'Live On Tour' Reisebericht aus dem 'wilden Kaukasus' 2002

From:
To:
Date: Fri, 18 Oct 2002 12:00:31 +0200
----------------------------------

Lieber Eckehard,

jetzt haben wir schon denn größten Teil unserer Reise hinter uns und fast alles ist nach Plan verlaufen.

Aserbaidschan hat nur mit der Hauptstadt Baku und den umliegenden Ölfeldern beeindruckt, die Astronomie, die wir in Pirgulu (auch zur Nachtbeobachtung mit einem 60cm-Spiegel) suchten, war in einem kläglichen Zustand. Das Land selbst (außer Baku) scheint in einer (moslemischen?) Starre zu liegen. Nur mit Hilfe der Türken sind Aufbaumaßnahmen zu erkennen. Die Grenze zu Georgien erinnerte uns an die Grenze zwischen BRD und DDR. Wir mussten mit unserem Gepäck zu Fuß die Brücke über den Grenzfluss überschreiten. Auf der anderen Seite wurden wir sowohl freundlich begrüßt als auch von der dortigen Reiseleitung per Auto abgeholt. Wir waren während der einstündigen Abfertigung die einzigen Grenzgänger.

Georgien ist zwar ein armes aber freies Land und das spürt man. Die Menschen sind fröhlich und sehen mit Zuversicht in die Zukunft. Die Reiseleitung hat sich dort auch besser auf uns eingestellt. Wir haben einen ganzen Tag in der Akademie der Wissenschaften zugebracht und alles besichtigt und viel diskutiert. Auch einige Vorträge über neueste Forschungsprojekte wurden nur für uns gehalten. Ein Versuch für eine Nachtbeobachtung wurde in Abastumani (der Außenstation) gestartet aber die Gerätschaften versagten und stattdessen wurden uns Astronomen-Witze erzählt. Aber trotzdem hat der Besuch gelohnt. Wir haben den zu UDSSR-Zeit besten Interferenzfilter-Hersteller kennen gelernt und er hat uns eine Menge Sehenswertes gezeigt. Die Nacht haben wir in der Wohnung von zwei älteren Astronominnen verbracht. Die Fahrt zur Grenze von Armenien war heftig.

Man konnte oft nicht von einer Straße sprechen. Die Schlaglöcher waren deutlich in der Überzahl. Deshalb wurde meistens neben der Straßenführung gefahren. Wir hatten auch zur Vorsicht ein geländegängiges Militärfahrzeug für diese Reise aber auch dieses hatte manche Probleme. Da die Batterie sehr schwach war musste der Wagen durch Anschieben gestartet werden. An der Grenze waren die Verhältnisse weitaus entspannter. Mit etwas Schmiergeld konnte der Jeep sogar bis an die Armenische Seite der Grenze fahren und wir konnten das Gepäck von einem zum anderen Wagen umladen.

Armenien machte schon bald einen reicheren Eindruck. Wir wurden wie die Könige über gut geteerte Straßen mit einem 12-Sitzer-Bus in die Hauptstadt Jerewan transportiert. Unterwegs wurde uns schon erklärt, dass wir am nächsten Tag, an einem Sonntag, in der Sternwarte der Hauptstadt, in Burjakan, erwartet würden. Der Leiter der Sternwarte, der mich zu kennen glaubte, hatte nur wenig Zeit, denn er musste schon mittags auf die Reise zum 6-Meter-Spiegel nach Russland. Zuvor hat er aber noch ausführlich über seine Forschungsarbeit berichtet und uns dann ein Buch mit einer persönlichen Widmung überreicht. Wir wechselten das Zimmer und weiter ging es mit Kosmologie. Zum Mittag hatte der stellvertretende Leiter der Sternwarte für uns gekocht und wir verbrachten den Rest des Tages in der "Dienstwohnung" mit Essen und Trinken und Philosophieren. Eine Besichtigung der Akademie der Wissenschaften steht noch aus und eine Einladung in die Privatwohnung des Kosmologen und seiner Frau, auch Physikerin, nehmen wir morgen wahr.

Zwischenzeitlich waren wir im Süden des Landes und haben uns neben einigen Klöstern auch die Steinkreise angesehen. Die Entdeckung liegt erst einige Jahre zurück und es hat noch keine wissenschaftliche Grabung gegeben. Vom ersten Eindruck kann man nur wenig zur Funktion und Alter sagen. Eine Besonderheit der ca. 2 Meter hohen unregelmäßig geformten Steine ist oft eine Bohrung am oberen Rand von durchschnittlich 5 cm Durchmesser. Der weitere Reiseverlauf muss noch erlebt werden.

Durch unsere "Gruppengröße" sind auf dieser Reise natürlich Dinge möglich, die sonst unmöglich wären. Trotzdem bedauern wir oft, dass Du nicht dabei bist, denn wir sind uns beide sicher: das wäre was für Dich. Etwas Improvisation ist nötig, z.B. bei Stromausfall, oder wenn der Stöpsel in der Badewanne fehlt, aber gefährlich ist hier nichts. Auch gesundheitlich gibt es keine Probleme. Ich schreibe hier in Jerewan aber ich sende diese Mail voraussichtlich von Tiflis, wo ich auf einem Rechner des Reisebüros bereits mein Emailkonto installiert habe. Sigrid macht emsig Notizen, um später daraus einen Bericht zu fertigen. Ich hoffe, bis zum Adventstreffen einen Filmschnitt mit einer Auswahl der vielfältigen Eindrücke zu schaffen.

Bis zur Rückkehr in wenigen Tagen verbleiben wir

Sigrid und Klaus Meissen
Kaukasusreisende