Libyen 22. März bis 3. April 2006
Von historischer, astronomischer oder sonstiger Sachkenntnis ganz ungetrübte Reisenotizen
von Brigitte Sitter
Vor uns liegt eine Reise zur Sonnenfinsternis am 29. März, die wir in der libyschen Wüste beobachten wollen. Außerdem wollen wir dieses nicht weit entfernte, aber doch ferne Land ein kleines bißchen kennenlernen. Die Reise wird von Eckehard Schmidt und Ikarus-Reisen veranstaltet. Es geht los am
Dienstag, 21. März
Wir fahren um 15.30 Uhr mit dem Zug nach Frankfurt. Kaum fährt der Zug, fällt mir ein, daß der Proviant noch im Kühlschrank liegt - das fängt ja gut an. Wir übernachten im Intercity-Hotel gleich am Bahnhof.
Mittwoch, 22. März
Um 7 Uhr mit der S-Bahn zum Flughafen, es gibt einen Extra-Schalter für unsere Gruppe. Wir sind die ersten, dann kommen gleich Gisela und Berthold Hermes. Allmählich stellen sich bekannte und unbekannte Mitreisende ein. Angenehmer Flug, um 13.30 Uhr Ortszeit (eine Stunde Unterschied) landen wir in Tripolis.
Pässe zu prüfen kann ziemlich lange dauern, das Gepäck muß auch nach der Ankunft noch einmal durchleuchtet werden. Dann wird Geld gewechselt, 5 Euro sind 8 Dinar. Überall hängen große Bilder von Ghaddafi.
Dr. Kitzki von Ikarus-Reisen ist als Reiseleiter mit uns unterwegs, und unser lokaler Führer heißt Jehad.
Gegen 15 Uhr geht es mit dem Bus zum Hotel Blueship am Meer. Ca. 25°, wolkenlos, die Akazien blühen. Wir packen aus, da wir hier drei Nächte bleiben. Um 17 Uhr fahren wir in die Altstadt. Es geht am Meer entlang, vorbei am früheren Thronfolger-Schloß, an der Zitadelle von 1911, die die Italiener hinterlassen haben, am Fischerei- und am Passagierhafen. An den Straßen viele Schilder, auf denen "36" steht, den Rest können wir ja nicht lesen. Es geht um den 36. Jahrestag der Revolution.
Unser erstes Ziel ist der Triumphbogen des Marc Aurel, der 163 n. Chr. errichtet wurde. Aus weißem Marmor, sehr schön bearbeitet. Außerhalb der Stadtmauer, von der hier ein Stückchen steht, ein kleine Moschee, die ursprünglich, im 16. Jahrhundert, eine spanische Kirche war.
Wir gehen durch die Gasse der Franzosen, Zenghet el Fransis, kommen an einem früheren türkischen Gefängnis und einer ehemaligen Marienkirche vorbei. Kleine Gassen mit winzigen Läden. Viele Schneider, noch viel mehr Schmuck und Silber und Messing.
In einem Straßencafé trinken wir arabischen Kaffee. Außer unserer Gruppe, wir sind 36, noch mehr Touristen, und viele Einheimische. Nur Männer, die in der einen Hand die Wasserpfeife und in der anderen das Handy haben.
Die Leute sind alle sehr freundlich. Die älteren Herren lächeln und winken, die Frauen lachen einen an, und kleine Buben rufen "What's your name?", aber dann sausen sie schnell davon. Viele Frauen tragen Kopftücher. Ich habe nur eine Frau gesehen, die richtig verschleiert war.
Es wird kühl, wir fahren ins Hotel zurück. Zum Abendessen gibt es ein Büffet, leider manches nur lauwarm, das meiste aber kalt, einschließlich Kartoffeln und Gemüse.
Hier im Hotel wuseln lauter Frauen rum, überschlägig müssen es ungefähr hundert sein, angeblich Lehrerinnen. Die haben sich nach dem Essen in einem Raum versammelt, veranstalten mit Akkordeon, diversen Trommeln und Gesang einen Höllenlärm, tanzen und amüsieren sich prächtig. Wir sind eine Zeitlang dabeigesessen, bis es mir einfach zu laut wurde. Unser Zimmer ist zum Glück weit weg, aber ich kann es (Mitternacht) noch immer hören.
Donnerstag, 23. März
Um 9 Uhr fahren wir los, 120 km nach Leptis Magna, die Fahrt dauert fast zwei Stunden.
