China -
Eine Sonnenfinsternisreise in
das Reich der Mitte, das Land
des Lächelns!
chinesische Landschaft
von Joe T.

Ich bin eher traurig!

Meine Quote ist schlecht. Worum geht es? Um meine Sonnenfinsternisreise 2009 nach China. Wie in der Astronomie üblich, sollte man bestimmte Dinge auch im irdischen Leben längerfristig in die Planung nehmen. So auch beim Thema SoFi - Reisen. Mit der sehr schönen und prägenden SoFi 2001 auf dem afrikanischen Kontinent in Sambia, hatte ich mir schon fest vorgenommen: bei der längsten SoFi in diesem Jahrhundert bist du mit dabei und genießt dieses kaum beschreibbare, eigentlich nur erlebbare Naturschauspiel, also auf nach China im Jahre 2009.

Würde man unken wollen, so lag in der Vorplanung schon der Ansatz für einen Misserfolg? Wieder einmal plante ich mit einer Reisegruppe von Eckehard aus Nürnberg mitzufahren. Halt Fehler: das ich ist ein wir, denn ohne meine Frau fahre ich ja nicht! Die erste Schwierigkeit war der Zeitrahmen.

Astronomie in ChinaDie Gruppe plante eine 3-wöchige Rundtour durch China mit mehreren auch astronomischen Highlights.

Leider aber schon in einer Zeit, in welcher wir keinen Urlaub nehmen können, da wir an Schulferien gebunden sind. Also kam für uns nur eine Kurzvariante mit individueller An- und Abreise zur speziellen Eclipsezeit am 22. Juli in Frage. Für diese weite Reise eigentlich schade.

Die zweite Schwierigkeit betraf das Land. China stand nicht unbedingt auf der Wunschliste meiner zu besuchenden Länder. Ist ein wenig schwierig zu erklären, da ich gern reise, gern fremde Länder und Kulturen kennen lernen möchte. Und auch neugierig auf Unerwartetes bin. Einige Länder schließe ich aber aus. Dazu gehören zum Beispiel Krisengebiete (Krieg & Naturkatastrophen) oder politisch kritische Gebiete.

TibetBei China ist man durch die öffentliche Meinung in Deutschland vorbelastet (Diktatur der KP, Umgang mit Tibet und anderen Minderheiten, Erdbeben, Zensur, bevölkerungsreichstes Land der Erde, Umwelt und Wirtschaft).

Dieses Bild ist für mich etwas geändert worden, wie man in diesem Bericht auch sehen wird. Man darf jetzt keine Begeisterung erwarten, aber ich würde sagen, das Bild von China ist etwas normalisierter. Bei den Reisen durch Namibia oder Australien ist richtige Begeisterung entstanden.

Konfuzius sagt: Die Augen sehen, das Herz empfiehlt.

Wie geplant, so getan. Unser Abflug beginnt am 19.Juli mit zweistündiger Verspätung aus technischen Gründen gegen 21:30 Uhr am Flughafen Tegel mit der eher kleinen chinesischen Fluglinie Hainan- Airlines. Nach 9 Stunden Flug über das eurasische Festland landet man nach rund 7400 km in Beijing (Peking). Dort nur Umsteigen und der erste zivilisatorische Kontakt mit China bei der Suche nach einem trinkbaren Kaffee. Dann noch einmal mit leichter Verspätung ein 21/2 stündiger Weiterflug nach Chengdu in der Provinz Sichuan. Das ist die Gegend, in der letztes Jahr ein verheerendes Erdbeben mehrere tausend Opfer gefordert hatte. Von den Schäden haben wir nichts mitbekommen, außer einem verstärkten Bauprogramm für Häuser und Straßen und das erst einmal nur im Dunkeln. Wir stehen dann endlich gegen 20:30 Uhr Ortszeit, nach 20 Stunden Reise und leicht übermüdet, am Flughafenausgang und werden "entführt". So kamen wir uns auf jeden Fall vor. Es ging alles so schnell. Landung und schon 10 min. später mit Gepäck am Ausgang, nicht mal ein Klo hat man gesehen. Eine junge Chinesin mit einem Zettel, auf welchem mein Name stand (später war ich mir nicht mehr sicher, ob es wirklich meiner war), steht und erwartet uns und führt uns zu einem Auto. Sie kann kein deutsch bzw. englisch, wir können kein chinesisch. Wir verstehen nur "chinesisch". Auch mit dem Fahrer können wir uns nicht verständigen. Der fährt uns dann durch sehr dunkle Gegenden über schlechte Straßen, wir denken zum Hotel. Aber nach einer halben Stunde werden wir unruhig. Eine kurze krimimäßige Pause in einer finsteren Ecke in der Nähe einer Mautstelle - wir werden verkauft! Es geht auf eine Autobahn. Wo fährt er hin? Wir hatten uns auch nicht gemerkt, was unsere erste Übernachtung war. Also fahren wir und fahren, über 140 km bis nach Emei. Na klar, dort war die Reisegruppe und wir gegen 23:00 Uhr auch endlich da. Nach einer langen Reise endlich schlafen. Da wir sehr müde waren, entfiel erst einmal das Duschen, obwohl es subtropisch - schwülwarm war.

