Mücken und mehr – Wetter verbindet (Finnland 1990)
Von Eckehard Schmidt
Das Wetter war schon vor der Abreise Gesprächsthema Nummer 1, wenn man erzählte, dass die Reise zur Sonnenfinsternis nach Finnland am 22. Juli führen sollte. Viele fanden die Sonnenfinsternis nicht attraktiv und wollten zuhause bleiben. An Gegenargumenten fielen, dass die Finsternis zu kurz sei, dass man früh morgens wenig Sicht hat, dass die Wettervorhersagen schlecht sind und dass man, wenn überhaupt, fürs nächste Jahr spare, in Hawai und Mexiko am 11. Juli 1991 sei alles besser, schöner und länger. So abgeschmettert, wuchs in mir der Wunsch, jetzt erst recht. Der Kleinbus wirkte trotz des Gepäcks von fünf Reisenden noch geräumig, aber wie würde das unterwegs aussehen, denn es wollten noch vier weitere dazu steigen. „Jetzt nur nicht ablenken lassen", schoss es mir durch den Kopf, als ich den Wagen um fünf Uhr morgens bei Dunkelheit vorm Nürnberger Hauptbahnhof startete. Ein Auto mit ungewohnten Abmessungen und Gewicht zu fahren, zudem geliehen und über 4000 km Fahrstrecke vor einem liegend, führte doch zu ungewohntem Gefühl.
An diesem ersten Tag brauchte ich keine Landkarte zu lesen. Denn für mich war diese Strecke von Nürnberg nach Travemünde ein „Heimspiel". Ich kannte sie von vielen Fahrten in die norddeutsche Heimat. Mittags erkannten wir von der Autobahn aus die sieben Kirchtürme der Hansestadt Lübeck. In Lübeck wurde noch einmal der preisgünstige Diesel getankt. Und dann ein erster astronomischer Einstieg: Die astronomische Uhr in der Marienkirche in Lübeck. Die Uhr war zwischen 1960 und 1967 neu gebaut worden, nachdem die alte im Krieg zerstört worden war. Anschließend Kaffeetrinken zuhause in Bad Schwartau und dann an Bord der Finnjet. Und ab ging´s mit dem Schiff von Travemünde nach Helsinki.
An Bord begann das Fachsimpeln über die Reise und die Sonnenfinsternis. Wir hatten einen Tag Zeit an Bord und besprachen uns auch mit der Reisegruppe von der Sternwarte Hof, die ebenfalls nach Finnland unterwegs war. Und wieder einmal stand die Frage nach dem Wetter und der Horizontsicht im Mittelpunkt des Interesses.
Helsinki empfing uns mit einem Gewitter. Sicherlich hätten wir dieses gelassener erlebt, gäbe es nicht die ständige Frage, wie es am nächsten Sonntag, dem Tag der Sonnenfinsternis, sein wird. In Helsinki befanden wir uns schon in der Totalitätszone. Von bestimmten Stellen des Hafens aus, hätte man sicherlich gute Sicht auf die aufgehende Sonne gehabt, aber die Verfinsterung hätte schon begonnen. Deshalb wollten wir weiter in Richtung Osten fahren und kurz vor der russischen Grenze in Ilomantsi den Beobachtungsplatz aufschlagen.
Zwangsläufig fuhren wir vom Fährschiff kommend durch die Innenstadt Helsinkis. Wir nutzten das für eine erste Stadtbesichtigung. Doch lange konnten wir uns nicht aufhalten, weil unsere Übernachtung außerhalb Helsinkis gebucht war und wir noch etwas fahren mußten. Am nächsten Tag wollten wir zurück nach Helsinki kommen und mehr über die finnische Astronomie erfahren.
