1.Teil: Verfinsterung über Rapa Nui - Wechselspiele in der Natur und der Gefühle
Noch eine Woche, Aufregung schleicht so allmählich in die Gedanken, die Erwartung steigt. Im Computer - SoFi - Programm zählt man seit Tag 99 langsam den Countdown herunter bis zum 11.Juli, also nun noch 13 Tage. Die Wetterprognose beschäftigt einen nur marginal, lassen wir es auf uns zukommen. Die Entscheidung schon gleich 2010 es wieder zu versuchen, fiel wie immer spontan.
Eine kleine Insel in den Weiten des Pazifischen Ozeans verloren und doch ein lockendes Ziel für ein 4 Minuten dauerndes Himmelsschauspiel. Dafür ein superlanger Flug, eine Menge Geld ausgeben und fern von der geliebten Frau. Ist es das wert? Mit dem Wehrmutstropfen der geliebten Frau, denke ich: JA !!!
Auf zu den Osterinseln, wieder eine andere Welt!
Unsere Hinreise dauerte etwas mehr als 35 Stunden. In Madrid hieß es auch Warten! Die Zeit hat sich geändert. Ich meine nicht nur die Abflugzeit aus Madrid, nein ich meine auch die Geschwindigkeit des Reisens. Man hat sich vorgenommen auf die andere Seite der Welt zu fahren - fliegen: Südhalbkugel 125 Längengrade weiter westlich und 75 Breitengrade weiter südlich, auf eine Insel weit im Pazifik.
Vor gerade einem Menschenleben war das fast unmöglich, oder wenn doch dann eine Planung über mehrere Lebensjahre. Auch die Art des Reisens, sprich die Bequemlichkeit hat sich deutlich geändert, wenn ich meine 4-stündige Fahrt im ICE mit einer tagelangen Kutschfahrt von Berlin nach Frankfurt vergleiche. Und trotzdem ist man heute ungehalten, wenn sich etwas um 3 Stunden verzögert. Die Zeit hat sich geändert. Was würden die damaligen Reise-Menschen über uns denken? Wir auf jeden Fall sollten etwas mehr Gelassenheit von ihnen übernehmen.
Zu mal es auf einer solchen Reise viele schöne Augenblicke gibt, z.B. der Anflug auf das in bürgerlicher (oder eher schon nautischer) Dämmerung liegende Madrid. Ein malerischer Anblick und fotografierenswert.
Tagsüber hat der Hochsommer Europa voll im Griff mit Temperaturen von 30°C und höher. In Chile erwartet uns der Winter mit vielleicht 15°C. Was erwarte ich? Na logisch eine geglückte Sonnenfinsternis, sowie die geheimnisumwitterte (?) Osterinsel mit ihren Moai-Figuren und Neugier auf das Santiago de Chile rund 14 Jahre nach meiner ersten Chilereise. Der Reiz der Großen Sternwarten ist auch etwas Besonderes und den wahrscheinlich wieder umwerfenden südlichen Sternenhimmel.
Ich fasse es nicht. Es ist wirklich winterlich, hier in Santiago erleben wir gerade Dauerregen und nur 5°C. Mit meiner kurzen Hose bin ich da etwas fehl am Platz.
Da wir hier eine Zeitverschiebung von 6 Stunden haben und es noch Vormittag ist begeben wir uns auf eine Stadtführung. Auch wenn es viel Historisches zu sehen gab (Post, Börse, Hauptplatz, U-Bahn und die größte katholische Kirche des Landes), ich fühlte mich nicht in der Lage ein Glücksgefühl dafür zu entwickeln. Mir war nur kalt, ich war total übermüdet und durchnässt. Hoffentlich hatte ich nicht auch noch den getretenen Gesichtsausdruck wie die vollkommen pitschnassen streunenden Hunde hier. Mir kam Santiago nur laut und schmutzig (vermüllter Flusslauf, alte vergraute Häuser) vor und ein trüber Himmel. Das kann sich ja nur noch bessern.
Es geht weiter, ein neuer Tag und wieder fliegen, rüber zur geheimnisvollen Insel.