Guten Morgen, China! Es ist 6:50 Uhr Ortszeit und man wird nach einem kurzen intensiven Schlaf in einer exotischen Umgebung wach. Die Geräusche von Spatzen und hupenden Autos sind normal, ein flächendeckendes Gezirpe der Zikaden schon eher nicht. Draußen herrscht schon jetzt Waschküche mit einer Sicht von ca. 500 m und Temperaturen um 24°C. Der Ausblick geht auf einen schön angelegten Park in leicht bergiger Landschaft. Das eigentlich chinesische Frühstück ist von unserem Reiseleiter europäisch angepasst mit Marmelade, löslichem Kaffee und Toastbrot. Und wir müssen das erste Mal mit Stäbchen "arbeiten". Na gut es geht, am Anfang etwas verkrampft und bestimmt tollpatschig anzusehen, aber mit jedem weiteren Essen wurden wir besser. Jetzt begrüßen wir alle noch nicht gesehenen Mitglieder der Reisegruppe. Aha, die Berliner sind da. Es werden munter die ersten Erlebnisse der bisherigen China-Tour der Gruppe erzählt.

Die erste gemeinsame Etappe besteht aus der Fahrt zum Emei-Shan, dem heiligen Berg, wo wir die Finsternis beobachten wollen. Das Gebiet ist als Naturschutzzone gekennzeichnet, ein abgeschlossenes Gebiet mit Eintritt und Fahrt in einem Sonderbus bis zu einer Seilbahn. Insgesamt entsprach das einem Höhenwechsel von 500 m am Hotel bis auf 3072 m am Berggasthaus innerhalb von fast drei Stunden. Unser Gasthaus war etwas gewöhnungsbedürftig, sollte ja nur für eine Nacht sein. Da hält man das Essen, das Klo, das beengte Zimmer, das Bett oder den Lärm der chinesischen Gruppen schon mal aus.

Auf diesem heiligen (!) Berg existieren Hotels mit ungefähr 1000 Betten, eine große Buddha-Statue, ein Kloster und auch Wohnhäuser. Der Berg ist der Heiligste von vier solchen Bergen des Buddhismus.

Uns stand der ganze Nachmittag zur Verfügung alles ein wenig kennen zu lernen und einen guten Standort für die Beobachtung der Finsternis zu suchen. Das war nicht so einfach, da ca. 300 ausländische Besucher (Deutsche, Amerikaner, Schweden ...) dasselbe vor hatten. Am Tag der Finsternis kamen noch viele Chinesen dazu. Schätzungen gehen von annähernd 3000 Personen auf dem Berg aus.

Es war auch etwas Zeit, die Gegend abseits ein wenig zu erkunden. Zum Beispiel die stillgelegte Minibahn, welche mal zum etwas höher gelegenen Nachbargipfel führte. Seit zwei Jahren war die Bahn aber nicht mehr in Betrieb. Wir folgten der Streckenführung ungefähr einen Kilometer, hatten aber keine gute Sicht. Die Sonne blinzelte nur manchmal durch den hochwabbelnden Wolkendunst. Aus der anfänglichen Sichtbarkeitsprognose von 70 % (noch aus Deutschland) waren mittlerweile nur noch 50 % geworden. Mental gab man sich hoffnungsvoll bittend.