Wir wurden am nächsten Morgen erwartet, als wir das Büro der Ursa aufsuchten. Während wir uns informierten schauten viele Reisende vorbei und holten sich die neuesten Informationen über Beobachtungsplätze und Wettervorhersagen ab. Ursa (Ursa Astronomical Association) ist die größte finnische amateurastronomische Organisation. Gegründet wurde sie 1921. Und zugleich ist sie auch so etwas wie eine Art Dachverband, weil viele ihrer Mitglieder zusätzlich in örtlichen Gruppen aktiv sind. Es bestehen zahlreiche Arbeitsgruppen zu Spezialthemen wie Veränderliche Sterne, Kometen und Optik und Fernrohrbau. Auf jährlichen Treffen, wie zum Beispiel dem CYGNUS aus Anlaß der Sonnenfinsternis, werden die Erfahrungen ausgetauscht.
Die umfangreiche Ausstattung des mehrzimmrigen Büros von Ursa deutete auf die zahlreichen Aktivitäten von Ursa hin. Mehrere hauptamtliche Beschäftigte sind nötig, um die anfallende Arbeit zu erledigen. Finanziert werden sie über Mitgliedsbeiträge, Bücherverkauf (rund 50 Bücher sind bis jetzt von Ursa herausgegeben worden), Vorträge und Spenden. Speziell zur Koordination der Sonnenfinsternisaktivitäten war jemand durch finanzielle Unterstützung der Universität eingestellt worden. Stolz zeigte man uns ein zusammenlegbares Planetarium und ein zusammenlegbares Modell des Sonnensystems für den Koffer, mit denen Schulklassen besucht werden, um Einführungen in die Astronomie zu geben. Eine Bibliothek, die im Büro untergebracht ist, steht allen Mitgliedern die Woche über offen. Es werden ein Mitteilungsblatt für interne Informationen und eine Zeitschrift für die Mitglieder und Allgemeinheit herausgegeben. Die kleine Sternwarte von Ursa am Hafen von Helsinki besitzt einen 100 Jahre alten Merz-Refraktor (135 mm Durchmesser, 1950 Brennweite), der noch in gutem Zustand ist. Als zweites Gerät steht ein Celestron 8 bereit.
Nach einem kurzen Fußweg erreichten wir die Sternwarte Helsinki. Die Türen standen offen. Informations- und Verkaufsstand waren vorhanden. Es tagte aus Anlass der Sonnenfinsternis eine Sektion der Internationalen Astronomischen Union. Besuchergruppen wurden durchs Haus geführt. Zuerst kamen wir in den Meridiansaal. Er ist als Museum hergerichtet. Hier bestaunten wir die alten großen Meridiangeräte, wie sie im letzten Jahrhundert üblich für große Sternwarten waren. Die Sternwarte war in Helsinki um 1835 nach Plänen von Argelander gebaut worden. Dann ging es die ausgetretenen Holzstufen zu den Beobachtungskuppeln hinauf. Hier standen Spiegelteleskope und Refraktoren. Da sie nur noch selten benutzt werden, bildet sich in der rauhen Luft schnell Rostflecke und Grünspan. Die Zahl der Astronomiestudenten an der Universität, der die Sternwarte angeschlossen ist, beträgt weniger als zehn. Unser Führer war in Bochum gewesen, um Teile des Studiums dort fortzusetzen.
Am Ende eines recht anstrengenden Besichtigungstages konnten wir uns in einer echten finnischen Sauna, ganz idyllisch am See gelegen, erfrischen. Das war der Vorteil, dass wir nicht in Helsinki, sondern in der Heimvolkshochschule Viittakivi übernachteten, wo wir auf dem Lande waren.
Bekanntermaßen besteht Finnland aus flachem Lande. Doch Bäume und bewaldete Hügel nehmen die Fernsicht. Es fallen die hohen Wassertürme auf, die von nahenden Ortschaften künden. Oftmals dienen sie auch als Aussichtstürme. Kurz vor Lahti sahen wir beim Vorbeifahren einen Wasserturm mit einer Sternwartenkuppel drauf. Manches ist in Finnland doch anders als bei uns. So auch das Verkehrsschild für Tierwechsel, auf dem der Elch abgebildet ist. Tagelang hofften wir auf ein Elch-Erlebnis. Als es eintraf, und ein Elch am Straßenrand stand, hatte leider keiner seinen Fotoapparat griffbereit. Autobahnen sind selten und nur in der Umgebung größerer Städte vorhanden. So fuhren wir auf breiten und gut ausgebauten Bundesstraßen Richtung Osten. An dem Tag legten wir rund 600 km zurück. Es war der Tag vor der Sonnenfinsternis und wir beeilten uns, rechtzeitig in Ilomantsi zu sein, wo wir darauf setzten, dass die Ursa, die dort ihr Sommertreffen CYGNUS abhielt, uns auf einen Beobachtungsplatz hinweisen würde. Dort angekommen, riet man uns von einigen Beobachtungsplätzen wegen Überfüllung ab. Die Wahl fiel dann auf einen entfernter gelegenen Platz.