Leptis Magna war eine große weitläufige Stadt, von den Phöniziern im 6. Jahrhundert v. Chr. gegründet und von allen möglichen Völkerscharen bewohnt und aus- und umgebaut. Thermen, Forum, byzantinische Basilika, großer Marktplatz mit marmornen Verkaufsständen. So recht weiß ich nie, wo ich gerade bin, weil sich die Gruppe so auseinanderzieht. Von den Erklärungen bekomme ich nicht viel mit.
Nach dem Mittagessen besuchen wir das Museum (Ghaddafi über drei Stockwerke!), den römischen Zirkus und die Rennbahn; danach eine kurze Pause am Meer.
Dann geht es zurück ins Hotel. Das Abendessen findet heute in einem Lokal an der Rennbahn (der jetzigen, modernen in Tripolis) statt. Üppig.
Freitag, 24. März
9 Uhr Abfahrt nach Sabratha, um halbelf sind wir da. In einem Museumsgebäude sehen wir wunderschöne und gut erhaltene Mosaiken, die aus der Basilika, 6. Jahrhundert, stammen. Da das Museum nicht groß genug ist, sind die Bodenmosaiken aus den Seitenschiffen links und rechts an den Wänden befestigt worden.
Wir kommen an einem punischen Grabturm aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. vorbei, gehen an der byzantinischen Stadtmauer entlang, über ein großes Säulen- und Trümmerfeld nah am Meer, wo auch ein Tempel für den/einen unbekannten Gott steht.
Als nächstes ein großes römisches Gebäude für Handel und Wandel und Gerichtsbarkeit (nur Grundmauern und ein paar Säulen), der Flavius-Tullius-Brunnen aus dem 2. Jahrhundert v. Chr., das große Forum mit einem Tempel, der Jupiter, Juno und Minerva geweiht war, das "Rathaus" (curiae), und die Basilika, aus der die Museumsmosaiken kamen. Hier an Ort und Stelle gibt es nur noch einige Säulenreste und den Kanzelaufgang.
Da heute Freitag ist, haben die Kinder keine Schule und vergnügen sich am Strand. Sie gehen ganz unbefangen auf uns zu, probieren ein paar Brocken Englisch aus und wollen fotografiert werden. Auch viele einheimische Familien haben einen Ausflug hierher gemacht, es gibt freundliche Gespräche und Fotos.
Zum Mittagessen fahren wir in ein Lokal in der Nähe, gutes Essen, dann wieder zurück, um das Theater zu sehen. Es stammt aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. und hat eine riesige dreistöckige (wieder aufgebaute) Bühnenwand. Dann gehen wir, am Isis-Tempel vorbei, zum Amphitheater. Groß und, obwohl ziemlich verfallen, imposant.
Danach geht es zum Hotel zurück und erst um 9 Uhr fahren wir wieder in die Stadt zum Essen. Ein schönes Lokal. Auf den Couscous mit Fisch verzichten Reinhart und ich dankend, wie schon auf den gestrigen Fisch.
Jetzt (fast Mitternacht) sind wir grade heimgekommen, und um 9 Uhr sollen wir mitsamt dem Gepäck fertig sein.
Samstag, 25. März
Kofferpacken, Abfahrt 9.30 Uhr. Ein kurzer Stop beim Planetarium, dann geht es ins Nationalmuseum, das sich in der Zitadelle (Rote Festung) befindet. Jehad führt uns. Er redet und erklärt bis 1 Uhr ohne Punkt und Komma. Interessant, aber auch etwas ermüdend. Danach lassen wir die Gruppe Gruppe sein und machen uns allein auf den Weg. Das Wetter ist, wie schon die Tage vorher, höchst angenehm, Sonne und ein bißchen Wind.
Junge Männer mit Tabletts voller Getränkedosen sind unterwegs, sogar Cappuccino haben sie dabei, und wir trinken erst mal was. Dann gehen wir eine Straße mit lauter Schmuckgeschäften entlang und biegen dann stadteinwärts ab. Wir schauen durch eine offene Tür in einen Innenhof und drei Männer, die da miteinander diskutieren, laden uns ein, hereinzukommen. Ein schönes altes Haus, das gerade zu einem Hotel umgebaut wird. Wir dürfen ein Zimmer besichtigen, im traditionellen Stil, hohes Gewölbe, kleines Fenster ganz hoch oben, damit es kühl bleibt, Betten auf einem Podest, modernes Bad - das wird bestimmt schön.
In einem kleinen Laden kaufen wir ein Buch und führen mit dem jungen Verkäufer eine Unterhaltung, die nur aus Namen besteht, nämlich Oliver Kahn, Michael Ballack, Otmar Hitzfeld, Felix Magath ... Er ist aber Dortmund-Fan.
