11. Tag, Donnerstag, 15. Juli
Geysire und Dörfer

Früh um 3 Uhr schlug uns Abenteurern wieder mal die Stunde. Aus heißem Wasser, Nescafé oder Tee in Beuteln bestand das Frühstück, aber wer frühstückt schon in aller Herrgottsfrühe? Im Bus ging es noch mit der Kälte, da genügte der neue Alpakaschal aus Toconao von gestern. Finsternis ist für dieses Abenteuer angesagt, sonst kann man die Geysire nicht dampfen sehen. Also, auf auf. Unser Fahrer war die Munterkeit höchstpersönlich, zum Glück ging es meistens bergauf. Und nach drei Stunden waren wir dann oben auf knapp 4,5 km. Junge Junge, hat es da gedampft! Die Ritzen konnte man gar nicht zählen, aus denen es qualmte. Kaum hat man die eine fixiert, dampfte es gleich wieder aus drei anderen. Wo es nicht dampfte, war ein riesiger Parkplatz eingerichtet, und hier landete Bus für Bus mit seinen Frühaufstehern. Einer Karawanserei nicht unähnlich. Zunächst krabbelte noch keiner heraus, man musste sich erstmal warm anziehen! Auf minus 18 Grad ist mein Tiefkühler zu Hause eingestellt, und diese Temperatur erwartete uns nun draußen. Also, rin in die Klamotten. Gestern abend kauften wir im Handwerkermarkt in San Pedro Alpakamützen, -handschuhe, -strümpfe und mir noch eine schicke Jacke - viel zu groß, aber es war die äußerste Zwiebelschale, in die ich mich verpacken musste. Später soll sie Tochter Frauke übernehmen, der ist bei ihren Pferdchen oft genug kalt, wenn auch längst nicht so wie hier. Jörg, einer unserer Reisegenossen, glaubte unbedingt fotografieren zu müssen, es ging nicht, die Finger waren im Nu klamm. Ich lieh ihm meine Handschuhe, dafür bekam ich seine neuen Strümpfe für die Hände. Na, für draußen war ich noch nicht ganz fertig, und als er wiederkam, seine Kamera hatte diesen kurzen Zauber unbeschadet mitgemacht, gab er mir die Handschuhe zurück. Endlich verließ auch ich den Bus. Eiskristalle auf den Scheiben versperrten mir hier innen sowieso die Sicht. Heinz war schon längst draußen. Über seine Alpakamütze hatte er die Kapuze seiner Seglerjacke gestülpt; wärmte er sich nun mit dem Bauch die Hände oder mit den Hände den Bauch? Wunderlicherweise hat auch unsere kleine Kamera von Aldi zuverlässig Fotos geschaffen, alle Achtung!


Inzwischen waren neben den Bussen, da, wo die Sonne langsam erschien, Tische aufgebaut, mit Tischdecken, es war an alles gedacht. Jenny meinte, wir sollten ihr sagen, wann wir Hunger hätten, dann würde sie das Frühstück auspacken. Vorher nicht, sonst gäbe es nur Eiswürfel. Ja, Hunger hatten wir nun! Dann halfen wir zusammen: Thermoskanne, Tupperware, Plastikgeschirr. Während sich an einem nahen Geysir die Tetrapack-Milch erwämte, packte Jenny in Windeseile geschnittenes Brot, Wurst- und Käsescheiben aus. Flink wurde zugegriffen, denn schon bildeten sich Eiskristalle auf den Oberflächen unserer Nahrung. Zum Glück war niemandem nach Nachtisch, es hätte sowieso nur Eis gegeben. Jedenfalls war dieses kalte Büfett das eiskälteste, das es je für jeden von uns gegeben hatte. Darüber herrschte Einigkeit. Eine Therme gab es auch. Ein eiskaltes Becken, in das heißes Wasser floss. Einige Tapfere mussten dieses Bad unbedingt genießen. Es war ein kurzer Genuss, etwa so wie Sauna mit Schnee draußen. Alles, was an Körperteilen nicht im Wasser war, fror. Das Abtrocknen erwies sich als unnötig, man klopfte sich das schnell gebildete Eis mit dem Handtuch ab. Inzwischen waren die vorher ausgezogenen Klamotten, die auf einer Mauer abgelegt waren, hier leicht festgefroren. Die Sonne wärmte ein bisschen, bald waren die Dämpfe nicht mehr zu sehen. Sie waren aber noch da. Sie sind immer da. Nur glauben das manche Geysirfans nicht, kommen zu nahe an die Erdlöcher und verbrennen sich. Es sind auch schon Leute in größere Erdspalten gefallen. Sie kamen nie wieder heraus. Wahrscheinlich ein kurzes Ende mit großem Schrecken. Hatte sie der Teufel geholt?

Gern schlupfte ich wieder in den Bus zurück. Meine Füsse fühlten weder Wärme noch Kälte, weder Weg noch Gesteinsbrocken. Mir blieb nur noch:

<<<< Das half.