Auch hier ist Winter, aber Winter im Pazifik, d.h. 20°C und ab und zu ein Nieselschauer. Man sagt hier, das Wetter ist instabil. Um es vorweg zu nehmen, die Insel ist gar nicht so geheimnisvoll. Gut die Lage weit weg von jeder Zivilisation ist schon exotisch und auch die Moais sind etwas Besonderes. Aber die geschichtliche Entwicklung ist wieder ein beredetes Zeugnis menschlichen Verhaltens. Dies könnte ein friedlicher Ort ohne Probleme sein, aber die globale Gegenwart (Müll, Umwelt, Drogen) ist auch hier. Und wir sind ein Teil dieser Modernität. Mit jedem Flug werden 200 SoFi-Touristen nach Isla de Pascua geschafft. Bis zur Sonnenfinsternis sollen es mehr als 4000 sein, mehr als Einwohner auf diesem Eiland. Freude und Belastung gleichzeitig. Für mich ist es auch zusätzlich die fast Weltumrundung. Einmal von Europa nach Australien, dann von Europa hierher, da fehlen nur die wenigen 5000 Kilometer Pazifik zwischen dem Hier und der australischen Ostküste.
Bei der Landung merkt man aber doch die Abgeschiedenheit. Eine Boeing 767 landet auf einer Piste, welche von einem Ufer bis zum anderen Ende reicht, und hat keine Eile diese zu verlassen. Es kommt heute nur noch eine Maschine. Wir werden auf das herzlichste empfangen, wie halt in der Südsee üblich mit Blumenkette. Vom Flughafen fahren wir in die Hauptstadt, von den Einheimischen Dorf genannt. Hanga Roa ist heutzutage die einzige Ansiedlung auf der Insel.
Bei der Ankunft im Hotel "Manavai" spaltet sich unsere Gruppe, weil die Fußballfans erst einmal ihre Niederlage gegen Spanien im WM-Halbfinale live mit verfolgen wollen. In der ersten Freizeit entwickelt sich ein Heimwehgefühl, man ist weit weg von zu Hause. In der Luft hängt so etwas wie Ungewissheit, auch was das Wetter betrifft. Sieht man im größten Weltmeer mehr? Wir drücken uns gegenseitig die Daumen. An diesem Abend erlaubt uns der Himmel wenige schöne Momente mit dem bezaubernden Sternenhimmel des Südens.
Es sind noch immer drei Tage bis zur Finsternis. Diese Zeit reichte für das Kennen lernen dieser Insel, was teilweise auf eigene Faust oder in der Gruppe erfolgte. Ich zum Beispiel interessierte mich für die örtliche Schule, ein Ort mit 480 Schülern der Klassen 1-10. Wir waren 2 Tage vor Winterferienbeginn hier. So richtig Unterricht fand nicht mehr statt, eher Aufräumen und andere Beschäftigungen (Vorbereitungen auf einen Festakt). Das Ambiente war ländlich, ärmlich und die Einrichtung der Räume abhängig von der entsprechenden Lehrerpersönlichkeit. Diese trafen wir verschiedentlich, immer freundlich aber mit wenig Sprachkombinationen für uns. Es sprach sich wohl aber herum, dass zwei Lehrer aus Deutschland die Schule besichtigen wollten. Irgendwie war dann auch die Direktorin kurz da und begrüßte uns mit Küsschen. Wir durften uns dann frei umschauen, es war gerade Pause. Kleine Kinder räumten ihre Klassenzimmer leer, das mittlere Alter spielte Murmeln oder Gitarre, die älteren Semester lungerten in irgendwelchen Sitzgruppen. Aber alle schmunzelten, winkten, lachten oder posierten für ein Foto.
Zur Mittagszeit, die Sonne war sichtbar, probierten viele ihre Technik aus. Ein reger Austausch zu Objektiven, Filtern etc. fand dabei statt. Es sollte ja funktionieren im entscheidenden Augenblick.
