Krakau zählt zu den interessantesten Städten Polens. Sie gilt als die "heimliche" Hauptstadt Polens.
Ihre Altstadt und der Wawel (die ehemalige Residenz der polnischen Könige) zählen zum Weltkulturerbe der
UNESCO. Die Bedeutung Krakaus liegt nicht in seiner Größe, sondern darin, dass hier die Wurzeln der
polnischen Nationalidentität liegen. Ein wenig davon spiegelt sich ebenso in der astronomischen Geschichte
der Stadt wieder.
Schon im Jahre 1000 wurde hier ein Bistum gegründet und 1098 wurde Krakau von König Kasimir dem
Erneuerer zur polnischen Hauptstadt ernannt. Über Jahrhunderte wurden in Krakau polnische Monarchen
gekrönt und begraben. Hier wurde die älteste Universität Polens gegründet, die die Stadt zum bedeutenden
Wissenschafts- und Kulturzentrum Osteuropas machten und an der Nicolaus Copernicus studierte.
Heute leben etwa 750000 Einwohner in Krakau. Viele historische Sehenswürdigkeiten und kulturelle
Veranstaltungen ziehen Gäste an, so dass dem Tourismus ein wichtiger Stellenwert zukommt.
Versuche, eine Sternwarte in Krakau zu gründen, gehen bis weit ins 18. Jahrhundert
zurück. 1749 entstand ein Programm zur astronomischen Forschung, das aber noch warten musste, da erst 1776 ein
Gebäude, eine Jesuiten-Villa mit Grundstück, zur Verfügung stand. Den Ausbau zur Sternwarte fasste
man 1780. Gelder standen ab 1784 zur Verfügung und Sniadecki wurde mit dem Aufbau der Sternwarte betraut.
Jan Sniadecki
Jan Sniadecki (1756-1830) war der hervorragendste polnische Astronom jener Zeit. Er studierte Mathematik
und Physik an der Krakauer Akademie und erhielt mit 19 Jahren den Titel Doktor der Philosophie. Im gleichen
Jahr begann er, Vorlesungen in Mathematik zuhalten.
Der Werteindruck der Postkarte zeigt Jan Sniadecki, links ist die Sternwarte Krakau abgebildet.
Der Sonderstempel ist Jan Baranowski (1800-1875) gewidmet, der die Werke von Copernicus übersetzte.
1780, als Sniadecki Kandidat für eine Professur an der Akademie war, wurde er nach Paris geschickt, um
seine Studien mathematischer und astronomischer Probleme unter Laplace und d'Alembert zu vertiefen. Kurz nach
seiner Rückkehr aus Frankreich erhielt er eine Professur für Mathematik und Astronomie in Krakau.
Während seiner akademischen Laufbahn brach Sniadecki mit akademischen Traditionen und setzte sich für
Reformen ein. Beispielsweise hielt er Vorlesungen in polnisch statt wie damals üblich in lateinisch.
Sniadecki ging wiederum ins Ausland und holte sich Anregungen bei französischen und englischen Sternwarten.
In England arbeitete er mehrere Wochen bei William Herschel.
Die Krakauer Sternwarte
Der Umbau der Villa, 1776, in eine Sternwarte war sehr teuer und brachte kein gutes Ergebnis. Das Gebäude
der Krakauer Sternwarte - es steht bis auf den heutigen Tag unverändert da - eignete sich von Beginn an nicht
für astronomische Zwecke. Der Hauptraum mit zwölf Fenstern war nach Sniadeckis Meinung eher fürs Tanzen als
für astronomische Beobachtungen geschaffen. Dennoch, die ersten Beobachtungen begannen 1791.
Die ersten Instrumente kamen vom Jesuitenkolleg in Posen: Ein Canviet Quadrant mit einem Radius von fast
einem Meter, ein kleines Linsenfernrohr und zwei Uhren. Aus dem Ausland ergänzte Sniadecki die Sammlung durch
einen Zwei-Zoll Meridiankreis und eine siderische Pendeluhr. Sniadecki stellte ein umfangreiches
Beobachtungsprogramm auf: Es enthielt die damals wichtigsten astronomischen Aktivitäten,
Beobachtungen neu entdeckter Himmelserscheinungen und Veränderliche Sterne.
Sniadecki arbeitete 30 Jahre an der Krakauer Sternwarte und versuchte, sein ehrgeiziges Forschungsprogramm
zu erfüllen. Politische Verhältnisse erschwerten jedoch die wissenschaftlichen Arbeiten. Nach der Teilung
Polens - Krakau wurde zuerst von Preußen und dann von Österreich besetzt - interessierten sich die fremden
Herrscher nicht für polnische Wissenschaft und Kultur. 1803 gab Sniadecki schließlich auf, verließ Krakau
für drei Jahre und nahm danach eine Stelle an der Akademie in Wilna an.
Während seiner Zeit in Krakau wurde Sniadecki als ausgezeichneter Beobachter bekannt, und die Sternwarte
erreichte europaweite Anerkennung. Seine Nachfolger Leski, Kodesch und J.J. Littrow, der später als Direktor
der Wiener Sternwarte bekannt wurde, konnten nicht verhindern, dass die astronomische Arbeit in den nächsten
zwanzig Jahren zurück ging.