Wo es Ansichtskarten und dergleichen gibt, wird zumeist auch "Das grüne Buch" von Ghaddafi verkauft, darin sollen wohl alle sozialen und politischen Probleme der Demokratie gelöst sein. Außer in Arabisch gibt's das in Englisch, Deutsch, Französisch, Italienisch, auch eine portugiesische Ausgabe habe ich gesehen. Fast in jeder Sprache wird der Name anders geschrieben: Qaddafi, Qathafi, Kadhafi ...
Wir haben viele nette Unterhaltungen geführt. Viele Leute, alte und junge, sprechen Englisch, und sie gehen auf uns zu. Ein Rauschebart auf dem Markt, ein Friedhofswärter, drei halbwüchsige Buben, die uns über die Straße zurufen und dann zu einem längeren Gespräch herüberkommen, zwei Mädchen, die wir nach einem Gebäude fragen. Und immer heißt es "Welcome to Libya!".
Als wir auf einer Bank Rast machen, kommen zwei junge Männer mit einem Packen Ansichtskarten, und wir raunen uns zu "Das sind die ersten, die uns was verkaufen wollen". Wir schauen die Karten durch und suchen ein paar aus, und dann wollen sie absolut kein Geld nehmen - sie wollen uns nur eine Karte oder zwei schenken. Weil sie sich so freuen, daß wir da sind!
Wir besuchen St. Francis, die einzige katholische Kirche in Tripolis, und machen uns dann auf den Rückweg. Am Algerien-Platz trinken wir noch einen ausgezeichneten Cappuccino in einem großen Innenhof gegenüber der Moschee und sind pünktlich am Grünen Platz, wo wir die Gruppe wieder treffen.
Im Restaurant "Al Murjan" gibt es ein sehr feines Abendessen, dann fahren wir zum Inlands-Flughafen. Jehad verabschiedet sich. Unser "Sicherheitsbeauftragter", der uns ständig begleitet und kein Wort spricht - man weiß nicht genau, ob er uns be- oder überwacht -, fliegt mit nach Benghasi. Um 21.20 Uhr geht's los, eine knappe Stunde Flug, 20 Minuten zum Hotel. Dusche ohne Schlauch.
Nach 2 Uhr ins Bett. Das Hotel liegt am Hafen, dort bellen ein paar Hunde ohne eine Sekunde Pause.
Sonntag, 26. März
6 Uhr aufstehen! Das erste, was ich höre, sind die Hunde. Um 8 Uhr geht es mit Polizei-Eskorte auf die Fahrt nach Cyrene. Sind wir so wichtige Leute?
Wir haben einen neuen Führer für den Rest der Zeit, Khaled. Leider spricht er nicht besonders gut deutsch.
Das Land ist grün und fruchtbar. Hier wird Getreide angebaut, der Raps blüht und die Mandelbäume auch. Wir sehen viele Schafe, Kühe, Ziegen, ein paar Pferde und Kamele. (Die meiste Fahrzeit hab ich allerdings heute verschlafen!)
Fotostop bei einer neuen, riesigen Brücke über das Wadi Al Quf.
An Al Beida fahren wir vorbei und kommen um 11.45 Uhr nach Cyrene. In der Oberstadt sehen wir das große griechische Gymnasion, das später zum römischen Forum wurde, ein kleines Theater, auf der Agora das Schiffsbug-Monument mit einer Nike, und den Demeter-Tempel.
Wir wandern in die Unterstadt, kommen an der Apollo-Quelle und am Apollo-Tempel vorbei zum großen Theater, das Platz für 5.000 Personen gehabt haben soll. Dann das Trajan-Bad, das von Hadrian erneuert wurde. Oder umgekehrt?
Um 14 Uhr gibt es Mittagessen. Wie meistens Salat, Suppe, Fleisch (kalt) mit Reis (warm) und Pommes frites (eiskalt), danach Tee.
Um viertelnachdrei fahren wir weiter zum großen Zeus-Tempel, und dann nach Apollonia. Hier gibt es Reste von drei Basiliken zu sehen, und von anderen Häusern. Auf dem Rückweg machen wir Pause in Qasr Libya mit Resten von zwei alten Kirchen. In einer hat man schöne Mosaiken geborgen und in ein kleines Museum geschafft.