Zu den Besichtigungen in der Gruppe gehörten auf jeden Fall eine Fahrt nach Anakena (schönster Sandstrand und einzige Moais mit Hüten), Ahu Akivi (einzige Moai-Gruppe die zum Pazifik, in Richtung der Philippinen schaut), Puna Pau (die Hutfabrik).
Überall werden Souvenirs verkauft. Die Preise steigen mit der Nähe zum astronomischen Ereignis. Außerdem werden es immer mehr SoFi-Fans, die solche Orte als Standort für ihre Beobachtung sondieren.
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Josef und Claudia waren unsere beredeten Führer durch die gesamte Geschichte der Osterinsel bis in die heutige Zeit. Es wurde sehr informativ und tiefenreich über die alte Geschichte und die Natur berichtet. Bei der neueren Geschichte hörte man ein wenig Pessimismus heraus (vielleicht zu recht), die Globalisierung macht auch hier nicht halt. In den folgenden Tagen besichtigten wir den Moai-Steinbruch Rano Raraku, die "Tsunami"-Gruppe bei Tongariki, den Ort Vinapu (kalendarisch ausgerichtete Moais) und für mich am schönsten der 300m hohe Rano Kau. Dieser Vulkanberg liegt im Süden der Insel. Von hier hat man zum einen den besten Überblick über die gesamte Insel von West nach Ost. Zum anderen kann man hier am Südrand stehend am ursprünglichsten die Weite des Pazifischen Ozeans erspüren. Man steht in Orongo, wo die Geschichte die Wettkämpfe der Vogelmänner stattfinden ließ. Jetzt hat man den 80m tiefen Regenwasser-Kratersee im Rücken und schaut über die kleinen Felsinseln (z.B. Moto Nui), südlich der Osterinsel, in weite Fernen. Urtümliche und auch raue Natur. Das Licht-, Wind- und Wolkenspiel ist beeindruckend. Man möchte mit diesem Ort verschmelzen, wenigstens noch eine Weile verharren. Aber weiter geht es. Nördlich des Haupt-"Dorfes" steht der einzige Moai mit Augen.
Unterdessen strapaziert uns das Wetter und lässt unsere Gefühle Achterbahnen fahren. Viele entwickeln sich zu Strategen. Wo hat man am meisten Chancen, wie kann man flexibel reagieren. Das Internet läuft heiß, bezüglich der Wetterseiten. Vor Ort gestaltet es sich folgendermaßen: In der vorletzten Nacht setzt dauerhafter Regen ein. Mal rauscht er gleichmäßig, dann prasselt er heftig um kurz darauf gleichmäßig zu tröpfeln. Auf einem Blechdach kann man dieses hervorragend akustisch unterscheiden. Es ist ein Sturmgebiet.
Und es ist eine sehr geräuschvolle Nacht. Palmenwedel die an die Hauswand schlagen, besagter Regen, manchmal nur die Meeresbrandung aus ca. 300m Entfernung und gegen Morgen der Wettstreit der ortsansässigen Hähne, wer am besten kräht. Es gibt viele von ihnen.
Jetzt sind es noch 14 Stunden bis zum Ereignis und seit 24 Stunden regnet es unaufhörlich. Die einzige Hoffnung sind die Satellitenbilder die Besserung versprechen, hoffentlich rechtzeitig!
Der 11.Juli ist da, und ich sage nur danke, danke, danke!!!
Es hat geklappt und war super-wahnsinnig-schön. Bis Mitternacht schien es gar nicht aufhören zu wollen mit dem Regen, dann am Morgen stärker bewölkt, ab und zu ein Schauer. Man blieb misstrauisch. Unsere Wetterexperten hatten vorhergesagt, dass es ab Mittag frei sein wird. Also gingen einige um 9 Uhr zum hiesigen Gottesdienst um noch etwas Unterstützung zu holen. Es war proppevoll, eine unterhaltsame Stunde und fröhlicher als ich Gottesdienste bisher kannte. Danach ein/zwei Stunden Skepsis und die Technik checken.