1825 übernahm Maximilian Weisse (1798-1863) das Direktoriat. In Österreich geboren, hatte er in Wien
studiert und als Assistent an der Wiener Sternwarte gearbeitet. Unter seiner Leitung erhielt die Forschung
neuen Auftrieb. Er ergänzte die instrumentelle Ausrüstung durch moderne Geräte wie einen Utzschneider Refraktor
mit Objektivdurchmesser von 11,6 cm aus München (Merz und Mahler). Gemessene Positionen von Sternen, Planeten
und Kometen erschienen systematisch in den Astronomischen Nachrichten. Das Hauptwerk war ein zweibändiger
Sternkatalog, der neben eigenen Beobachtungen auch die von Bessel enthielt. Der Sternkatalog wurde berühmt
und diente als Basis für Struves Forschungen zur Stellarstatistik, veröffentlicht in seiner grundlegenden
Arbeit Etudes d'astronmie stellaire von 1847. Weisse blieb bis 1861 Direktor.
Weisses Nachfolger Franciszek Karlinksi (1830-1906) konnte leider nicht an die vergangenen Erfolge anknüpfen.
Die Beobachtungen erstarrten zu Routinearbeiten.
Auch der nächste Direktor, Maurycy Pius Rudzki (1862-1916), vermochte nicht, diese Situation zu ändern.
Tadeusz Banachiewicz
Tadeusz Banachiewicz (1882-1954) trat seinen Dienst 1919 an. Er war ein vielseitiger Wissenschaftler. Neben
seinen hervorragenden theoretischen Kenntnissen in der Himmelsmechanik verfügte er über ebenso gute
Beobachtungsfähigkeiten, die er während seiner Arbeiten in Kazan und Tartu gewonnen hatte. Seine Auffassung war,
dass eine Sternwarte zum Beobachten da sein sollte. Und so begann er, neue Beobachtungsprogramme zu erstellen und
die inzwischen zu Museumsstücken gewordenen Instrumente durch neue zu ersetzen.
Von Interesse ist, dass Banachiewicz die Idee vertrat, periodische Bedeckungen in Doppelsternsystemen seien
eine zeitliche Erscheinung, die unabhängig von der Erdumdrehung gelte. Obgleich seine Idee falsch zu sein schien,
war das Beobachtungsmaterial von großen wissenschaftlichen Wert.
Für die neuen Instrumente galt es, einen Standort zu finden, da die alte Sternwarte jetzt mitten in der Stadt lag.
Da es allen anderen polnischen Sternwarten ebenso erging, gelang es Banachieswicz, ein nationales
Astronomisches Institut zu organisieren, unabhängig von irgendeiner Universität und allen polnischen Astronomen
dienend.
1922 kam es zur Gründung einer Beobachtungsstation in Lysina, 912 m hoch und 30 km südöstlich von Krakau gelegen.
Auf Grnd fehlender Gelder konnte das dringend benötigte Projekt nicht beendet werden.
Nur gelegentlich besuchten Krakauer Astronomen für meteorologische und astronomische Beobachtungen die Außenstation.
Im Zweiten Weltkrieg wurde sie durch die deutschen Truppen total zerstört.
Neben der Beobachtung Veränderlicher Sterne mit einem Refraktor von 20,3 cm Durchmesser und einer Brennweite von
2,85 m galt Banachiewicz Interesse der Geodäsie, den Sonnenfinsternissen und theoretischen Arbeiten.
Für die Finsternisbeobachtung benutzte er ein von ihm selbst entwickeltes photographisches Instrument, einen
"Chronocinematographen". Die theoretischen Arbeiten beschäftigten sich mit der klassischen Himmelsmechanik und mit
der Anwendung der Matrixrechnung ("Krakowianow") auf verschiedene astronomische und geodätische Probleme.
Der Zweite Weltkrieg und die deutsche Besetzung brachten viele Einschränkungen.
Die Deutschen setzten als kommissarischen Leiter der polnischen Sternwarten Kurt Walter von der Berliner Universität ein.
Die Arbeit kam zum Erliegen.
Krakauer Astronomen setzten ihre Arbeit fort, hielten sie aber verborgen.
Banachiewicz kam für drei Monate ins Konzentrationslager Sachsenhausen.
Nach dem Krieg übernahm Banachiewicz wieder sein Amt und behielt es bis zu seinem Tod 1954.
Nachkriegszeit
Die Nachkriegszeit brachte große Veränderungen.
Es dauerte bis 1964, ehe eine neue Beobachtungsstation für neue Instrumente eröffnet werden konnte.
Sie liegt 12 km von der Stadt entfernt, 300 m hoch bei einer ehemaligen Festungsanlage - daher auch der Name Feste Skala.
Dort wird auch Radioastronomie betrieben: ein 7 m und ein 15 m Radioteleskop entstanden, letzteres im Selbstbau.
Quelle (Erstveröffentlichung):
Schmidt, Eckehard: Astronomie in Nürnbergs Partnerstädten: Krakau,
in Regiomontanusbote, 2/1993, Seite 3-6.