Montag, 27. März
Heute besichtigen wir zuerst Benghasi, wir fahren zum Freiheitsplatz und gehen durch einen Markt mit viel Schmuck, Kleidung und allem möglichen, was der Mensch brauchen kann. Dann über den Gemüsemarkt, der uns sehr gefällt, obwohl es außer Datteln eigentlich kaum was "Exotisches" gibt. Wir kaufen eine große Tüte Erbsen, das haben wir auch in Tripolis schon gemacht. Harald outet sich ebenfalls als Erbsen-Fan.
Kurz nach 11 Uhr geht es weiter zu einem türkischen Restaurant, wo wir heute Lunchpakete bekommen. Das dauert ziemlich lange, noch etwas länger als die Schlange vor der einzigen Toilette.
Gegen 12 Uhr machen wir uns dann auf den Weg nach Tolmeita = Ptolimais. Steinige Gegend, auch grün, viele viele Schafe, und die Büsche sind mit vielen bunten Plastiktüten verziert, die der Wind durchs ganze Land weht.
Nach eineinhalb Stunden Fahrt kommen wir an und packen erst einmal unseren Imbiß aus: kleine panierte Hühnerteile, Reis, Pommes frites und Salat.
Dann gehen wir über das Ausgrabungsfeld. Es gibt einen Augustus-Bogen, ein kleines Theater, eine römische Villa und noch mehr, aber von allem nur Grundmauern und Säulenreste. Unter einem freien Platz mit lauter Löchern im Boden befindet sich eine große alte Zisternenanlage, in die man auch hinuntersteigen kann. Was wir natürlich tun. In dem kleinen Museum finden sich sogar ein paar englische Hinweisschildchen.
Wir fahren weiter bzw. zurück und kommen nach Tocra - dito ohne Zisterne. Gegen halbsieben sind wir wieder im Hotel. Am Abend sitzen wir alle zusammen und Eckehart, Klaus Meissen und auch Reinhart geben Informationen zur Finsternis. Anschließend Abendessen und Kofferpacken.
Dienstag, 28. März
Ab in die Wüste! Ziemlich pünktlich um 8 Uhr fahren wir los, auf der Küstenstraße nach Süden. Nach eineinhalb Stunden oder so geht es dann "wirklich" in die Wüste, bald sieht man draußen nur noch Sand und Steine und wenige kleine Büsche, und statt der Schafe Kamele.
Kurz nach zehn Uhr halten wir in einer kleinen Stadt, um noch Brot zu kaufen, dann müssen wir nach dem Weg fragen und ein freundlicher Autofahrer lotst den Bus aus der Stadt raus auf die richtige Straße.
Unterwegs führt Klaus zur staunenden Belustigung der Umsitzenden einige seiner Schätze vor. Er ist für alle Eventualitäten gerüstet: Klebeband, Batteriesortiment, Leucht-Kugelschreiber, diverses Werkzeug, von Laptop und Hightech-Ausrüstung gar nicht zu reden.
Fotostop für die erste Karawane oder was man dafür hält.
Kurz vor der Oase Jalu Baumschulen - kleine Palmen in Reih und Glied, soweit das Auge reicht!
Durch die Oase, die aus drei Ortschaften besteht, fahren wir durch. Es wird Essen ausgeteilt, Semmeln, Käse, Joghurt, Bananen, wir essen während der Fahrt.
Am frühen Nachmittag tauchen an der recht guten Straße Schilder auf "Solar Eclipse Watch Point 1000 m", dann 500, dann 100 m. Dann zweigt eine Sandpiste ab, noch 8 km, dann liegt das Finsternis-Camp vor uns.
Nicht im Traum hab ich mir so etwas vorgestellt! Reihe um Reihe von großen Zelten, vielleicht 4 oder 5 m im Quadrat und in der Mitte 3 m hoch, mit zwei Eingängen, auf dem Boden große Matten und eine oder zwei Matratzen - Einzel- oder Doppelzimmer! Eine ganze "Straße" von diesen Zelten wird von unserer Gruppe bewohnt. Dahinter eine Batterie von kleinen Iglu-Zelten - an so was hatte ich eher gedacht, am ehestens allerdings an eine Art Massenquartier. Dies hier finde ich geradezu luxuriös.
Später - Inzwischen haben Reinhart und ich einen Rundgang gemacht, waren wohl zwei Stunden unterwegs. Unglaublich, was sich hier abspielt. Hübsch: 60 Toilettenkabinen in einer Reihe, rechtwinklig dazu je zehn Duschkabinen und etliche Waschbecken. Zwei große Restaurantzelte. Aber dann kommts noch besser: Reihen von großen Zelten mit Souvenirs, eins mit Telefonen und zehn PCs mit freiem Internet-Zugang, eins, in dem es wunderschöne Fotobände, Bücher, Infomaterial, Poster und Ansichtskarten gibt - alles geschenkt! Ein Areal mit Beduinenzelten, Schilfhütten und einem künstlichen See.
