Winter und Schwarze Sonne in Afrika (Sambia 2001)

Von Uwe Dose

Vielleicht gibt es unter den Lesern dieses Beitrags auch Leidensgenossen, die am 11. September 1999 im Süden Deutschlands versucht haben, die totale Sonnenfinsternis hinter verhangenen Wolken wenigstens für kurze Augenblicke zu erhaschen. Mir ging es damals jedenfalls so. Vielleicht war es besonders die Enttäuschung, die mich damals bewog, die nächste totale Sonnenfinsternis unbedingt in voller Schönheit sehen zu wollen. Die fand aber nicht wieder vor unserer Haustür statt, sondern im Süden Afrikas, genau am 21. Juni 2001. Die abenteuerliche Reise begann am 11. Juni 2001 von München mit dem Flug nach Windhoek, der Hauptstadt Namibias.

Namibia

Die Landung in Windhoek erfolgte pünktlich am 12. Juni um 6 Uhr morgens. Beim Ausstieg wurde uns so richtig klar, dass es hier tiefster Winter war: Null Grad, Afrika heißt eben nicht nur Hitze.

Windhoek ist eine kleine niedliche Hauptstadt mit vielen Zeugen der deutschen Kolonialzeit. Da bekommt man eine deutsche Tageszeitung und im Restaurant passiert es oft, dass man nach der Bestellung in englischer Sprache eine deutsche Antwort bekommt.

In Windhoek leben etwa so viele Menschen wie in Aachen. In ganz Namibia nur so viele wie in Köln, obwohl die Fläche etwa 3 Mal größer als die Deutschlands ist. Man hat also Platz genug, jedoch scheinen viele Landstriche ziemlich unwirtlich und lebensfeindlich zu sein. Da ist zum Beispiel die an der Küste gelegene berühmte Namib-Wüste, übrigens die älteste unseres Planeten. Die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht erinnern mich fast an den Temperature Cycle Test aus unserer Halbleitertechnik: 0 Grad bis 50 Grad.

In einer Woche legten wir fast 1500 km zurück und haben ein sehr rauhes aber schönes Land kennengelernt. Für Interessenten ist auch wichtig, dass es politisch sehr stabil ist und keine Bedenken bezüglich der Sicherheit bestehen.

Simbabwe

Mit einer kleinen Cessna ging es dann über das gewaltige Okawango-Delta in Botswana nach Victoria Falls in Simbabwe. Hier war es mit der gemütlichen Ruhe aus Namibia vorbei, denn die Stadt ist wegen der berühmten Wasserfälle eines der wichtigsten Touristenziele des gesamten Kontinents. Noch dazu näherten wir uns damit auch der Totalitätszone der Sonnenfinsternis. Unter Totalitätszone versteht man den mit etwa nur 100 km breiten Streifen, in dem der Mond die Sonne scheinbar vollständig bedeckt und damit die Sonne für den Betrachter völlig verschwindet.

Die Victoria-Fälle sind mindestens so gewaltig, wie es der Name verspricht. Der etwa 2 km breite Sambesi-Fluss stürzt sich 100 Meter unter tosendem Donner in die Tiefe. Selbst die beste Regenkleidung nutzt nichts, um sich vor der Gischt trocken zu halten. Kein Auge bleibt trocken, wegen der Milliarden von Wassertropfen in der Luft und des gewaltigen Anblicks.

Es gibt aber auch ruhige Flecken um die Victoria-Fälle. Wir wählten den oberen Sambesi-Nationalpark für zwei Tage mit Übernachtung im Zelt direkt am Flussufer. Zwischen Flusspferden und Krokodilen kann man sich auf einem Kanu den Fluten nicht ganz ohne Risiko anvertrauen oder man streift durch die Wälder. Dabei begegnet man fast immer Pavianen, Elefanten, Giraffen und allerlei Antilopen. Es war schon ein tolles Gefühl, als ich gemeinsam mit einem Afrikaner in nicht mal 10 Meter Abstand vor 11 Giraffen stand. Die Tiere musterten uns sehr kritisch (ich tat das übrigens auch) und entschieden sich dann wohl dazu, uns zu akzeptieren.

Sambia

Nun rückte der Tag der Sonnenfinsternis immer näher, und wir mussten weiter nach Norden ziehen. Diesmal ging es mit dem Auto über holprige Landesstraßen nach Lusaka, in die Hauptstadt von Sambia. Dort gab es schon große Menschenansammlungen, denn Lusaka lag schon in der Totalitätszone. Leider hatte es die Regierung nicht geschafft, ausreichend Sonnenschutzbrillen für die Bevölkerung bereitzustellen. So kam es auch zu Tumulten, als Touristen einige Brillen verschenken wollten.

Für uns war das nicht der richtige Platz, um dieses Naturschauspiel in Ruhe zu betrachten. Deshalb fuhren wir weiter Richtung Westen, ohne ein bestimmtes Ziel vor Augen zu haben. Nach etwa 60 km Fahrt, für die wir fast drei Stunden brauchten, näherten wir uns dem Beginn der Finsternis. So entschlossen wir uns, in einem Dorf unsere Instrumente aufzubauen. Natürlich haben wir die Dorfbewohner vorher gefragt, ob wir bleiben dürfen. Zwischen ihnen und uns entstand eine wunderbare Atmosphäre, die von beiden Seiten aus einfacher Dankbarkeit erwuchs. Wir hatten einen schönen Beobachtungsplatz gefunden und die Afrikaner bewunderten unsere Instrumente. Übrigens wussten die Leute sehr gut über das bevorstehende Ereignis Bescheid und, für mich sehr überraschend, sie sprachen alle ausgezeichnet englisch.

Besser kann man eine Sonnenfinsternis wohl nicht erleben: klarer Himmel mit 3:13 Minuten Totalität, Protuberanzen (das sind flammige Explosionen auf der Sonne, die man am Rand sehen kann), Sonnenkorona (so nennt man die einige Millionen Grad heiße Sonnenatmosphäre), Haustiere, die verwirrt in den Stall gingen, fast totale Dunkelheit mit vielen Sternen am Mittagshimmel, und vor allem die Nähe zu den afrikanischen Menschen, die mit ihrer Wärme, Neugier und Herzlichkeit dem Erlebnis die Krone aufsetzten.

Literatur
Dose, Uwe: Winter und Schwarze Sonne in Afrika, in Mitsubishi Semiconductor Europe Journal, Dezember 2001, Seite 20-22.