Ab 12 Uhr Ortszeit begab sich jeder zu dem vermeintlich sichersten Ort auf der Insel, den er sich gesucht hatte. Die Masse (um bei Regen nicht zu weit nach Hause zu müssen) blieb in Hanga Roa, entlang der Küste. Als kleine Dreiergruppe (mit mir), stellten wir uns südlich von Tahai auf einen Felsvorsprung, die Moais im Blick nach Norden, wie ca. 2000 andere Leute auch. Es war ein guter Platz.
Technisch waren wir nicht so hochgerüstet, "nur" 4 Kameras und einen Lichtstärkemesser. Wir wollten ja das Ereignis genießen. 12:40 der erste Kontakt, direkt getroffen (mit dem Fotoapparat), die Leute sind gut drauf, die Wolkenlücke ist riesig. Alle ¼ Stunde machen wir ein Foto (mit gleichem Motiv) um Helligkeitsunterschiede darzustellen und dazu werden die entsprechenden Daten des Messgerätes gepackt. Die Wolken lösen sich förmlich auf um uns den Blick nicht zu nehmen. Die Erwartungshaltung steigt ins unermessliche, ich werde sehr kribbelig, nun los, lass den 2.Kontakt kommen. Um uns abzulenken machen wir Schattenfotos (Grasbüschel und Sicheln, gekreuzte Halme). Dann so 10 min. vor der Totalität setzt ein erkennbarer Dämmerungseffekt ein, wieder gespenstisch - grau. Die Schaumkronen der Wellen leuchten besonders weiß.
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Und dann 14:08, Gänsehaut, keine Wolke, 2. Kontakt, perfekto, Diamantring und schlagartig ist die Korona zu sehen. Wunderschön, der Mund steht offen, man kann nur staunen. Es ist Nacht ... am ... Tag, dem 11.Juli 2010 auf Rapa Nui!!!
Kann man dieses Schauspiel, diesen ersten Moment fotografieren? Kann ein Künstler dies so darstellen? Nein, ich denke nicht, das lässt sich nur erfühlen, anschauen. Es ist dieselbe Gänsehaut, dieselbe Ergriffenheit wie 2001 bei der afrikanischen Finsternis. Mein erster Freudenjuchtler erschallt. Dieses Blau, dieser Strahlenkranz, es ist unsere Sonne bis zum Äußersten. Wau!
Erstes Atemholen, der Blick wechselt auf das größere Umfeld. In der Nähe vielleicht 15° rechts steht Merkur und noch einmal 20° folgt die Venus. Ich nehme keine Sterne wahr, schaue aber auch nicht so genau hin. Der gelbe Horizont ist schmal und der Wind bleibt. Schnell wieder auf die sehr schön strukturierte Korona schauen. Königlich. Nun fange ich an Fotoserien mit verschiedenen Belichtungszeiten von 1/2500 bis zu 1" zu schießen. Beim dritten Kontakt drückt mein Finger ständig den Auslöser. Es entstehen so annähernd 100 Bilder. Ohne digitale Technik hätte ich wohl öfter den Film wechseln müssen, welch Zeitverlust den man sich so erspart.
Und wie als wäre es erst eine Minute - es ist 14:13 - oder besser nach 4 min 36 s endet dieses Spektakel des Himmels wieder schlagartig. Erstarrung, Erleichterung, Erleuchtung. Die Gesichter der Umgebung sind alle gezeichnet von Entzückung, ein mildes Lächeln um die Mundwinkel, man war dabei, man umarmt sich und teilt die Freude. Nach 5 Minuten ist es als wäre nichts geschehen, aber vielleicht 9000 Menschen auf dieser kleinen einsamen Insel in den Weiten des Pazifiks haben komplett einem immer wieder einmaligen Himmelsschauspiel beigewohnt, davon bestimmt über die Hälfte zum ersten Mal, und können es weiter erzählen.
Danke, danke, danke!!!
Man baut dann irgendwie ab, die Technik wie auch in der Seele. Den 4. Kontakt beobachten die meisten dann gar nicht mehr. Ich habe ihn mir in der Hotelanlage angeschaut. Bis dahin brauchte ich eine halbe Stunde für mich um das zu verarbeiten. Ich saß einfach auf dem Felsvorsprung, die Beine baumelnd, den Blick auf die tosenden Wellen, die Salzgischt ständig im Gesicht, mir war ein wenig wie heulen zu mute. Natur wirken lassen.
