3. Tag, Mittwoch, 7. Juli
Die Osterinsel

Da für die Sonnenfinsternis außerordentlich viele Abflüge zur Osterinsel gingen, man rechnete mit 3 000 Touristen, die pünktlich dorthin befördert werden sollten, hatte sich für uns der Zeitplan geändert. Unsere Maschine ging schon am Vormittag, so dass das Programm Santiago auf eigene Faust bzw. Besuch eines Weingutes nicht mehr in Frage kam. Die Sonne schien, das Frühstück war reichhaltig und gut, die Koffer, die vor unserer Zimmertür abgeholt worden waren, wurden verladen. Voller Erwartung auf eine ereignisreiche Woche stieg ich in den Bus. Heinz wollte auch, aber sein gesundes Misstrauen hielt ihn zunächst davon ab. Er erinnerte sich seines einsam vor der Zimmertür stehenden Koffers als er nach mir zum Frühstücken ging. Schnell noch mal hoch auf die Galerie. Tatsächlich, ein mutterseelenalleinstehender Koffer wartete auf Abholung. Jetzt aber schnell. Hin zum Aufzug, runter, raus, sein Koffer landete als letzter im Gepäckraum des Busses, Glück gehabt.

Nicht nur die Anden im Osten zeigten sich von ihrer schönsten Seite, die Kordilleren auf der Seeseite machten ihnen ordentlich Konkurrenz. Diese galt es heute zu überfliegen.

Vorher wieder das Theater am Schalter wegen der Bordkarten. Nicht nur Ehepaare durften die kommenden fünf Stunden getrennt voneinander sitzen, selbst Kinder hatten ihre Plätze weit entfernt von ihren ebenfalls getrennten Eltern. Manchen Passagieren gelang ein Tausch untereinander, aber längst nicht allen. Heinz hatte einen Fensterplatz weit hinten im Flugzeug ergattert, sein Nachbar war ein junger Röntgenologe. Ich kam neben einem Mann im vorderen Viertel des Flugzeuges zu sitzen, er am Fenster. Trotzdem konnte auch ich schön mit hinausschauen und die Beine, wenn ich wollte, lang in den Gang ausstrecken. In dieser Maschine waren im Gegensatz zu der gestrigen Langstreckenmaschine die Sitze enger hintereinander gruppiert. Trotzdem hatte jeder wieder seinen kleinen Bildschirm mit gottseidank anderen Programmen. Mein Nachbar spielte Schach, ich riet Sudoku. Er stammte aus Halle (Klick der Erinnerung: Museum, Ausstellung, Scheibe von Nebra). Seine Frau, HNO-Ärztin, saß im mittleren Teil des Fliegers weit vor uns. Tja, so besuchten wir uns gegenseitig; nette Gespräche kamen zustande. Im Nu waren die fünf Stunden um. Beim Aussteigen fiel mir ein schwarzhaariger junger Mann mit Rastafrisur auf. Gar nicht hässlich, nur ein bisschen dünn. Mein erster Rapa Nui (Einwohner der Insel), den ich zu Gesicht bekam!? Draußen auf dem Rollfeld trafen Heinz und ich wieder zusammen, gemeinsam strebten wir nun der Ankunftshalle zu. Ich zeigte ihm meinen "Rapa Nui", der vor uns her ging. Nanu, kann man denn schon hier von seinen Angehörigen abgeholt werden? Sonst spielt sich das doch immer erst hinter der Gepäckausgabe ab. Ein fröhlich wedelnder Hund an der Leine eines Uniformierten begrüßte meinen "Rapa Nui". Alle drei marschierten seitlich auf ein vergittertes Gebäude zu. Mein "Rapa Nui" verschwand hinter einer Tür, die sich von innen schloss, sobald Hund und Herrchen wieder herausgekommen waren. Auch sie machten sich jetzt weiter auf den Weg zur Gepäckausgabe. Hier standen noch mehr uniformierte Herrchen mit lebhaften Hunden herum. Als sich das Förderband in Bewegung setzte, hüpften die Hunde immer wieder darauf und ließen sich mitnehmen soweit die Leinen reichten. Pflichtgetreu beschnupperten sie Gepäckstück für Gepäckstück. Ohne Erfolg. Später erfuhren wir, dass auf der Insel ein Open-air-techno-festival stattfinden sollte, übrigens das erste. Normalerweise leben hier beim Zoll zwei Rauschgift-Suchhunde, aber wegen dieses Festivals sind zusätzlich Zollbeamte mit Hunden vom Festland her eingeflogen worden. Und wir dachten schon wegen uns Touris zur Sonnenfinsternis.

Ein Hauch Südseeinsel begrüßte uns schon am Flughafen.

------Angekommen im Paradies------

Eckehard Schmidt sammelte seine Gruppe ein. Eine freundliche, reinstes Deutsch sprechende Reiseleiterin der Agentur Rapa Nui Travel LTDA hieß uns herzlich willkommen und legte uns Blütenketten um den Hals. Zwei kleinere Busse warteten bereits, um uns und Gepäck in unser Quartier zu bringen. Mit "Zero-zero" wurden wir hier empfangen und sogleich vor einen winzigen Fernseher platziert. Die Fußballweltmeisterschaft lief seit 10 Minuten auf vollen Touren (lustigerweise in Südafrika); es spielte Deutschland gegen Spanien. "Klar, dass wir gewinnen!" Das war unsere Reiseleiterin Claudia. Auf die Frage, wer "Wir" wären, schließlich befanden wir uns seit zwei Tagen in einem spanisch sprechenden Land, kam die klare Antwort: "Deutschland natürlich. Mein kleiner Sohn schwingt schon seit zwei Stunden die deutsche Flagge!" Die zierlich schlanke Frau, die uns mit rauher Stimme "Zero zero" zugerufen hatte, stellte sich als Wirtin ihres Hotels vor, ihr Englisch klang amerikanisch, und ihr Mann, diesmal ein echter Rapa Nui, zog eine Leinwand auf und produzierte das Fußballspiel nun hierauf. Freundlich lachende Frauen servierten uns einen Begrüßungsschluck und acht neugierige Kinderaugen beäugten uns aus einiger Entfernung. Als wir nach dem Spiel, das leider für Deutschland verloren war, unsere Zimmer bezogen, war das Gepäck schon drinnen. Endlich hatten wir Gelegenheit, uns umzusehen. Pazifische Inselromantik pur! Ein Garten mit zwei gegenüberliegenden Holzhäuserreihen, Türen und Fenstern, einem Baumhaus, Schaukeln an Ästen, Pool, Liegestühlen und wunderschönen Skulpturen aus Holz und Stein. Ein überdachter Freiraum war das Restaurant und gleichzeitig Treffpunkt für gemütliches Beisammensein. Unser Hotel nannte sich Manavai, nach einer Ortschaft, die es mal in der Nähe des heutigen Flughafens gab. Auch dieser nennt sich so.

Sein Rollfeld ist sehr lang, es geht von einem Inselrand zum anderen. Es wurde von der NASA erbaut, man rechnete damit, dass hier eines Tages ein Spaceshuttle notlanden könnte. Auch eine Concorde soll hier schon einmal gelandet sein.

Thor Heyerdahl hatte in seinem Buch "Aku Aku" dieses Inselvölkchen so charmant beschrieben, dass ich es allein schon beim Lesen ins Herz schließen musste. "Liebenswürdige Spitzbuben". Christine Hörtreiter, Autorin im Iwanowski, hat die Beschreibung der Osterinsel in knappste Form gepackt, und hieraus zitiere ich im nächsten Kapitel.