Einige Reiseteilnehmer hatten im Vorjahr die Frankokantabrische Höhlenmalerei bestaunt. So entstand der
Wunsch, auch die EISZEITKUNST im Alb-Donau-Kreis (Geopark Schwäbische Alb) zu begutachten. Einen aktuellen
Aufhänger bot die Sonderausstellung "Die Rückkehr des Löwenmenschen" im Ulmer Museum. Weitere Reiseteilnehmer
interessierten sich für ARCHÄOASTRONOMIE. Mit der vermuteten Lunarsymbolik findet sich bereits in der
Eiszeitkunst ein Hinweis auf die Beobachtung und die kultische Einbindung der Gestirne. Für die Bronzezeit
hat die Forschung einige neue Theorien rund um Mondidole und Sonnenbarken erarbeitet. Ein Besuch des
Federseemuseums Bad Buchau bot sich hierzu an. Aufgrund der Dichte an keltischen Fundstellen war die
Heuneburg ein weiteres interessantes Reiseziel.
Zeittafel |
MITTELPALÄOLITHIKUM: | | |
Moustérien | 120.000 - 40.000 BP | Homo neanderthalensis |
JUNGPALÄOLITHIKUM: | 40.000 - 8.000 BP | |
Aurignacien | 40.000 - 31.000 BP | Homo sapiens (Cro-Magnon) |
Gravettien | 35.000 - 24.000 BP | |
Solutréen | 24.000 - 18.000 BP | |
Magdalénien | 18.000 - 12.000 BP | |
(Azilien | 12.000 - 8.000 BP | Epipaläolithikum) |
MESOLITHIKUM: | 9.600 - 5.500 BC | Holozän (Bewaldung) |
NEOLITHIKUM: | 9.600 - 5.500 BC | in Mitteleuropa (Neolithische Revolution) |
(Chalkolithikum: | 7.500 - 4.500 | Kupferzeit, in Südosteuropa/ Vorderasien) |
BRONZEZEIT: | 2.200 - 800 BC | in Mitteleuropa |
Frühe Bronzezeit | 2.200 - 1.600 BC | |
Mittlere Bronzezeit | 1.600 - 1.300 BC | (Hügelgräberzeit) |
Späte Bronzezeit | 1.300 - 800 BC | (Urnenfelderzeit) |
(Nordische BRONZEZEIT: | 1.800 - 530 BC | in Südskandinavien) |
EISENZEIT: | 800 - 15 BC | |
Frühe Eisenzeit | 800 - 450 BC | (Hallstattzeit HA) |
Späte Eisenzeit | 450 - 15 BC | (Latènezeit LT) |
RÖMERZEIT: | 15 BC - 480 AD | |
Im Lonetal
Von Nürnberg startend, besuchten die neun Reiseteilnehmer zunächst das Lonetal, das zusammen mit dem Achtal
ein Zentrum der jungpaläolithischen Kleinkunst bildet. Seit 140 Jahren finden archäologische Grabungen im
Lonetal statt.
Die BOCKSTEINHÖHLE, zwischen Öllingen und Bissingen, war im Moustérien vom Homo neanderthalensis
und im Jungpaläolithikum vom Homo sapiens besiedelt. Außerdem fanden sich zahlreiche Knochen der glazialen
und postglazialen Fauna.
Nahe beim HOHLENSTEIN befindet sich der Weiler Lindenau (Rammingen), dessen Siedlungsgeschichte bis in
urgeschichtliche Zeit zurückreicht. Die empfehlenswerte Ausflugsgaststätte Schlößle datiert 1274. Aus dem
Hohlenstein-Stadel stammt der berühmte Löwenmensch, eine ca. 32.000 Jahre alte und 30 cm große Statuette
aus Mammutelfenbein. Aufgrund ethnografischer Vergleiche wird der Löwenmensch im schamanischen Kontext
als Mensch-Tier-Mischwesen interpretiert. Der Hohlenstein wurde vom Moustérien bis in die Römerzeit genutzt.
In der Kleinen Scheuer fand sich ein ca. 15.000 Jahre alter bemalter Kieselstein. In der Bärenhöhle lagen
zahlreiche Bärenknochen. Der Bär stand in direktem Bezug zur Höhle und zum Jahreszeiten- und Lebenszyklus.
Die Höhlenbärin ging im Winter in die Höhle, in die Ge-Bär-Mutter, und kam im Frühling mit jungen Bären
wieder heraus. Bären gebären um Mittwinter, wenn auch die Sonne neu geboren wird.
Der VOGELHERD ist seit 2013 nicht mehr frei zugänglich, sondern Teil des Archäoparks Vogelherd, bei
Niederstotzingen. Der Park bietet einen Rundweg mit Mitmachstationen der Experimentellen Archäologie und
spielt mit dem Kontrast zwischen Steinzeit und Plastikzeitalter. So stehen etwa Steckdosen für E-Bikes
bereit und der Rundweg informiert via QR-Code. Die Vogelherdhöhle hat drei Münder. In ihr wurden ein
Mammut- und ein Pferdefigürchen gefunden, beide ca. 32.000 Jahre alt.