Jemand hat sogar eine auf einem Fahrzeug montierte Sternwarte mit einem ganz schön großen Teleskop dabei.
Zum Abendessen stehen eine Menge Leute vor den Restaurants an. Khaled führt uns auf die andere Seite und nach kurzer Wartezeit dürfen wir als erste hinein. Das erweist sich als nicht so günstig, denn wir nehmen bequem Platz und alle hinter uns gehen direkt zum Büffet, so daß wir dann nur noch mit Mühe ans Essen kommen.
Das Zelt ist wunderbar mit weißen Vorhängen und weißblauem Himmel ausgestattet. Große runde Tische mit feinen Tischdecken, die Stühle haben weiße Überwürfe und riesige blaue Schleifen. Das Essen ist auch gut.
Danach sind wir zwei noch bis nach 1 Uhr auf dem Gelände unterwegs. Wir staunen nur, was hier so alles los ist. Eine Folkloregruppe zieht tanzend durch die Menschenmenge. In dem Areal mit dem See präsentiert sich eine kleine Stadt, die 60 km entfernt liegt. Jetzt am Abend, wo nicht so viel los ist, werden wir von goldigen kleinen Mädchen begrüßt, bekommen Infos, eine CD und Datteln geschenkt und werden von zwei jungen Männern herumgeführt. Da wird Getreide gemahlen, Brot gebacken, Wasser trickreich mit einem Ledereimer geschöpft. Alte Männer machen schöne Flechtarbeiten und ein Kamel trinkt Limonade aus der Flasche. Außerdem gibt es Igel, giftige Schlangen und anderes Getier.
Rund um unser Camp, wo von 966 Gästen gesprochen wurde, gibt es weitere, kleinere Zeltstädte mit eigenen sanitären und gastronomischen Anlagen. Wir laufen überall herum, plötzlich um 10 Uhr krachbum - ein Riesenfeuerwerk! Wunderschön, und alle 20 oder 30 Minuten wird wieder "gefeuert".
Auf einer Bühne findet eine Folkloreveranstaltung mit Tanzgruppen statt, das Fernsehen ist dabei und lokale Prominenz in Nadelstreifen. Die Musik besteht nur aus verschiedenen Trommeln und wenigen Flötentönen, die sich ständig wiederholen. Die Show fängt aber erst um Mitternacht an.
Um halbzwei kriechen wir in unsere Schlafsäcke, die wir zum Glück ergattert haben, aber draußen bebt die Wüste weiter.
Mittwoch, 29. März - Finsternistag!
Der erste Tag ohne Wecker, bis halbacht geschlafen (Ich. Reinhart ist schon draußen unterwegs.) Katzenwäsche, denn das Duschen erscheint mir doch zu umständlich, und die Waschbecken sind ja im Freien.
Nach dem Frühstück geht es in die Wüste hinaus - nein, nur ein kleines Stück hinter dem Camp lassen wir uns nieder. Reinhart will diesmal die Finsternis nicht fotografieren, sondern genießen, deshalb haben wir keine großen Umstände.
Wir laufen noch ein bißchen herum und schauen uns die verschiedenen Grüppchen und Leute an. Besonders die Japaner sind immer niedlich.
Der Himmel war gestern den ganzen Tag blitzblau und ist es auch heute, so daß wir an Wolken oder dergleichen gar keinen Gedanken verschwenden. Kurz nach 11 Uhr der erste Kontakt, wir lassen das große Ereignis in aller Ruhe auf uns zukommen. Es wird langsam fahler, kühler. Ganz kurz vor dem zweiten Kontakt fliegende Schatten, die ich in Mexiko verpaßt habe. Auf dem Wüstenboden sind sie ganz deutlich zu sehen. Zum Glück hat jemand darauf aufmerksam gemacht.
Und dann, um 12.26 Uhr, steht "urplötzlich" das schwarze Loch am Himmel und ich bin genauso verblüfft und überwältigt wie bei meiner ersten Finsternis. Die Korona ist nicht sehr ausgeprägt, aber Protuberanzen sind gut zu sehen. Schön schön schön - ich liege im Sand, staune und freue mich.