Wir verständigten uns darauf, erstmal zu den Hotels zu fahren, um gegen 20 Uhr den Beobachtungsplatz aufzusuchen und die Nacht am Platz zu verbringen, weil das Zurückfahren zuviel Zeit in Anspruch genommen hätte. Zwar hatten wir von den Organisatoren einen genauen Plan des Beobachtungsplatzes mit eingetragenen Koordinaten erhalten, aber der Anfahrweg war zu ungenau beschrieben. Deshalb dauerte es einige Zeit, bis wir den Platz gefunden hatten: Ein Hügel, auf dem vor einiger Zeit ein Wäldchen gestanden haben muss. Wir stolperten über die abgeholzten Baumwurzeln und die nachgewachsenen Grassoden die Anhöhe hoch.
Nicht jeder hatte Instrumente mitgebracht, sondern manche wollten das Naturereignis pur erleben und nicht durch Technik abgelenkt sein. Etwa um Mitternacht waren wir mit den Vorbereitungen fertig. Es war nicht richtig dunkel geworden, so dass wir in der Resthelligkeit keine Schwierigkeiten mit dem Geräteaufbau hatten. Um Mitternacht schritten wir zum Sonnenfinsternismahl. Auf einem großen Findling legten wir unsere Kekse, Bonbons, und was wir sonst noch zum Essen und Trinken in unseren Taschen fanden, zusammen und ließen es uns gemeinsam schmecken. Dann legten sich einige ins Gras oder andere ins Auto, um die Zeit mit schlafen zu überbrücken. Aber die Spannung steckte in jedem drin und man döste mehr als dann man schlief. Dann der Schreckensruf, es regnet. Alle hasteten zu ihren Geräten, deckten Regenschirme drüber oder umhüllten sie mit Plastikbahnen. Die Stimmung sank auf den Nullpunkt. Nach etwa einer Stunde leichten Regens hörte es auf.
Etwas erhellte sich die Himmelsgegend in Richtung Osten. Die Spannung knisterte, die Zeit des ersten Kontaktes
war gekommen, und noch immer keine Sicht. Schon breitete sich Enttäuschung aus. Doch plötzlich rief einer, die
Sonne kommt durch. Was schon nicht mehr für möglich gehalten wurde, trat ein. Zuerst nur streifenweise, dann
ganz war die Sonne zu sehen. Die Verfinsterung war etwa schon zu einem Drittel eingetreten. Wir konnten etwa
zehn Minuten recht gut beobachten. Dann verdeckten aufziehende Wolken die Sonne.
Links: Nächtliches Stimmungsbild, warten auf die Sonnenfinsternis
Mitte: Wie eine Walflosse ragt plötzlich die Sonne hervor
Rechts: Letzter Blick auf die Sonne bevor sie hinter Wolken verschwindet
Plötzlich die Zeit der Totalität: Trotz des bedeckten Himmels beeindruckte die plötzlich hereinbrechende Dunkelheit.
Sie war sehr viel stärker als die natürliche Dunkelheit der Julinacht. Die Natur ringsum schien verändert zu sein.
Wie leblos wirkte alles. Die Mücken hörten auf zu stechen. Alle diese Beobachtungen hatte man gerade wahrgenommen,
als die ca 90 Sekunden schon wieder vorbei waren und es ebenso plötzlich wieder hell wurde und die Mücken lustig
weiter stachen. Wie zum Abschied kam dann noch einmal für einige Momente die Sonne zum Vorschein zwischen dem
dritten und vierten Kontakt. Das traf uns so unvorbereitet, dass nur einem aus der Gruppe ein Schnappschuss
von der abnehmenden Verfinsterung gelang, da schon alle anderen Ihre Fotoapparate eingepackt hatten.
