Verhältnis beider Radien ist die gesuchte Zahl der Umdrehungen pro Umlauf um $Z$.
Die Steigung $m =\tan\alpha = f'(x_k)$ am Punkt $K_3$:
$$\rand{
\text{Umdrehungen}= \frac{r_2}{r_1}=\frac1{\sin\alpha}=\sqrt{1+ \frac {1}{\tan^2\alpha} }=\sqrt{1+\frac{1}{m^2}}=5,5489135405 }$$
Zuletzt noch die x-Position von Punkt Z:
$$
x_z = x_k -\frac{y_k}{m}=12,0234238826 $$