Nach einer schlechten kurzen Nacht (Gasthaus siehe weiter oben und seit 22:00 Uhr regnete es), begab die Hälfte der Gruppe sich zum Kloster.

Sonne in ChinaFrüh um fünf wollten wir beim Gebet der buddhistischen Mönche dabei sein, in der Hoffnung auf eine erfolgreiche Finsternis. Auf den sagenhaften Sonnenaufgang gegen sechs Uhr mussten wir schon verzichten, aber im Internet soll es fantastische Bilder davon geben (wie toll). Das Gebet war interessant und anders als erwartet (morgendliche Pflicht?).

Immerhin hörte es danach auf zu regnen und wir hatten noch etwas Zeit für ein einfaches Frühstück. Ab 7:30 Uhr füllten sich dann alle Beobachtungsplattformen.

Wie gesagt über 3000 Menschen, denn die Seilbahn, zwei 100-Personen-Kabinen, fuhr schon seit 6:00 Uhr.

Es ist 8:06 Uhr, Finsterniszeit, der erste Kontakt und wir sind mitten in der Wolke, also nichts zu sehen. Wo steht die Sonne eigentlich? Das ist ja weniger als 1999 in Deutschland. Unser Standort (29°31'26,2"N / 103°20'09,1"O / 23 km von der Zentrallinie entfernt in 3077 m Höhe) ist eine Freifläche von 1000 m2 unterhalb des Klosters, in der Nähe der Seilbahn. Hier stehen ca. 200 bis 300 Leute. Man unterhält sich, tauscht Erfahrungen von bisherigen Finsternissen (es gibt hier kaum Neulinge) aus, erzählt Witze, singt und beschwört die Hoffnung und ...

wird nicht belohnt. Es ist 9:11 Uhr, der 2.Kontakt und Finsternis. Erst einmal nimmt man das reale Dunkelwerden, wie auch schon die vorherige gespenstische Dämmerungsphase wahr. Taschenlampen blitzen, es ist windstill, keine Tiere sind zu hören, die Menschen sind aufgeregt aber leiser. Durch den Wolkendunst scheint es Streulicht zu geben, welches keine totale Dunkelheit zulässt (es gibt hier keine künstliche Beleuchtung). Es ist also ein Tick heller als in der Nacht. Da sah man nicht ein mal die Stufen der zahlreichen Treppen, welche man immer steigen musste. Den einzigen gelben Horizont den man wahrnimmt, sind die Regenjacken vieler Besucher. Es ist nur um ein bis zwei Grad kühler geworden. Und das war's dann.

Von dem Ereignis über den Wolken, welches hier immerhin 4 min 42,8 sec dauerte, war nichts zu sehen. Also nichts mit schlagartiger Sichtbarkeit der Korona, Protuberanzen am Sonnenrand, Perlschnur, Diamantring oder Sternen am Taghimmel. Was bleibt: überspielte Traurigkeit! Ich schaffe es nicht meiner Frau (die gar nicht gern fliegt, aber dennoch mich begleitet) mal eine schöne Totalität zu zeigen. Meine Quote ist schlecht. Welche soll ich mir jetzt für die nächste super gesehene Finsternis aussuchen? Gleich die Nächste? Osterinseln 2010? Oder erst 2017 in den USA? Frei nach Shakespeare: Sehen oder nicht sehen, das ist hier die Frage. Aber es wird geguckt!

Soweit zu dem Thema Finsternis. Laut Telefonverkehr hatte man wohl in Wuhan am meisten Glück und wenn die Bilder aus den Tageszeitungen des nächsten Tages stimmen. Im Fernsehen wurde auch recht ausführlich berichtet, aber nie eine echt Totalitätsaufnahme gezeigt.