Trotz der nur teilweise gesehenen Verfinsterung war die Stimmung gut. Man hatte von dem Naturschauspiel soviel gesehen gehabt, das ein starker Eindruck blieb. Aus der Gruppe hatte bis dahin nur einer eine totale Sonnenfinsternis erlebt gehabt. Nach Ilomantsi zurückgekehrt, erfuhren wir, dass andere Beobachter nicht mehr gesehen hatten als wir, eher noch weniger. Dadurch, daß unser Beobachtungsplatz weiter nördlich lag, hatten wir noch bessere Wetterbedingungen vorgefunden gehabt als die anderen.
Jetzt wollten wir sie aber in voller Länge sehen - die Sonnenfinsternis. Wir fuhren nach Joensuu, ca 60 km entfernt, wo ein Videofilm über der Sonnenfinsternis angekündigt war. Bei strömenden Regen fuhren wir dorthin - wir hatten am Morgen noch Glück mit dem Wetter gehabt. Und dann stand vor dem Vorführsaal eine lange Menschenschlange. Als wir eintrafen, waren die Vorhalle und die Treppenaufgänge total überfüllt, obwohl die Filmvorführung alle dreißig Minuten wiederholt wurde. Als wir die Veranstaltung verließen, hatte sich die Schlange nach draußen ins Freie verlängert gehabt. Das können nicht alles nur Amateurastronomen gewesen sein, sondern diese Sonnenfinsternis schien viele Finnen in Bewegung gesetzt zu haben. Es war in den Wochen und Tagen zuvor in sämtlichen Medien ausführlich über diese Sonnenfinsternis berichtet worden. Insbesondere Joensuu hatte ein touristisches Spektakel aufgezogen gehabt. Tanz-, Theater-, Film- und Musikveranstaltungen umrahmten das Ereignis. Für die Philatelisten erschien ein Sonderstempel, T-Shirts und Taschen wurden verkauft.
Links: Joensuu, wo vom 20. bis 23. Juli 1990 alle ausgehende Post diesen Sonderstempel erhielt
In der Ortsmitte von Ilomantsi verfügte Ursa über zwei Schulen. Eine war zum Schlafen ausgestattet worden, die andere für Vorträge, Ausstellungen und Vorführungen vorgesehen. In unserer Gruppe fand das Vortragsprogramm keinen besonderen Anklang. Überwiegend herrschte die Meinung vor, dass man ähnliches bereits bei Veranstaltungen in Deutschland gehört hätte und in englischer Sprache sei eben alles schwieriger zu verstehen. Nur an einem Nachmittag nahmen wir an der Veranstaltung teil. Da berichtete ich über die Astronomie in Nürnberg und zeigte Dias dazu, die von Peter und Susanne Friedrichs aufgenommen worden waren.
Wir nutzten die Zeit zu Ausflügen in die Umgebung. Das Wetter hatte sich gebessert und ließ Spaziergänge zu. Zunächst einmal sahen wir uns Ilomantsi an. Eine kleine Stadt mit weit auseinanderliegenden Häusern. Der Blick vom obligatorischen Wasserturm offenbarte uns die typische finnische Seenplatte. Erst durch einen solchen hohen Ausguck ist ein kompletter Überblick über die Landschaft möglich.
Die Rückfahrt führte uns von Ilomantsi nach Turku. Eine unserer Pausen war so gelegt, dass wir in Tampere hielten. Dort befindet sich ein Planetarium. Es liegt in einem Vergnügungspark, am Fuße eines hohen Aussichtsturmes mit Delphinarium und Karussels.
Leider erreichten wir Turku erst spät am Nachmittag. Zum Besuch der astronomischen Sammlung in der ehemaligen Sternwarte blieben uns nur 30 Minuten, dann wurde geschlossen.