Im Hotel trafen dann nach und nach alle zusammen, und bei einem guten Schluck Wein, einem Bier oder Kaffee oder Whisky setzte der Austausch des Gesehenen ein.
Hier auf der Insel war es für uns der letzte Abend mit einem schönen Sonnenuntergang und später noch ein wenig südliche Milchstraße mit Skorpion, Kreuz des Südens, Centaurus.
2.Teil: Es schließt sich ein Kreis - von La Silla zum Paranal
Das Los eines Touristen: Ereignis erwarten, Ereignis erleben und weiter das nächste Ereignis erwarten. Das Festland hat uns wieder. Nach unserem gestrigen Super-Erlebnis sind wir heute schon sehr früh mit dem Flugzeug zurück zum Kontinent geflogen. 4 Stunden über einen sehr wolkigen Pazifik (der kalte Humboldtstrom, welcher uns auch das Atacamawetter später bewirken wird), mit absinkenden Erdschatten und anderen optischen Erscheinungen (Halo um abgebildetes Flugzeug auf der Wolkenoberseite). Es war ein kurzweiliger Flug. Hier in Santiago (nach dem Kauf einer aktuellen Zeitung, Thematik SoFi) erfolgte dann die Stadtbesichtigung Teil zwei. Mit einem Bus fuhren wir am Planetarium vorbei, an der Katholischen Universität vorbei zum San Christobal. Es gab eine gute Sicht in Richtung der Anden und auch auf die Smogschicht über der Stadt. Die aktuellen Nachrichten berichten von einem strengen Winter: nächtliche Minusgrade in der Hauptstadt, Schneechaos in Patagonien. Und sie berichten von einem Erdbeben der Stärke 6 in Calama, 1500 km nördlich von hier ohne große Schäden. Ein Teil der Gruppe fliegt morgen dorthin, ein anderer Teil fliegt wieder zurück ins knapp 40°C heiße Deutschland.
Das Programm beinhaltet jetzt einen totalen Wechsel in Bezug auf die Landschaft und das Klima. Kontrast pur, statt Salz knirscht jetzt Sand und Staub zwischen den Zähnen und hängt überall in den Klamotten.
Die Stadt Calama, welche wir nach einem zweistündigen Flug durch einen sehr schnell ablaufenden Sonnenaufgang beim Start in Santiago, erreichen, liegt in der Region 2 (Chile ist wohl in 14 Regionen von Nord nach Süd aufgeteilt). Es leben hier rund 150.000 Menschen in einer Höhe von 2300m ü.N.. Und wir sind in der Atacama, der trockensten Steinwüste der Welt. Man misst hier höchstens 15% Luftfeuchte und es sind am Tag 20°C (Winter).
Hier bei Calama liegt auch die zweitgrößte Kupfermine der Welt, davon gibt es Superaufnahmen des Satelliten Quickbird. Von hier fahren wir ins 100km südöstlich liegende San Pedro de Atacama. Ein Dorf mit rund 2000 Chilenen (Fremden) und 2000 Atacamos (Ureinwohner). Was sind wir dann? Eben rund 100 Touristen (ganz Fremde). Bolivien liegt von dem Ort nur 40km entfernt und nach Argentinien sind es 160km. Warum leben hier Menschen?
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Es sind heute die Bodenschätze und der Tourismus zu einigen phantastischen Naturschauspielen, welche wir uns auch noch anschauen werden. Aber was war es früher? Unendliche Weite (fast wie im Pazifik), Staub und Trockenheit. Es hat hier seit 2 Jahren keinen Regen gegeben. Als Europäer wird man dieses nicht nachvollziehen können. Wir sind von der Natur verwöhnt.