Während der Totalität eine wunderbare Stimmung ringsum. Im Südwesten ist der Horizont rötlichgelb gefärbt, gegenüber dunkler, ins Violette gehend. Venus ist gut zu sehen, und auch Merkur und Kapella werden von einigen gesichtet.
Das Beste kommt am Ende der 4 Minuten und 3 Sekunden: ein fantastisch großer und lange sichtbarer Diamantring.
Dann wird es rasch wieder hell. Eindrücke werden ausgetauscht, und wir beobachten, mehr nebenbei, noch die Phase bis zum vierten Kontakt. Aus zwei Militärzelten in unserer Nähe kommen Soldaten im blauen Tarnanzug und jeder will mit uns fotografiert werden. (Zu Anfang der Reise hielten wir so etwas gar nicht für möglich, aber auch Polizisten stellen sich in Positur, wenn sie merken, daß eine Kamera auf sie gerichtet ist!)
Später sitzen wir in unserer "Ikarus-Straße" zusammen bei einem Finsternis-Schnaps, den jemand in diesem alkoholfreien Land aufgetrieben hat. Feigen-Schnaps, schmeckt fein. Für Uli, der heute am Finsternistag Geburtstag hat, singen wir ein Ständchen.
Am Abend zeigt das Camp bereits Auflösungserscheinungen. Viele reisen schon ab, Zelte werden abgebaut, Toilettenpapier scheint auch alle zu sein. Und das Abendessen geht heute nicht mehr so geordnet über die Bühne wie gestern.
Später findet noch eine Finsternis-Party statt, auf die ich aber zugunsten meines Schlafsacks verzichte. Reinhart geht noch Sterne schauen.
Nachts übrigens 10° Minimum, also nicht so kalt wie befürchtet.
Donnerstag, 30. März
Um halbfünf läutet der Wecker, denn wir sollen um 8 Uhr in Jalu einen Charterflug nach Tripolis erwischen. Gepackt haben wir gestern abend, teils mit Taschenlampe, denn Licht gibt es im Zelt natürlich nicht.
Mini-Wäsche wie gestern, ein Lob für den, der die feuchten Tücher erfunden hat! Dann gibt es sogar schon richtiges Frühstück. Mir ist um diese Zeit nur nach Kaffee.
Wir fahren los, allmählich wird es hell, eine wunderbare Stimmung draußen. Um 6.25 Uhr geht die Sonne auf, kurz darauf bleibt der Bus stehen - Diesel ist alle! Während der Fahrer zur Tankstelle wandert, untersuchen Khaled und ein paar andere den Bus und finden einen zweiten Tank. Khaled flippt beinahe aus, und wenn jemand den Bus fahren könnte, möchte er am liebsten ohne den Chauffeur weiter. Schließlich kommt der wieder, mit dem Sprit in Waschmittel-flaschen, und die Fahrt kann weitergehen, so daß wir kurz vor 8 Uhr den winzigen Flughafen erreichen.
Hier geht es ganz unformell vorn ins Häuschen rein, hinten wieder raus aufs Flugfeld, die Koffer stehen im Sand, werden eingeladen, wir steigen ein und los geht's um 8.30 Uhr.
Kurz vor 11 Uhr sind wir wieder im Blueship-Hotel und es wird erst einmal ausgiebig geduscht. Auch das Gepäck hat eine Säuberung dringend nötig. Um 1 Uhr gibt es Mittagessen, danach ist eine Besichtigung phönizischer Gräber angesagt.
Reinhart und ich fahren stattdessen mit dem Taxi in die Stadt, bummeln noch einmal durch den Souk, trinken am Algerien-Platz einen Cappuccino und versuchen vergeblich, eine aktuelle Zeitung mit Finsternis-Fotos zu kaufen. Trotz vieler freundlicher Menschen, die uns helfen wollen, finden wir keinen entsprechenden Laden.
Zurück ins Hotel, die Koffer müssen neu gepackt und die Ansichtskarten endlich geschrieben werden. Abends fahren wir zu einem Fischrestaurant am Fischmarkt und essen Fischsuppe und gegrillten Fisch - ja, wer's mag!
Freitag, 31. März
Heute haben wir verschlafen, ein versehentlicher Weckruf der Rezeption rettet uns. Die entschuldigen sich dann noch für die Störung.
Abfahrt nach Ghadames um 8.15 Uhr. Es ist neblig, aber nach einer halben Stunde wieder blau. Unterwegs wird noch Wasser eingekauft.
Palmen, blühende Mimosen, Olivenbäume, Weinstöcke ziehen draußen vorbei. Nach einiger Zeit sehen wir links den Gebirgszug Jebel Nafusa, auf der anderen Seite reihen sich endlos die Stromleitungsmasten aneinander.