Der weitere Chinabesuch, für meine Frau und mich waren es ja nur noch anderthalb Tage, war typischen touristischen Zielen gewidmet. Wir besichtigten die 71m-Figur des sitzenden Buddhas in Leshan. Verabschiedeten uns von der Gruppe bei einem "Feuertopf-Essen" (scharfe Fondue-Variante in dieser Gegend) in Chengdu. Hier hatten wir auch unsere erste Supernacht im schönen Shudu Mansion Hotel. Frühstücksbuffet in der 30. Etage mit Rundblick über die Stadt. Am nächsten Tag besichtigen wir in nur anderthalb Stunden die neu aufgebaute Pandastation. Die "echten", wie auch die roten Pandas sind putzige Lebewesen. Irgendwie knuffig und hübsche Gesichter. Dann ebenfalls für einen kurzen Moment besuchen wir noch das wissenschaftliche Zentrum der Ausgrabungen von Sanxingdui. So sieht man häufig asiatische Reisegruppen durch Europa rasen, "in 14 Tagen die Welt bereist" (?). Tourist sein ist anstrengend. Man hat gar keine Zeit, keine Ruhe etwas zu genießen, es wirken zu lassen. Eigentlich rennt man am Ereignis vorbei und sagt man war da, hat es gesehen, gefilmt oder fotografiert. Gut es ist auch schwierig bei langen Wegen und den darausfolgenden Fahrten etwas anderes zu planen. So lange verweilen, wie man es für nötig hält, das geht wohl nur bei Individualreisen (wie bei unserer Australientour).

Bei einem letzten gemeinsamen Essen verabschieden wir uns endgültig von der Gruppe, welche jetzt eine mehrtägige Schifffahrt auf dem Jangtse in Richtung Wuhan vor sich hat.

Wir hatten durch die Trennung etwas mehr Glück und Zeit gewonnen für einen kleinen Einkaufsbummel. Auch nicht soviel, aber es reichte für ein Kaufhaus, einen leckeren Kaffee bei Starbucks, und einmal dem wimmelnden Leben einer chinesischen Großstadt (Chengdu ist die neuntgrößte Stadt in China, mit ca. 4 Mio. Einwohnern) ausgesetzt zu sein. Es war schön.

Vom so genannten historischen China sieht man nicht sehr viel. Man hat den Eindruck, alles was man sieht ist aus den letzten 30 Jahren. In Chengdu und auch Peking sahen wir keine chinesischen kleinen Kirchen oder alte historische Viertel.

Dann hieß es für uns auch schon Abfahrt zum Flughafen. Außer das unser Flug gestrichen war und wir schnell mit wenig Sprachkenntnis auf einen anderen Flug umbuchen mussten, kamen wir nachts um eins im Pekinger Jing Lu Hotel an. Und das nach einer lebensgefährlichen Taxifahrt, denn unser Fahrer hatte bei Tempo 120 mehrfach den Sekundenschlaf. Er war total übermüdet und ohne uns zu verstehen sprachen wir ihn immer wieder deutlich an ("Sir"). Überlebt! An dieser Stelle mal ein paar Worte zum Verkehr. Als Ausländer braucht man eine Extragenehmigung zum Fahren. Es gibt Regeln, aber man hält sich selten daran. Und es funktioniert. Im Chaos liegt die Ordnung.

Der Verkehr läuft mit wenigen Unfällen, obwohl es ein dichter Verkehr mit den unterschiedlichsten Verkehrsteilnehmern ist.

Nach dieser Übernachtung hieß es nur noch ein paar Geschenke und Andenken besorgen. Es folgte das Einschecken am Flughafen und wieder eine zweistündige Verspätung wegen sintflutartiger Regenfälle am Pekinger Flughafen. Dann begann der Heimflug am längsten Tag des Jahres. Durch die Zeitumstellung dauerte unserer 24. Juli 30 Stunden. Gegen 19:00 Uhr MESZ sind wir nach nur 5 Tagen und rund 20000 km wieder in Deutschland, unserem Land mit unseren Gewohnheiten und manchmal auch ein Land des Lächelns!
Das Letzte (aus China Daily):
Zeichnung einer Wolke vor der verfinsterten Sonne