Astronomie und Weiße Nächte an der Newa
Finnland-Russland-Estland-Lettland 2011
Nach den außerordentlichen Veränderungen seit dem Fall des Eisernen Vorhanges ist der Osten
spannender und neuer denn je! Uns war freigestellt, welche Anreise gewählt wurde: Flug,
Auto, Schiff... ; nur die "Kernzeit", d.h. die Tage vom 22. bis 26.6. 2011, mussten eingehalten werden, damit wir in
Sankt Petersburg die Besichtigungen als geschlossene Gruppe gemeinsam hatten. Hier der Reisebericht
von Zweien, die das Auto als Anreisemittel wählten.
Deutschland - Finnland: Reisetagebuch 18.-21. Juni 2011
An einem Samstag beginnt das Zahlenlotto von Nürnberg aus: A6, A9, A10, A24 und A19 nach Rostock-Überseehafen.
Gemächlich mit ca. 32 Stundenkilometern zuckelten wir 29 Stunden lang auf der Superfast VII
über die Ostsee nach Helsinki. Es ist Ferienzeit, die Einheimischen sind weg, die Touristen da.
Wir staunen über die vielen asiatische Gesichtszüge, die uns begegnen. Unser astronomisches Programm kennen
wir: die historisch gewordene Sternwarte, ehemals mitgestaltet von Argelander, und der Sternwartenturm an der Uferpromenade
betrieben von Ursa, den finnischen Amateurastronomen. Nach Besuchen einiger touristischer Höhepunkte wie
die Felskirche und den Dom fahren wir weiter und übernachten in Lappeenranta. Nur noch knapp 30 Kilometer bis zur
russischen Grenze.
- Von Links: Nur noch Geschichte - die Sternwarte Helsinki
- Ursa - Sternwartenturm mit Sonnenprojektion
- Ursa - Sonnenbildprojektion wenige Minuten vor Mittag am Tag vor der Sommersonnenwende
Herausfordernde Grenzerfahrungen: Reisetagebuch 21.-26. Juni 2011
Sowohl bei der Einreise über den Grenzübergang Nuijamaa als auch bei der Ausreise über den Grenzübergang Ivangorod/Narva
standen wir fasst drei Stunden im Abfertigungsstau. Der größte Flaschenhals schien uns die geringe Anzahl der
Abfertigungsspuren zu sein, die dem modernen Verkehrsaufkommen nicht gewachsen sind. Die Grenzer selbst waren
höflich und hilfsbereit beim Ausfüllen, es sprach von ihnen mindestens einer deutsch oder englisch: "Wenn
man dran war", dauerte es höchstens zehn Minuten bis zum nächsten Bearbeitungsschritt. Und hier liegt
der zweite Flaschenhals begründet, die Bürokratie ist nicht geschrumpft: Russische Grenz-Erstlinge wie wir, staunten
nur über das Gewusel der aus ihren Autos springenden Einheimischen und Rennerei zu den Fensterchen in
den Bearbeitungshäuschen. Uns erschien es sehr geheimnisvoll, da nirgends der Grund und die Reihenfolge des Anstellens
und des Zettelausfüllens erklärt war. Am längsten dauerte noch die Datenerfassung des Autos, was so
akribisch erfolgte, dass ein Abtauchen des Autos (sprich Diebstahl) unmöglich schien, weil es intensiv
registriert wurde.
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Auferstehungskathedrale |
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Weiße Nacht an der Newa |
Dies Prinzip der totalen Erfassung aller Personen und Sachen, so wie wir es am Beispiel der Einreise erlebten,
scheint noch der Rest und Tradition der früheren sowjetischen Zeit zu entstammen. Parallel dazu entwickelt sich eine neue
Schicht mit allem Status eines westlichen Kapitalismus versehen. Während wir in Sankt Petersburg sehen, wie neuere
Straßenbahnen und Oberleitungsbusse eingesetzt sind, fahren diese noch immer auf der Basis der alten Straßenbahnschienen,
Gleisen, Busspuren und Schlagloch übersäten Straßen
- um politisch im Bild zu bleiben: Den schnell wachsenden Ansprüchen der eigenen Bevölkerung steht kein adäquates
Angebot gegenüber.
Auf der Sternwarte Pulkowo beklagten die Astronomen das geschwundene Interesse von Politik und Gesellschaft an
ihrer Arbeit und der daraus resultierenden mangelnden Unterstützung. Uns wurde auf der Sternwarte nur Geschichte
des Observatoriums aber kein neues Zukunftsprojekt vorgestellt.
- Von Links oben nach rechts unten: Sternwarte Pulkowo
- Gruppe mit Direktor Alexander Wladimirowitsch Stepanow (4. von links) - unterm Struve-Gemälde
- Grab von Friedrich Georg Wilhelm Struve (1793-1864)
- Gruppe mit Andrey Kryundel vorm schlossartigen Haupteingang der Säulenvorhalle
- Panoramafoto des Linsenfernrohrs im Refraktorbau
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Im Vergleich der letzten 20 Jahre fand in China ein großer Modernisierungswandel statt: Zwischen unserer ersten China-Reise 1993 und
der letzten zur totalen Sonnenfinsternis 2009 war ein Unterschied wie Tag und Nacht. Das Planetarium Peking und auch
die Sternwarte Xinglong bei Peking besaßen neueste Gerätschaften und weitere Zukunftsprojekte. Nichts vergleichbares gibt es von
Sankt Petersburger Astronomie zu melden.
Sternwarte Pulkowo am 25. Juni 2011
Die Kopie der Sternwarte Pulkowo wurde 1955 eingeweiht. Im Zweiten Weltkrieg verlief hier der Belagerungsring um
Sankt Petersburg und die Sternwarte erlitt Totalzerstörung. Die Deutschen brachten ein Astronomie-Kulturgut um, an dessen
Grundlagen sie selbst mitgearbeitet hatten. Gegründet durch Zar Nikolaus I. trug dieser den in Altona an der Elbe
geborenen Friedrich Georg Wilhelm Struve die Realisierung der Sternwarte an und berief ihn zu ihrem ersten Direktor.
Die im 2. Weltkrieg zerstörten Instrumente ließen sich nicht wiederherstellen. Noch nutzbare, gefundene Teile
fanden Einsatz in selbst gebauten Fernrohren. Historische Geräte wie das Meridianinstrument von Ertel aus München sind in
den Räumlichkeiten ausgestellt. In Vitrinen lagern Manuskripte, wertvolle Bücher und Instrumententeile. Gemälde zeigen die große
Vergangenheit der Sternwarte. Für die populären Führungen von Schulklassen und der Öffentlichkeit stehen Lehrmittel zur Verfügung.
Neben dem Sternwartengelände schließt sich der öffentliche Friedhof der Gemeinde Pulkowo an. Auf ihm sind auch viele
Astronomen begraben, u.a. Friedrich Georg Wilhelm Struve und seine Frau. Benachbarte Gräber zeigen auf den Grabsteinen Abbildungen
der Wirkungsstätten ihrer Verstorbenen.
Sehenswürdigkeiten Sankt Petersburg
Zu den Sehenswürdigkeiten zählten für uns auch die Grabstätten von Michael Lomonossow und Leonhard Euler.
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UNESCO-Weltkulturerbe-Stätten
"Unsere Liste" der besuchten UNESCO-Weltkulturerbe-Stätten auf der Reise:
- Historisches Stadtzentrum von Sankt Petersburg (1990)
- Altstadt von Tallin (1997)
- Altstadt von Riga (1997)
- Struvebogen (2005)