Bei der Speicherburg von Qasr Al Haj machen wir Halt. Interessant. Später besuchen wir die Berberfestung Nalut, die bis 1960 bewohnt war. Es gibt Speicheranlagen, labyrinthartige Gänge, eine Mühle, eine kleine Moschee.
Übrigens haben wir unseren Sicherheitsbeamten verloren. Er war bei der Abfahrt heute früh nicht da und wir sind ohne ihn losgefahren.
Nach dem Mittagessen an einer Tankstelle in Nalut geht es weiter über eine leicht hügelige Ebene mit rötlichem Sand und niedrigem Buschwerk.
Die langen Stunden im Bus sind nicht so lustig. Wir sitzen recht beengt und die Klimaanlage macht Probleme. Auf den im Bus installierten Fernsehgeräten läuft plötzlich ein Film über den Freiheitskämpfer Omar Mukhtar und den Kampf gegen die Italiener, es wird geschossen wie verrückt. Das will so recht keiner haben und der Film wird schließlich gestoppt.
Kurz vor 7 Uhr erreichen wir Ghadames und stellen schnell fest, daß unser Hotel "Dar Ghadames" die beste Unterkunft auf dieser Reise ist. Ein weitläufiger, einstöckiger Bau im traditionellen Still mit einem dicken Turm über dem Eingangstor. Weite Hallen, lange Gänge, wenig Mobiliar; das soll aber noch kommen, das Haus ist erst kürzlich eröffnet worden. Mir würde es auch so gut gefallen. Die Zimmer sind ebenfalls schön, ohne Fernseher, aber mit Brauseschlauch.
Um 8 Uhr ein sehr feines Abendessen mit Kartoffelpüree - der Koch war zehn Jahre lang in Deutschland. Danach gehen Reinhart und ich noch ein Stück spazieren. Viele Sterne, die ganz schmale Mondsichel liegt waagrecht am Himmel und wird bis zum Untergang beobachtet.
Samstag, 1. April
Heute nacht hatte es auf dem, allerdings geschützten, Balkon 16,5° Minimum, das mit den kalten Wüstennächten trifft offenbar nicht durchgängig zu.
Gegen 6 Uhr wie üblich die Muezzin-Rufe, da war von Sonnenaufgang noch lange nicht die Rede. Hier ist einer mit sehr schöner tiefer Stimme dabei - die meisten hören sich ja einfach nur schrecklich an.
Kurz nach 9 Uhr Abfahrt zum Museum, wo es alles über Hausbau, Handwerk, Kleidung, Medizin und das ganze Alltagsleben der Berber zu sehen gibt. Dann geht es in die Altstadt. Ein Gewirr von zumeist überdachten Gassen und Gängen, wo die Gruppe tunlichst zusammen und beim Führer bleibt. Allein würde man nicht mehr hinausfinden.
Die alte Stadt Ghadames mit ihren sieben Toren ist seit 1982 fast unbewohnt und wird von der UNESCO als Weltkulturerbe erhalten. Die Leute sind in neue, vom Staat zur Verfügung gestellte Häuser gezogen. Die Häuser und Gärten in der alten Stadt gehören ihnen aber noch und manche leben den Sommer über dort. Fünf Moscheen sind auch noch "in Betrieb".
In einem der Häuser wird uns das Mittagessen serviert. Wir müssen die Schuhe ausziehen und lagern beim Essen auf verschiedenste Weise am Boden, denn es gibt hier kein Mobiliar. Nur Teppiche, Kissen und Wandnischen als Schränke. Die Wände sind mit roten Malereien, vielen Spiegeln und einer Million Messingschüsselchen verziert, die das Licht reflektieren sollen, denn es gibt nur ganz kleine Fenster hoch oben.
Nach einer Siesta im Hotel geht es um 5 Uhr mit teilweise schon recht mitgenommenen Jeeps in die Sanddünen zum Sonnenuntergang. Wir sind hier in der Nähe des Dreiländerecks Libyen - Algerien - Tunesien und steigen nach kurzer Fahrt erst einmal auf einen kleinen Berg, von dem man die beiden Grenzstationen in der Ferne sehen kann.
Auf einer ruppigen Sandpiste geht es weiter zu den Dünen. Wir stapfen etwas mühsam auf einen der Dünenkämme und warten, zusammen mit etlichen anderen Touristen, auf den Sonnenuntergang. Für eine richtig schöne Stimmung ist es allerdings noch zu hell. Danach wird es aber recht schnell dunkel. Wir wandern, stolpern und rutschen die Düne wieder runter und bekommen Tee mit Erdnüssen und im Sand gebackenes Brot, das ausgezeichnet schmeckt - abgesehen von ein paar Sandkörnern zwischen den Zähnen.