In dieser einzigartigen, nicht unangenehmen Umgebung, in der Nähe stehen 6000m hohe Vulkankegel der Anden, erwartet uns heute auch schon der erste Sternwartenbesuch. Der Franzose Alain Maury hat sich ein privates Observatorium errichtet, die Atacama Astro-Lodge. Mal sehen wie er es macht. So ähnlich wie das private Observatorium in der Nähe von Coonabarabran, Australien? Dort wirkte die Marktwirtschaft pur (Observatorium mit Night-Show, Shop & Astro-Minigolf).
Nein es war anders. Es wurde ein sehr lebendiger Abend für 2 1/2 Stunden mit heißer Schokolade und Besuchern aus den USA, Brasilien und uns. Auf dieser Sternwarte gibt es Dobsonspiegel (der größte mit 60cm) und nachgeführte Teleskope. Es wurde unter freiem Himmel auf sehr witzige Weise der Sternenhimmel bis hin zur Kosmologie erklärt, auf einer sehr anschaulichen Ebene. Man hat dem Franzosen aber auch einen sehr ansprechenden Schauplatz zur Verfügung gestellt, eben den bezaubernden Südsternhimmel in einer Klarheit und Brillanz, da vergeht die Zeit ohne es zu merken. Im letzten Teil, uns wurde auch langsam kalt, nutzten wir noch seine Teleskope um uns etwas "näher" mit Omega Centauri, M83 oder anderen Objekten bekannt zu machen. Wie gesagt eine sehr kurzweilige Veranstaltung mit einer Person, die für Astronomie begeistern kann.
Es folgte ein Tag der Merkwürdigkeiten und anderer schöner Erlebnisse. Der Tag begrüßte uns mit Wolken! Gut fürs Foto ansonsten nur außergewöhnlich. Des weiteren erlebten wir schon fast einen Sandsturm, der Staub ließ sich nicht mal mehr abbürsten. Er beeinträchtigte aber auch nicht unser Besuchsprogramm. Dieses war umfangreich: Canyon und Dorf Tacanao, der große Salzsee und seine Flamingos, dann das Valle de Luna und das Tal des Todes. Also viel Natur und was der Mensch damit macht. Vom Anschauen, dem Erwandern bis hin zum Nutzen, z.B. Sandboarden oder Reittouren.
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Ärgerlich an diesem Tag war unser Erlebnis mit Alma. Alma ist ein Observatorium im Submillimeterwellenbereich und wird momentan durch die ESO (von Steuergeldern) hier in der Nähe gebaut. Da man nicht allzu häufig in der Gegend ist, hatten wir uns erhofft einen kleinen Einblick in dieses Großprojekt europäischer Astronomieforschung zu nehmen. Leider kamen wir nur bis zum Pförtner. Selbst viele Telefonate änderten nichts daran, und auch nicht der Hinweis, dass wir teilweise mit dieser Materie befasst sind. Sehr schade und etwas Enttäuschung.
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Aber wir beendeten diesen Tag mit einem stürmischen Sonnenuntergang mit Farbspiel in den Anden und aufsteigendem Erdschatten.
Die Nacht war noch nicht vorüber und wir schon wieder auf einem 80km Trail zu den Geysiren von El Tatio. Diese frühe Abfahrt (beabsichtigt wegen der Art der Geysire) hat auch was für sich, und wenn es nur der bezaubernde Sternenhimmel vor Sonnenaufgang ist. Für einen Fotostopp musste es reichen.
Die Geysire liegen auf einer Höhe von 4330 m, erster Höhenrekord heute. Wir erreichten sie mit den ersten Sonnenstrahlen zusammen. Und da sprudeln sie sichtbar am schönsten, wegen der größeren Temperaturspanne in den Morgenstunden. Sie schießen mit fast 100°C aus dem Boden und bilden am Boden dann sofort eine Eisschicht. Dieses Schauspiel erfreute uns bibbernd bei -10°C. Nicht nur in Norwegen ist im Winter niemand schön. Auch hier lässt die Bekleidung schmunzeln. Strümpfe, wenn noch welche übrig sind, werden als Handschuhe benutzt. Die vorher eiligst gekauften Mützen werden tief ins Gesicht gezogen. Bis zur Nase geht nicht, da sieht man ja nix. Manche haben 3 Hosen und mehrere Jacken an, nicht nur Essen macht dick. Und dann immer wieder schauen, fotografieren, zurück in den etwas wärmeren Bus. Sogar das Frühstück gab es vor Ort. Mit heißem Geysirwasser erwärmter Milch schmeckte uns der warme Kaffee zum kalten Buffet.