In Ulm
In unmittelbarer Nähe des Ulmer Münsters mit dem weltweit höchsten Kirchturm und des Rathauses mit der
astronomischen Uhr befindet sich das Ulmer Museum mit der Sonderausstellung DIE RÜCKKEHR DES LÖWENMENSCHEN.
Interessant ist, dass es zum Löwenmensch-Fundort im Hohlenstein-Stadel eine alte Sage gibt, analog zum Märchen
von der Schönen Lau am Blautopf. Der Löwenmensch wurde aus einem Mammutstoßzahn geschnitzt, was seine Abmaße
limitierte. In der Vorstellungswelt unserer Ahnen ruhte der Statuette neben der Kraft des Löwen wohl auch die
des Mammut inne. "Die Rückkehr des Löwenmenschen" spielt mit der Doppeldeutigkeit, denn Schamanismus und
Neopaganismus haben durchaus Konjunktur.
Die 6 cm große und ca. 40.000 Jahre alte VENUS VOM HOHLEFELS (Achtal) gilt als Urmutter und soll aus
Marketinggründen bald "Mamma Venus" heißen. Sie ist momentan die älteste bekannte Frauenfigur der Welt
und wirkt massig wie Mutter Erde selbst. Aus ethnografischen Vergleichen ist die apotropäische Wirkung
des Scham- und Brustweisens bekannt. Es gibt einen direkten Bezug Frau - Höhle, da man durch enge Schlupfstellen
ins Höhleninnere gelangen kann (Vulva). Die Höhle selbst ist ambivalent (Geburtsort, heiliger Ort, Zugang zur
Unterwelt). Es gibt ebenfalls einen Bezug Frau - Mond via Monatszyklus - Mondzyklus.
Die Verzierungen der Kleinkunstwerke werden teilweise als Mondphasenzählungen (3, 4, 13) und teilweise als
Phosphene (Halluzinationen in schamanischer Trance) eingeordnet. Die Tierfiguren können im Kontext des Animismus
auch als Heimstätte der Ahnen angesehen werden. Das Töten von Tieren bei der Jagd beinhaltet die Gefahr des
Tötens von Ahnen und erfordert kultische Riten.
Die Bruchstücke von acht FLÖTEN, ca. 40.000 Jahre alt, bestehen aus Mammutelfenbein und Vogelknochen. Sie deuten
auf die rituelle akustische Nutzung der Höhlen hin. Schwan kommt von Suen (Tönen, Schallen; Vgl. Singschwan/
Schwanengesang). Der Wasservogel ist ein Zugvogel und er kennt alle drei schamanischen Welten - genau wie die Sonne.
Verschiedenartige PERLEN fanden sich in unterschiedlichen Straten und deuten auf jungpaläolithische Modetrends,
Identitätsstiftungen und Kommunikationsmittel hin.
Am Federsee
Die nächste Reisestation ist das FEDERSEEMUSEUM BAD BUCHAU im Archäopark Federsee. Die Pfahlbauten am Federsee
zählen zum UNESCO Weltkulturerbe. Am Federsee fanden sich Spuren der Rentierjäger vom Azilien und Mesolithikum sowie
Siedlungsspuren vom Neolithikum bis in die Latènezeit. Von den gewundenen Hüttenflechtwänden stammt unser Wort Wand.
Namengebend im NEOLITHIKUM wurde u.a. die Schussenrieder Kultur. Den Beginn des Neolithikums markiert eine
Einwanderungswelle von Menschen (Bandkeramiker), Haustieren und Kulturpflanzen aus Südosten. Die Landnahme brachte
Gewalt und Aggression. Im Federsee erhielt sich ein Holzrad. Mit der Landwirtschaft wird der jahreszeitliche
Sonnenstand relevant, während sich die nomadischen Jäger noch überwiegend am Mondstand orientierten.
In der BRONZEZEIT führt die mathematische Verschmelzung der Beobachtung von Sonne- und Mondstand zum
Lunisolarkalender mit einer 8 Tage-Woche. Ostern orientiert sich noch heute am Mondstand, Weihnachten am Sonnenstand.
Die Bedeutung der Zahl 8 findet sich noch in der Sprache mit Acht-geben, Be-Acht-en, Acht-samkeit u.a. Die 9 ist Neu-n,
der neu-e Tag der Woche. Im 17. Jh. gab es wohl eine Kalenderreform mit Tendenz zum Monotheismus und einer 7 Tage-Woche,
auch Pharao Echnaton führte im 14. Jh. eine Reform in Richtung Monotheismus (Sonnengott Aton) durch.