Früher, bis 1812, war Turku die Hauptstadt. Die Sternwarte wurde1819 gegründet und mit wichtigsten Instrumenten ausgestattet. An ihr wirkte Argelander. In seine Zeit fiel der große Brand in Turku, der die Stadt fast völlig zerstörte. Die Sternwarte, die getrennt von anderen Häusern, auf einem Hügel liegt, gehörte zu den wenigen Gebäuden, die unzerstört blieben. Die Akademie, zu der die Sternwarte gehörte, wurde nach Helsinki verlegt, wo eine neue Sternwarte errichtet wurde. Die Instrumente nahm man von Turku nach Helsinki mit. Nur wenige Stücke stehen in der Astronomischen Sammlung des Seefahrtsmuseum. Sie besteht aus Gegenständen, die die astronomische Gesellschaft von Turku dem Museum stiftete. Es sind solche, die seit dem letzten Jahrhundert in Turku gebraucht und für Experimente und Expeditionen eingesetzt wurden.
Über Nacht brachte uns die Fähre von Turku nach Stockholm. Dort besichtigten wir die Altstadt und vor allen Dingen das neue Wasa- Museum. Nachdem die Wasa über sehr viele Jahre konserviert worden war, war sie erst vor wenigen Wochen zur Besichtigung freigegeben worden. Man kann auch heute nicht auf die Wasa selbst, kann aber von Galerien aus, das Schiff aus allen Blickrichtungen bestaunen. Viele Schautafeln und Modelle geben Einblicke in das Seefahrtsleben und in die schwedische Geschichte überhaupt. Auf nach Landskrona, auf zu einem wichtigen historischen Eckpfeiler der Astronomie: Die Insel Ven als Mittelpunkt des Wirkens von Tycho de Brahe.
Mit der Fähre ging es in 30 Minuten hinüber auf die Insel. Man hätte sich auch ein Fahrrad ausleihen können, um die Insel zu durchfahren, aber so groß ist sie nicht und wir wanderten zu Fuß zu den Resten der zwei Brahe Sternwarten. Man muss allerdings seine Phantasie anstrengen, um sich, vor den Ruinen stehend, die bedeutende Leistung Brahes vorzustellen. Wir hatten uns wenige Wochen vor Beginn der Reise zu einem Vorbereitungstreffen zusammengefunden gehabt und dort per Video den Fernsehfilm über das Leben de Brahes, insbesondere auch während seiner Zeit auf Ven, angesehen. So fiel es uns leichter, die Dimensionen seiner Sternwarten zu überschauen und einzuordnen. Ein Tycho Brahe Museum informiert anhand von Modellen, Schautafeln und Gegenständen über Brahes Leben und Wirken.
Wir ließen uns nur einen Vormittag Zeit für die Insel Ven, dann fuhren wir weiter nach Kopenhagen. Dort suchten wir das Tycho Brahe Planetarium auf. Erst ein Jahr zuvor, 1989, war es eröffnet worden und beherbergte moderne Vorführungstechniken. Uns interessierte vor allen Dingen die Vorführung mit dem OMNIMAX-Projektor. Man sitzt wie im Kino in steil ansteigenden Sitzreihen und hat die Leinwand vor sich. Schon beim Platznehmen fühlt man, wie riesig sich die Leinwand vor einem auftürmt und wie zwergenhaft man als Zuschauer vor der Leinwand sitzt, die einfach dominiert. Und dann der Film selber. Man ist mittendrin. Es ist beeindruckend, wie das Geschehen an der Leinwand einen gefangen nimmt. Wir saßen in einer Vorstellung, die einen Naturfilm über die Biber zeigte. Die astronomische Vorführung ist nur zu bestimmten Zeiten. Wer von den Lesern die Ausstellung Mensch und Kosmos in Linz gesehen und dort das IMAX-Theater besucht hat, weiß wie eine solche Filmprojektion wirkt. Was in Linz nur vorübergehend als Filmtheater aufgebaut ist, ist in Kopenhagen im Planetarium fest installiert.