Zum Abendessen hat sich der Koch etwas Gulaschähnliches ausgedacht, gebackene Hühnerteile und leckere Bratkartoffeln. Suppe gibt's natürlich auch und das feine Salatbüffet - wir leben wirklich nicht schlecht hier!
Sonntag, 2. April
Abfahrt um 8.15 Uhr. Zuerst ein Fotostop bei der großen neuen Moschee, dann noch ein Halt beim Museum, um einen gestern verlorenen Hut abzuholen. Dann sitzen wir lange, lange im Bus, während draußen wieder die Wüste vorbeigezogen wird. Weite Ebenen mit kurzem Gras, Tafelberge, Sanddünen ...
In einer kleinen Stadt, deren Name mir entgangen ist, haben wir einen kurzen Aufenthalt. Ich betrachte die Leute um mich herum und wundere mich wieder einmal, was sie so alles anhaben. Ich würde sterben bei solcher Hitze und soviel Gwand!
Apropos Kleidung: die Frauen tragen überwiegend knöchellanges Übergewand plus Kopftuch, drunter aber durchaus auch Jeans, gemusterte Strümpfe und modische Schuhe. Viele lassen aber das Überkleid weg und etliche auch das Kopftuch. Frauen mit Gesichtsschleier hab ich bis jetzt nur vier gesehen, abgesehen von einigen alten Frauen auf dem Land, die so eingewickelt sind, daß einem ein Stoffbündel entgegenzukommen scheint. Die Männer sind in den Städten zumeist westlich gekleidet, hier auf dem Land tragen auch sie vielfach das lange Übergewand.
Kaffeepause, Kamele-Fotostop, Mittagessen wieder an der Tankstelle in Nalut. Suppe, Salat, Hauptgericht, Tee - ruckzuck werden mehrere Busladungen von Touristen verköstigt, und das mitten in der Wüste. Erstaunlich!
Von hier geht es auf einer noch unbekannten Strecke zum Berberort Kabaw, wo eine alte Olivenpresse und eine Speicherburg besichtigt werden. Es ist heiß - gut, daß unser Bus eine Klimaanlage hat.
Weiter durch das Berbergebiet in die Stadt Jefren (Yfren). Ein junger Mann sperrt für uns eine kleine, schon sehr heruntergekommene Synagoge auf. Trotz des schlechten Zustandes kann man an den steinernen Bögen noch schöne Verzierungen sehen. Es gibt in Libyen schon lange keine Juden mehr, die letzten sind 1970 ausgewiesen worden.
Schließlich erreichen wir Gharyan, wo wir unsere letzte Nacht verbringen. Die Ausstattung der Hotelzimmer läßt ein bißchen zu wünschen übrig, aber das Essen ist gut und es gibt sogar ein winziges Lädchen in der Halle, das wegen unserer neugierigen Blicke noch einmal geöffnet wird. Wir kaufen letzte Souvenirs.
Montag, 3. April
Für die Abfahrt war heute "9 Uhr pünktlich" angesagt, was auch klappt. In der Nähe besuchen wir eine Höhlenwohnung, die 8 m unter der Erde liegt. Die ausgehöhlten Räume sind 2 m hoch, aber leider wird mir nicht ganz klar, ob der "Hof" in der Mitte der Anlage, so wie jetzt, auch früher offen war. Muß aber doch wohl so sein, oder? Diese Troglodytenwohnungen sind uralt und waren laut Khaled bis vor zehn Jahren noch teilweise bewohnt.
Unsere nächste - letzte - Station ist ein Töpfermarkt. Die Verkaufsstände ziehen sich weit an der Straße hin. Es gibt recht schönes traditionelles Geschirr zu kaufen und etliche Reiseteilnehmer nutzen die Gelegenheit.
Gerade rechtzeitig erreichen wir den Flughafen, es ist 12 Uhr und hinter unserer Gruppe wird der Zugang zum Check-in recht rigoros geschlossen.
Der Rückflug dauert drei Stunden, etwas länger als der Hinflug. Schneller Abschied in Frankfurt, denn fast alle müssen einen Anschlußflug oder einen Zug erreichen. Wir beide haben kein Problem mit unserem Zug und sind um Mitternacht müde, aber zufrieden wieder in Passau.