Christian, echter Landarzt aus einem Örtchen bei Stade, legte seine tiefgekühlte Hand auf den Sonnenfleck hinter meinem Kopf. Es dauerte lange, bis er wieder Gefühl hinein kriegte.

Heinz konnte darüber nur lachen. Bei ihm stimmte alles.

Es war Tag, die Tische verpackt, die Touris auch, die Bustüren schlossen sich, die Motoren knatterten los. Die Karawane setzte sich in Bewegung nach unten. Jetzt bei Helligkeit erkannten wir Ansiedlungen, die wieder verlassen worden waren.

Darüber weiß mein schlauer Reiseführer Iwanowski so viel, dass ich nur noch scannen muss.

Das System der Geysire steht im Zusammenhang mit dem nahe gelegenen Vulkan Tatio (daher auch der Name). Heißes Magma steigt hier bis nahe an die Erdoberfläche und erhitzt unterirdische Wasseradern. Wasser und Schlamm steigen in den Ritzen und Spalten des Gesteins empor, um schließlich als Dampf- oder Wasserfontänen an der Oberfläche sichtbar zu werden. Hier wird einem unmittelbar klar, dass die Anden ein sehr junges Gebirge sind, das sich noch überall bewegt! 1920 gab es zum ersten Mal einen Versuch, die Energie, die hier an der Erdoberfläche sichtbar wird, nutzbar zu machen, der sich jedoch als wenig erfolgversprechend erwies. 1967 wurden weitere Experimente mit Geldern der Vereinten Nationen durchgeführt, die Anlagen stehen noch und rosten langsam vor sich hin. Das Geysirfeld liegt etwa 100 km nördlich von San Pedro, erreichbar über eine teilweise schlechte Piste. Man muss früh in San Pedro aufbrechen, um die Geysire bei Sonnenaufgang zu erreichen.

Unser Fahrer fuhrwerkte heftig mit seinem Zündschlüssel, er hatte buchstäblich alle Hände voll zu tun, um die jetzt folgende Bergabfahrt zu meistern. Er meisterte. Jenny machte uns auf die scheuen zierlichen Vicunjas aufmerksam, die gerade am Aufstehen waren. Sie wirken milchkaffeefarben, ihre Bäuche und Innenbeine sind jedoch weiß. Ihre Wolle gilt als die feinste, sie ist auch die teuerste. Vicunjas gelten als nicht domestizierbar, trotzdem gibt es Tricks, sie einzufangen und zu scheren. Danach lässt man sie wieder frei. Sie waren schon am Aussterben, als man sich zu Schutzzonen für sie entschloss. Inzwischen haben sich die Bestände in ganz Südamerika wieder erholt.

Iwanowski:

Die Puna: Die Puna ist das Weidegebiet der Lamas und Alpakas, die von den Aymaras und den Atacamenjos als Haustiere gehalten werden. Auch ihre wilden Verwandten, das Vicuna und das Guanako, kommen hier noch vor. Sie waren die einzigen größeren Säugetiere, welche die Spanier bei ihrer Ankunft vorfanden; Rinder, Schafe, Pferde und Schweine wurden von ihnen erst eingeführt. Pumas und Füchse richten unter den Herden oft nicht unerheblichen Schaden an. Und eine große Anzahl von Vögeln lebt hier, der Kondor und andere Raubvögel, aber auch eine Vielzahl von Enten und Gänsen.

Lamas und Alpakas

Ihre wilden Vorfahren wurden vor Tausenden von Jahren von den Atacamenjos gezähmt, und heute kommen Lamas und Alpakas nur noch in domestizierter Form vor. Da die beiden Arten aber zu den Charaktertieren der Anden gehören, sollen sie hier dennoch vorgestellt werden. Hauptsächlich werden sie in Bolivien und Peru gehalten, ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich aber von Ecuador bis in den Norden Chiles und Argentiniens. Und sogar in Europa und Nordamerika gibt es inzwischen Farmen, die Lamas und Alpakas halten, weil sich das fast cholesterinfreie und sehr wohlschmeckende Fleisch gut an Spezialitätenrestaurants verkaufen lässt. Im eigentlichen Verbreitungsgebiet der Lamas gilt es nicht viel, hier ist es eine Arme-Leute-Speise, die hauptsächlich von den Haltern selbst gegessen und auf den Märkten verkauft wird. Lamas haben eine gröbere Wolle als Alpakas oder gar Vicunas. Lamas im Hochland von Nordchile werden deshalb hauptsächlich als Fleischlieferanten gehalten. Früher waren sie auch als Lasttiere gefragt, es gab regelrechte Lama-Karawanen, die durch die Wüste und den Altiplano zogen. Diese Funktion ist heute durch das besser ausgebaute Straßennetz und den LKW-Verkehr überflüssig geworden.