Mit den Augen des Tycho Brahe in den Himmel schauen: Gruppenbild auf der Insel Ven. Von links E. Schmidt, G. Fleischmann, H. Deichmann, A. Malina, K. v. Engeln, U. Görze, K.-H. Lieb, G. Ermel, Fotograf H. Stenger.
Nach Deutschland zurückgekehrt, und weil am Wege liegend, besichtigten wir noch die Sternwarte in Hamburg-Bergedorf und die Privatsternwarte von Herrn Ressel in Bendestorf. Ende der Reise war Nürnberg.
Totale Sonnenfinsternis am 22. Juli 1990 - Daten und Fakten
Am 22. Juli 1990 ereignet sich die nächste totale Sonnenfinsternis. Sie beginnt über Finnland, Sowjetunion, Teile der Arktis, Aleuten und Nordpazifik. Da die Datumsgrenze überschritten wird, endet die Finsternis am 21. Juli.
Die letzte totale Sonnenfinsternis erschien am 17.-18. März 1988 über Indonesien und Philippinen. Die nächste wird am 11. Juli 1991 über Hawaii, Mexiko, Zentral- und Südamerika erscheinen.
Am Sonntag, den 22. Juli 1990, um 1 h 53.4 m UT (Universal Time), wird der Mondschatten zentral die Erde im Finnischen Meerbusen vor Helsinki erreichen. Die totale Finsterniszone ist durchschnittlich ca. 171 km breit. Die Dauer der totalen Finsternis beträgt durchschnittlich 1,27 Minuten. Die größte Breite der Finsterniszone beträgt ca. 214 km bei den Aleuten. Die totale Finsternis dauert maximal 2,36 Minuten, was über dem östlichsten Gebiet der UdSSR in Magadanskaya erreicht wird. Dort auch erreicht die Sonne ihren höchsten Stand, in Finnland bleibt der Sonnenstand noch unter 6°. Der Mondschatten verlässt die Erde um 4.11.2 UT. Teilbedeckungen sind sichtbar über den Gebieten von Grönland, Nordost Skandinavien, der arktischen Region der UdSSR, Nordchina, Japan, Nordwest Amerika und Pazifische Inseln, einschließlich Hawaii. Da für Amateurastronomen vor allem die Beobachtungsmöglichkeiten in Finnland interessieren, weil das Ziel am leichtesten zu erreichen ist, beziehe ich mich deshalb im folgenden nur auf Finnland.
Die vorstehenden Uhrzeiten beziehen sich auf die Universal Time. Die finnische Zeit berechnet sich wie folgt: Finnland gehört zur osteuropäischen Zeitzone, d.h. 30° Ost. Es sind also zwei Stunden auf die Universal Time zu addieren. Da Finnland sich an der Sommerzeit beteiligt, ist nochmals eine Stunde hinzuzufügen. Das Maximum der Verfinsterung ist in Helsinki um 4 Uhr 53. Wer von Deutschland aus nach Finnland fährt, braucht seine Uhr nur um eine Stunde vorzustellen, um den üblichen Zeitunterschied auszugleichen. Es heißt also sehr früh aufzustehen oder man beobachtet die Nacht durch.
Es empfiehlt sich, seinen Beobachtungsplatz möglichst weit im östlichen Finnland zu suchen. Dort steht die Sonne zu Beginn der Finsternis knapp überm Horizont. Auf eine gute Horizontsicht ist zu achten. Wegen der Horizontnähe kann nur an wenigen Orten Finnlands der Erstkontakt beobachtet werden. Wenn in Helsinki die Sonne aufgeht, wird die Sonne schon teilbedeckt sein. In Ilomantsi dagegen, einem kleinen Ort in Ostfinnland, steht die Sonne überm Horizont, wenn die Bedeckung eintritt. Die kurze Dauer der totalen Phase bedeutet, dass sich der Beobachter schon vorher entscheiden muss, ob er sich ganz seinem Instrument widmet oder der Umgebung.
