Prag NONSTOP
Drei Tage in der goldenen Stadt

Es war ein regnerischer Herbstmorgen, dieser 3. Oktober, an dem wir uns um 7 Uhr früh, oder wie Pit zu sagen pflegte "mitten in der Nacht", vor der Sternwarte zur Abfahrt trafen. Eine kleine Gruppe von knapp über 20 NAAlern machte sich dann mit einem ebenso kleinen Bus auf den Weg in Richtung Osten. Die Fahrt versprach interessant zu werden, da es sich schon auf dem Hinweg zeigt, dass wir wohl nicht die einzigen Deutschen an diesem Wochenende in der goldenen Stadt sein sollten. Als Vorhut wurde sicherheitshalber schon einmal unser Bundesaußenminister dort hingeschickt, der die Bedeutung Prags im Zusammenhang mit der deutschen Einheit feierte. Leider bekamen wir ihn nicht zu Gesicht. Nicht nur weil es uns eher weniger interessierte, sondern vor allem, weil wir schon am Grenzübergang Waidhaus über eine Stunde im Stau warten mussten. Wie gesagt, wir waren erstens nicht die einzigen, die unterwegs waren, und zweitens hatte man sinnigerweise an diesem Wochenende auch noch den Übergang Waldsassen dichtgemacht. Dies alles hat bei uns dennoch keine schlechte Stimmung aufkommen lassen, da es spätestens nach der Grenze immer wieder Interessantes und Lustiges zu sehen gab. Erwähnt seien nur die vielen kleinen Geschäfte rechts und links der Straße, die ihren Haupterwerb scheinbar mit dem Verkauf von Gartenzwergen machen. Neben den diversen rotbeleuchteten Übernachtungsmöglichkeiten, darf man die unzähligen Bistros nicht vergessen, die diesem Artikel auch durch die Beschriftung "NONSTOP" den Namen gaben. Einige von ihnen machten allerdings schon einen sehr geschlossenen Eindruck, andere übertrafen sich durch ihre Werbetafeln, indem sie scheinbar in sich Widersprüchliches wie "STOP - BISTRO - NONSTOP" verkündeten.

Besondere Aufmerksamkeit erregte dann Pilsen mit seinem riesigen Brauerei-Areal, welches nur so ungefähr erahnen lässt, wie viele Hektoliter Bier hier jährlich produziert werden. Nach einer weiteren Stunde erreichten wir nach einer kleinen Rundfahrt durch Prag schließlich das Hotel Poseidon, in dem wir die nächsten zwei Nächte zubringen sollten. Das Hotel selber war eine Jugendherberge und dementsprechend spartanisch eingerichtet. Die Unterbringung erfolgte in Doppelzimmern, wobei sich jeweils zwei Doppelzimmer eine Toilette und eine Dusche teilen mussten. Da wir aber froh waren, überhaupt noch Übernachtungsmöglichkeiten bekommen zu haben und es nur für zwei Nächte sein sollte, nahmen wir solche Dinge gelassen und amüsierten uns über die Merkwürdigkeiten der Sanitärinstallation, die eigenwillige Konstruktion des Aufzuges oder die Tatsache, dass die eine Hälfte dieses Gebäudes verfallen und nicht mehr benutzt wurde und das Gebäude gegenüber schon komplett abgerissen war.

Nach dem Abstellen der Koffer auf den ZImmern ging es im Eiltempo weiter in den 35 km vor Prag liegenden Ort Ondrejov, wo wir das Tschechische Institut für Astronomie besuchen wollten. Nachdem wir in dem im Wald abseitsliegenden und sich über einige Hektar erstreckenden Gelände angekommen waren, wurden wir auch bald - nach etwas Herumsuchen - vom Leiter des Instituts begrüßt. Er erzählte uns zunächst etwas über das Institut und seine Forschungsarbeiten im allgemeinen. Im weiteren wurden wir dann von einem Bereich in den anderen geführt und erfuhren von den jeweiligen Wissenschaftlern etwas über die Arbeit des Instituts in der Meteorforschung und Radioastronomie, sowie zur Mikrogravitation, Sonnenbeobachtung und Messungen zur Schwankung der Erdachse. Am beeindruckendsten war jedoch das große 2-Meter-Teleskop, das in einer riesigen 20 m durchmessenden Kuppel untergebracht war.

Nachdem wir dieses mehrstündige Programm und die lange Anfahrt bereits ohne einen kulinarischen Stopp hinter uns gebracht hatten, kehrten wir am Abend in einer kleinen Ortschaft zwischen Ondrejov und Prag in die örtliche Gaststätte ein. Die Betreiber dieser im amerikanischen Country-Stil eingerichteten Lokalität schienen anfänglich mit unserem plötzlichen Auftauchen etwas überfordert, aber nachdem wir uns auf ein paar Gerichte geeinigt hatten, verlief der restliche Abend dort sehr angenehm, sowohl für den Gaumen als auch für die Geldbörse. Gegen 22 Uhr trafen wir, nach einer kleinen Irrfahrt durch Prag - "irgendwie sieht hier alles gleich aus" -, wieder am Hotel ein. Einige versuchten dann noch vergeblich, eine Kneipe in der Umgebung zu finden, aber in den Außenbezirken klappt man anscheinend um 22 Uhr die Bürgersteige hoch.