Zirka eine Stunde hielten wir es aus und zur Krönung gab es in der Nähe das Geysir-Thermalbad, meine Höhentaufe. Wir waren nur 3 Mutige aus unserer Gruppe, aber auch andere Touristen machten Gebrauch davon. Die Mutprobe war nicht das Einsteigen in das durchschnittlich 35°C heiße Wasser, sondern das Herauskommen. Meine ausgezogene Badehose fror auf den Steinen fest, aber wir fühlten uns super. Der nächste Höhepunkt war dann der Vicunas-Pass, nämlich in 4564 m Höhe. So hoch stand ich noch nie auf dieser Erde. Die Luft war sehr kalt und dünn. Wenn man sich zu schnell bewegte, dann konnte einem schon schwindelig werden. Man durfte auch nicht auf seine Hände schauen, so ungefähr werden sie in 15 bis 20 Jahren aussehen, total schrumpelige Haut.
Ab jetzt ging es kräftig bergab über abenteuerliche Pfade, Straße wollte ich dazu nicht sagen. Wir fuhren wieder in Richtung Calama.
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Dabei besuchten wir das Dorf Caspana, den Ort Chiu Chiu mit der ältesten Kirche Chiles aus dem Jahre 1602 und die Inkaruinen bei Lasana. Und immer fahren wir quer durch die Atacama.
Die Wüste ist ein Paradies! Das muss ich als Steinfreak so sehen, man gibt es hier `ne Menge Steine. Wie kriege ich die nur nach Hause? Und die Wüste lebt! Ein Vergleich mit dem australischen Outback brachte mich darauf. In beiden Gegenden begegnen einem selten Menschen, aber die Atacama erscheint einem übersichtlicher und lebloser. Man kann 50km und weiter in die Landschaft blicken, wenn nicht gerade Staubstürme den Horizont trüben. Im Outback stehen überall 1-2m hohes Gestrüpp, Ameisenhügel oder Bäume. Dennoch ein Irrtum. Man sieht in der Atacama nicht die unzähligen Canyons, in denen ganze Dörfer und Landwirtschaften liegen.
Völlig verstaubt, aber nicht mehr frierend kommen wir in Calama, im besten Hotel der Stadt an. Zeit sich ein wenig zu zivilisieren.
Die nächsten 250km waren dafür eingerichtet sich eine alte ruinierte Salpeterstadt mit unrühmlicher Vergangenheit während der Pinochet-Zeit anzusehen, den südlichen Wendekreis zu passieren und schließlich in Antofagasta anzukommen. Wir sind wieder am Pazifik auf Höhe Null. Vor Ort besuchen wir das Astronomische Institut der Katholischen Universität. Christian Nitschelm zeigt uns bei französischem Englisch aktuelle Eklipsebilder. Er war auch auf der Osterinsel.
Wir zeigen ihm einige von unseren Bildern. Danach erläutert er uns das Aufgabenfeld des Institutes, erzählt uns einiges über Öffentlichkeitsarbeit, das große Interesse von Kindern an der Astronomie, die schwache Mathematikbildung in Chile und über Cerro Armazonas. Das institutseigene Observatorium liegt ca. 30km von Paranal entfernt und hat einen 84cm-Spiegel sowie einen 42cm-Spiegel. Und hier ist der Neubau des ELT geplant.
Solcherlei Anregungen schraubten die Erwartungshaltung für unseren demnächst anstehenden Paranalbesuch natürlich in die Höhe. Zuvor hatten wir dann einen ganzen Nachmittag um ein wenig von Antofagasta kennen zu lernen. Der weite Blick aus der Pazifikbucht erlaubte einen schönen Sonnenuntergang wahr zu nehmen und sogar visuell wie auch fototechnisch das grüne Flashlight festzuhalten. Wahnsinn, seit dem Studium wusste ich von dieser optischen Erscheinung und nun endlich kann ich es auch mal sehen.