Totalitätszone
Der Himmel ist während der totalen Bedeckungsphase dunkler als in der hellen Sommernacht. Sonne und Mond sind im Sternbild Krebs, nahe bei den Zwillingen. Kastor und Pollux sind sehr hell im Südwesten zu sehen. Das Sommerdreieck Vega, Deneb und Atair beherrschen den Westhimmel. Jupiter steht im Süden der Sonne. Venus steht am östlichen Himmel. Mars wird im Südosten zu sehen sein.
Die Wettervorhersage ist schwierig, weil für den so niedrigen Sonnenstand keine exakten Werte zur Verfügung stehen. Insgesamt muss das Wetter wohl als ungünstig bezeichnet werden. Das Finnische Meteorologische Institut berechnete beispielsweise für Helsinki, dass zwischen 4 und 5 Uhr morgens die Wahrscheinlichkeit für eine 15minütige Sonnenscheindauer bei 35 % liegt. Nur das Flugzeug kann eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ungestörte Beobachtungen geben.
Sollte das Wetter die Beobachtung verhindern, muss die Reise nicht umsonst gewesen sein. Man kann sich beim internationalen
Treffen der Amateurastronomen untereinander austauschen, informieren und Freundschaften schließen. Einen Kompromiß aus allen
Parametern stellt der Beobachtungsstandpunkt in Ilomantsi dar. Es ist der Ort, den sich die finnischen Amateurastronomen für
ihr diesjähriges Sommerlager wählten. Koordinaten 62° 40,0 N, 30° 55,0' O.
Internationales Treffen der Amateurastronomen
Seit 1987 findet jährlich ein Sommertreffen der finnischen Amateurastronomen statt. Das diesjährige ist als internationales Treffen für Amateurastronomen vorbereitet. Im Mittelpunkt steht natürlich die Sonnenfinsternis. Die besten Beobachtungsplätze sind ausgesucht. Cygnus-90, so der Name des Sommertreffens, findet in Ilomantsi vom 20.-25. Juli 1990 statt. Das fünftägige Programm bietet eine große Themenvielfalt. Es gibt also viel zu diskutieren, auch dann, wenn das Wetter nicht mitspielt. Die Teilnehmer sind in Ilomantsi in Schulen untergebracht, die provisorisch als Übernachtungsherbergen eingerichtet werden. Schlafsäcke sind mitzubringen. Einfaches Essen wird geboten. Zur Reisevorbereitung kann eine neue Spezialkarte des Südosten Finnlands herangezogen werden. In ihr ist die totale Finsterniszone eingezeichnet. Hilfreich ist auch ein besonderes Informationsheftchen zur Sonnenfinsternis in Finnisch/Englisch, das von der Ursa Astronomical Association herausgegeben wurde.
Ein Muss ist auf jeden Fall für alle die, die über Helsinki nach Finnland reisen, die dortige Sternwarte der Universität. Sie besteht seit 156 Jahren. In der Nähe befindet sich die Sternwarte der finnischen Amateurastronomen (Ursa Astronomical Association). Sie beherbergt zwei Sonnenteleskope und ein Spektroskop. Ursa erhielt den Auftrag, in Finnland die astronomischen Aktivitäten zur Sonnenfinsternis zu koordinieren und vorzubereiten. Projektleiter ist Markus Hotakainen, ein Student der Astronomie an der Universität Helsinki. Er freut sich über jeden Besuch bei Ursa: "Meet Mr. Eclipse at Ursa" lautet das Motto.
Literatur
Schmidt, Eckehard: Sonnenfinsternis 1990 in Finnland – Wetter verbindet, in Regiomontanusbote – Zeitschrift der Nürnberger Astronomischen Arbeitsgemeinschaft e.V., 4 / 1990, Seite 8-11.
Schmidt, Eckehard: Totale Sonnenfinsternis am 22. Juli 1990, in Regiomontanusbote – Zeitschrift der Nürnberger Astronomischen Arbeitsgemeinschaft e.V., 2 / 1990, Seite 6-9. Dieser Artikel erschien in redaktioneller Überarbeitung auch in STERNZEIT – Zeitschrift astronomischer Vereinigungen, 2 / 1990, Seite 43-46.