Am nächsten Morgen bestiegen wir, mehr oder weniger ausgeschlafen, den Bus in Richtung Innenstadt, wo wir mit unserer deutschsprachigen Reisebegleitung, Marcela Kuetonova, einen Stadtbummel machen sollten. Zuerst sahen wir uns aber die eine oder andere Sehenswürdigkeit während der Fahrt aus dem Bus heraus an. Nur am Denkmal von Tycho Brahe und Johannes Kepler hielten wir für einen kleinen Fotostopp kurz an. Im Nachhinein gesehen hätten wir das aber besser lassen sollen. Denn kaum waren wir nach ca. 5 Minuten wieder eingestiegen und hatte der Busfahrer den Motor angelassen, stellte sich eine Polizeistreife vor uns quer und hinderte uns am Weiterfahren. Was war passiert? Die Stelle, an der wir standen, war zwar eine Linienbushaltestelle, aber sond war dort Halteverbot. Nachdem sich unser griechischer Busfahrer mit seinem südlichen Temperament, Eckehard Schmidt und Frau Kuetononova, die uns begleitete, länger mit den zwei Polizeibeamten auseinandergesetzt hatten, einigte man sich darauf, den Strafzettel an die deutsche Botschaft schicken zu lassen. An einer der vielen Moldau-Brücken begann dann unser angekündigter Stadtbummel, der uns im Eiltempo an so ziemlich allen Sehenswürdigkeiten der Prager Altstadt vorbeiführte. Aber nichtsdestotrotz war er sehr informativ und lohnenswert. Nach einem späten Mittagessen teilte sich die Gruppe, wobei es den einen Teil auf die Prager Burg und später auf die Volkssternwarte zog und den anderen zum Einkaufen in die Prager City, die sich im großen und ganzen um den Wenzelsplatz herum befindet. Im Hotel kamen wir am Abend gut bepackt mit landestypischen Mitbringseln, wie Karlsbader Obladen und dem höherprozentigen Becherovka, wieder an. Den Abend, der zur freien Verfügung stand, verbrachten wir wieder in der City, die man dank eines zwar gewöhnungsbedürftigen, aber schnellen U-Bahnnetzes gut erreichte - zumindest bis Mitternacht. Dort findet man zwischen den vielen Wechselstuben und Kioskbuden die unterschiedlichsten Restaurants und Gaststätten, von einfachen billigen Kneipen bis hin zu teuren und sehr edlen Absteigen. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass ein Drittel der Bevölkerung mit Geldwechselgeschäften den Unterhalt bestreitet und ein anderes Drittel mit kleinen 5 m x 5 m Kioskbuden. Die späte Heimfahrt zum Hotel, so gegen 2 Uhr, war nur noch mit einem Linienbus möglich, der dann, allerdings nur einmal die Stunde anstelle der U-Bahn fährt und entsprechen voll war - naja, wenigstens konnte man nicht mehr umfallen.

Der Sonntag begann, wie der Name schon sagt, mit strahlend blauem Himmel und viel Sonnenschein. Der Auszug aus dem Hotel gestaltete sich eher unproblematisch, bis auf die eine oder andere Toilette, die inzwischen ihren Geist aufgegeben hatte oder den Aufzug, der von mal zu mal langsamer zu fahren schien. Und wieder ging es quer durch die Stadt in Richtung des technischen Museums, vorbei an dem markanten Fernsehturm von Prag, der aussieht, als hätte jemand von oben angefangen zu bauen und jemand anderes von unten, wobei man sich leider nicht ganz in der Mitte getroffen hat. Das Museum wartete mit einer Ausstellung zur Geschichte der Astronomie auf uns, bot allerdings sonst wenig neues. Danach ging es weiter zum Planetarium. An Ziel angekommen stellten wir nach längerer Parkplatzsuche, zuerst einmal fest, dass im Planetarium eigentlich jetzt Mittagspause war und dass man unserer Ankunft nicht informiert war. Nach einigem hin und her erklärte sich ein junger Angestellter, der auch Englisch konnte, dazu bereit, uns ein spezielles Programm vorzuführen. Wir mussten uns nur etwas die Zeit in dem sehr schön eingerichteten Foyer des Gebäudes vertreiben, bis das Programm gewechselt war. Nach einer halben Stunde hatte er das einzige englischsprachige Programm eingerichtet und führte uns dies vor. Komisch war nur, dass zwar das Faltblatt auch auf Deutsch auslag, aber kein einziges deutschsprachiges Programm angeboten wurde. Nach einem sehr ausführlichen Mittagessen im Park Hotel machten wir uns auf den Weg in Richtung Heimat und kamen nach ca. eineinhalb Stunden Fahrt an der Grenze an, wo wir dann noch etwa zwei Stunden im Stau stehen und warten mußten. Wir wurden aber mit einem sternklaren Abendhimmel und der Sichtung eines großen Meteors während der restlichen Fahrt belohnt. Den Heimathafen, die Sternwarte, liefen wir gegen 21 Uhr an.

Besonders bedanken möchte ich mich an dieser Stelle nochmals bei Eckehard Schmidt, der die gesamte Reise so hervorragend organisiert hatte. Sogar aus dem fernen China scheute er keine Kosten und Mühen, damit alles so perfekt funktionieren konnte. Jedem, der nicht dabei war, kann ich nur sagen, er hat etwas verpasst.


Regiomontanusbote 1/1998, 11. Jahrgang, Seite 55 - 57