Der TONSTEMPEL aus der "Wasserburg Buchau" mit dem Radkreuz (Sonnenkreuz) enthält in seinem Ornament
kalendarische Angaben. Das MONDIDOL ist wohl ein Feuerbock und üblicherweise mit Sonnenkreisen verziert. Die
SONNENBARKE (Vogelbarke) zeigt Parallelen zum ägyptischen Sonnenkult. Der Osten symbolisiert das Leben, der Westen
das Jenseits. Der ägyptische Obelisk symbolisiert den Sonnenstrahl. Die Kulte in Vorderasien sowie die der Ägypter
und Hethiter beeinflussten Mitteleuropa. In der Nordischen Bronzezeit spielten Schlange, Pferd, Wasservogel und
Radkreuz eine wichtige Rolle. Um 1200 kommt es mit den "Seevölkern" zu einem gesellschaftlichen Umbruch im gesamten
östlichen Mittelmeerraum.
Die Heuneburg
Der ARCHÄOLOGISCHE RUNDWANDERWEG führt zu den Elitegräbern der eisenzeitlichen Heuneburg. Die rekonstruierten Tumuli
zeigen die Dimensionen der Hügel und ihre Entfernung zur Elitesiedlung. Der Hohmichele e.c. hatte einen Durchmesser von
60 m und eine Höhe von 13 m. Neben der Größe definiert sich ein "Fürstengrab" über reiche Ausstattung, Gold und Importware.
2010 wurde ein unberaubtes Fürstinnengrab (Bettelbühl) im Block geborgen.
Das KELTENMUSEUM HUNDERSINGEN gibt einen Überblick über die keltische Epoche. Der griechische Name der Heuneburg war
wohl Pyrene, nach Herodot. Die Heuneburg war ein reiches Handelszentrum. Ihre Elite veranstaltete Trinkgelage nach
griechischem Vorbild mit mediterranen Möbeln und Geschirr. Ihre Grabhügel bilden monumentale Ahnenheiligtümer.
Das FREILICHTMUSEUM HEUNEBURG zeigt die Lage und die Maße der Hallstattbefestigung (HA D - LT A). Die Heuneburg war
mit einer mediterranen Lehmziegelmauer nach phönizisch-punischem Vorbild befestigt. Sie diente der Abgrenzung der reichen
Oberschicht. Die Burg bzw. Stadt ernährte zu Beginn des 6. Jahrhunderts bis zu 5.000 Menschen. Sie wurde, wie viele weitere
Zentralsiedlungen, um 400 aufgegeben. Vermutlich führten die soziale Ungleichheit und Missernten zu Unruhen und einem
gesellschaftlichen Umbruch.
Im Nördlinger Ries
Die weithin sichtbare Abtei NERESHEIM, 1095 gegründet, ist aufgrund ihrer barocken Hallenkirche von Balthasar Neumann bekannt.
Die OFNETHÖHLEN, bei Holheim, wurden vom Moustérien bis Mesolithikum bewohnt. In der Großen Ofnet fanden sich 33 Kopfbestattungen
von vor ca. 7.700 Jahren erschlagenen Menschen. Am Fuß des Berges liegen die Reste einer römischen Villa Rustica.
Das RIES ist ein Impaktkrater von ca. 24 km Durchmesser, benannt nach der römischen Provinz Raetia. Der Meteoritenkrater
entstand vor ca. 15 Mio. Jahren.
Der IPF, 668 m hoch, war Sitz einer keltischen Zentralsiedlung, ebenso der nahegelegene Goldberg, der namengebend für die
neolithische Goldberg Gruppe wurde. Die Region besteht aus fossilienreichem Juragestein. Der beeindruckende Ipf wurde namengebend
für einen Ammoniten des Jurameeres.
Das Wahrzeichen von NÖRDLINGEN ist die gotische Kirche mit ihrem 90 m hohen Turm "Daniel". Sehenswert sind der Planetenweg
und die komplette Stadtmauer mit Wehrgang. Der historische Gasthof Zur Sonne wurde 1350 erbaut und beherbergte neben ein paar
Kaisern und Apollo-Astronauten auch Goethe und die zufriedene Reisegruppe.
Literaturauswahl
Siegfried Vierzig, Mythen der Steinzeit. Das religiöse Weltbild der frühen Menschen, 2009.
Die Rückkehr des Löwenmenschen. Geschichte, Mythos, Magie. Ausstellungsband Ulmer Museum 15.11.13 - 09.06.14.
Glaubenssache(n). Kult und Kunst der Bronzezeit. Ausstellungsband Federseemuseum Bad Buchau 15.05. - 01.11.11.
Kult der Bronzezeit. In: AID-Magazin 2-2014.
Die Keltenfürsten. Glanz und Gloria. Porträt Archäologie 2 der Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte in Württemberg und Hohenzollern e.V. 2006.
Die Kelten. Kunst, Kultur und Kult. In: AID-Magazin 5-2012.