Die Nacht wurde dann eine sehr unruhige Nacht, die meisten werden sehr spontan zur gleichen Zeit wach, es ist 2:07 Ortszeit. Ein Erdbeben der Stärke 5,7 erschüttert die nächtliche Gegend, zwei heftige aber kurze Erdstöße. In letzter Zeit bebt es hier öfter, es ist nichts passiert. Alle berichten beim Frühstück von diesem sehr eigenen Gefühl des Gerütteltwerdens, fast alle. Einige wenige haben sehr tief geschlafen, anderen kam es auch nicht so stark vor. Aber alle schliefen danach weiter. Normalität? Das Epizentrum war 80km weiter südöstlich in einer Tiefe von 52km, wie man am nächsten Tag erfuhr. Ich selber lauschte noch ob das Wellenrauschen aufhört, Tsunamieangst, und schlief darüber auch wieder ein.
Nach dieser Nacht dann unser letztes großes Highlight, Picknick am Paranal. Es ging natürlich um den Besuch beim Observatorium auf dem Berg Paranal. Dort steht das VLT (4 * 8,2 m-Spiegel) der ESO, sowie eine Interferometeranlage und das "James-Bond-Hotel" und anderes mehr. Es war ein Highpoint, atemberaubend schön in 2600m Höhe, sehr nah am Pazifik mit waagerecht rund 10km und windig und kalt. Die Bekleidung aus El Tatio wäre angebracht gewesen. Hier herrscht an 360 Tagen klares Wetter. Wir hatten also herrlichsten Sonnenschein, viel Zeit und diesmal eine Führung in spanischem Englisch.
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Wir erfuhren einiges über die 4 Hauptspiegel, z.B. dass diese nur 17cm dick sind. Es gab Informationen über die 4 Interferometrie-Spiegel von 1,2m, über das Einzelteleskop und über das Hotel für Gastastronomen, welches in einem James-Bond- Film als Kulisse diente. Hier erhielten wir auch
Informationen zum nächtlichen Erdbeben. Und die Zeit verging wie im Flug. Auf dem Freigelände versuchte ich noch einen Fotoblick zum nahen Cerro Armazonas. Und so Happy, leicht berauscht saßen wir eine ganze Weile in unserem Bus auf dem Parkplatz am Eingang zum Gelände, Blick auf das Observatorium, und aßen gemütlich unser Lunchpaket: Picknick am Paranal! Schade dass es leider auch keine Möglichkeit gab zum anderen Observatorium mal eben rüber zu fahren. Na gut, dann hat man schon wieder einen Grund für die dritte Chile-Tour: ELT, Alma und Patagonien.
Wir tauchten als letztes vor unserer 40 stündigen Heimreise noch einmal in die koloniale Vergangenheit von Antofagasta ein, so am Plaza Cokin. Der alte Fischereihafen mit seinem regen Tierleben: Pelikane, Seehunde oder Kondore hielt uns eine ganze Weile in seinem Bann. Zu erwähnen bleibt noch das Felsentor La Portada, durch welches man über die Bucht noch einmal zurück schauen konnte auf die Großstadt Antofagasta.
Aber schade, alles hat irgendwann ein Ende, so auch dieser Ausflug in eine andere Welt. Es war super, erlebnisreich und die Atacama hat mich gefangen genommen, nicht nur wegen der vielen Steine. Vielleicht ist es diese vielschichtige "Reizarmut", die einen sich immer wieder auf das Wesentliche besinnen lässt. Das Programm, welches versprochen wurde, ist voll erfüllt worden, von Eklipse bis Paranal. Die spanische Mentalität der Chilenen konnte auch nicht verleugnet werden. Und ich kehre auch gern in mein grünes, Jahreszeitenwechselndes, leider auch sternenarmes Europa zurück.
Man kann ja zu dieser Kultur, mit Astronomiebegeisterten wieder Reisen.