Spucken Lamas wirklich? Wenn man sie nur genügend reizt, kann es einem tatsächlich passieren, dass sie einem (nach ausführlichen Drohgebärden, die den Angreifer warnen sollen), eine Mischung aus Speichel und hervorgewürgten Speiseresten ins Gesicht husten. Aber man muss sie schon heftig ärgern, bevor sie sich dazu hinreißen lassen, und normalerweise ergreifen sie vor Menschen eher die Flucht. Das Alpaka ist in der Regel etwas kleiner als das Lama und von seinem Verwandten gut durch seine viel kürzere Schnauze zu unterscheiden, die ihm ein puppenhaftes Aussehen verleiht. Die Wolle des Alpakas ist sehr fein und kann zu hochwertigen Stoffen weiterverarbeitet werden. Besonders für den ersten Schnitt, das so genannte Baby-Alpaka, werden hohe Preise gezahlt. Die Alpakas sind wählerischer als Lamas, sie fressen lieber in den grünen Niederungen, während die Lamas sich auch mit dem harten Gras und dem Gestrüpp der Berghänge zufrieden geben.


Auf der Weiterfahrt nach Calama lagen noch drei malerische Lehmziegeldörfer - Caspana - Lasana und Chi Chiu, die es zu besuchen galt. Fürwahr, die Fahrt war mehr als abenteuerlich, und unsere Gruppe war sich ab jetzt einig: dieser Fahrer ist ein Genie. Er wurde zum Schluss, wie Jenny auch, reichlich mit Trinkgeld bedacht! Beide hatten es verdient!

Unser Atacamenjo schaukelte uns mit Wonne durch die Berge der Wüste, ob die Fahrbahnen nun ausgebaut waren oder nicht, ob ihm Erdrutsche oder Sandsturm entgegen schlugen, er nahm alles an, überwand alles und brachte uns und auch sein altes Vehikel an jedes Ziel. An dieser Stelle ist noch zu bemerken, dass sich der Wüstensand in seiner Färbung nach den ihm enthaltenen Metallen richtet. Oft schimmert er grün, stellenweise braun. Versorgungsrohre, die neben der Fahrbahn unter dem Sand verlaufen und sich nur immer an Verbindungsstellen zeigen begleiteten uns.

Jenny und die Geschichte von Caspana. Die Einwohner sind bolivianischer Herkunft. Wir sahen es an der Kleidung der wenigen Leute, denen wir auf unserem Weg durch das Dorf begegneten. Wenig Leute? Jenny meinte, es läge daran, dass sie besonders misstrauisch gegenüber Frem-den seien. Das wäre nicht immer so gewesen. Es sollte sich zugetragen haben, dass eine Schafhüterin von zwei entsprungenen Häftlingen vergewaltigt worden wäre. Die ganze Dorfgemeinschaft machte sich auf die Suche nach den zwei Verbrechern und fand sie auch. Was mit ihnen geschah, weiß nicht einmal die Regierung. Sie verschwanden. Und es wurde gar nicht erst nach ihnen gefahndet. Laut Jenny wäre das in dieser Gegend Chiles unüblich im Gegensatz zu den Gebieten, in denen als Ureinwohner die Stämme der Maputches zu Hause sind. Jenny bat uns, hier nicht zu fotografieren. Leider ging mir damit eine bolivianische Mutter mit Kind im Rückentuch und einem an der Hand durch die Lappen. Hier Fotos aus der Entfernung.

Allmählich steuerten wir das nächste Dorf an:

Chiu Chiu. Hier wurde zu Feier der Heiligen Fatima geschmückt. Das ganze Dorf war auf den Beinen, und in der Kirche bestimmte eine freundliche alte Frau, fast zahnlos, wo was hingehörte.

Zweitürmig ist das Kirchlein und wurde gerade renoviert. Mit barocken Elementen im Innenraum wurde nicht gespart; in einem Seitenaltar waltete St. Rochus, umgeben von Teddybären.

Erstaunlich, wie viele Touristen hier herum liefen im Gegensatz zum Dorf Caspana. Jenny meinte: "Caspana wird gern von den Reiseführern gemieden."

Das letzte Dorf in unserem Programm: Lasana. Hier wollten wir in einem großen riedgedeckten zeltähnlichen Restaurant unsere Mittagsmahlzeit einnehmen. Wir waren angemeldet und die einzigen Gäste. Wir wunderten uns, dass wir nicht bedient wurden. Bis sich Jenny ein Herz fasste und zur Wirtin in die Küche ging. Es stellte sich heraus, dass diese von ihren Helfern verlassen worden war, weil auch hier ein Dorffest vorbereitet wurde. Nun war sie mit ihren Kindern allein. Was tun? Jenny krempelte sich die Ärmel auf und half mit. Und es dauerte nicht lange, da halfen auch wir Gäste. Alles klappte wie am Schnürchen. Wir wurden satt und konnten die gegenüberliegende Fes-tung aus der Zeit der Inkas (12. Jh.) und noch ein kleines Museum besichtigen.

Das Fort und auch das Dorf darunter waren mit einem Kanalsystem ausgestattet, das das Grundwasser des Vulkans auffing und steuerte. Lasana liegt an den Ufern des Flusses Loa und wurde ein nationales Denkmal im Jahre 1982.

Jetzt, am Nachmittag, fuhren wir weiter, Calama entgegen.