Die Europäische Südsternwarte in Chile
Sternschau in der Wüste
- Chile: Eldorado der Astronomen

Von Eckehard Schmidt
der Aufsatz erschien in "Kultur & Technik", Zeitschrift des Deutschen Museums in München, 4/2004, Seite 42-47


Um den Sternen näher zu sein, müssen die Astronomen in die Wüste gehen. Fern der Zivilisation liegen die größten Sternwarten dieser Welt auf Berggipfeln mitten in der chilenischen Atacama-Wüste.

Schon vor 40 Jahren entschied sich die "Europäische Organisation für astronomische Forschung in der südlichen Hemisphäre" (European Southern Observatory, ESO) dafür, ihre erste Sternwarte in Chile auf dem Berg La Silla zu errichten. Die Nachfolgesternwarte ging auf dem Berg Paranal in Betrieb. Mit ALMA, einem Radioteleskopprojekt bei San Pedro de Atacama, entsteht nun eine dritte Sternwarte.

Eldorado für Astronomen

Flott geht es von Antofagasta in Nordchile aus die ersten 50 Kilometer auf der berühmten Panamericana vorwärts. Danach endet die Straße in einer buckligen Piste. Salziges Meerwasser auf den Sandweg gesprüht, ergibt die landestypische Straßenbefestigung für Wüstengebiete. Sie hielt sogar den über 23 Tonnen schweren Transporten der empfindlichen 8,2 m-Teleskopspiegel im Schritttempo stand. Zwei Tage dauerte der Transport eines Spiegels.

Die Sternwarte ist nicht autark, alle Versorgungsgüter werden angeliefert. Wir überholen Tankfahrzeuge, die Wasser bringen und Diesel für die Aggregate zur Erzeugung der Elektrizität. So zieht sich die Straße wie eine unersetzliche Lebensader durch die Wüste.

Die Sternwartengebäude sind von weitem erkennbar. Im Tal beginnt wie aus dem Nichts eine Asphaltstraße und führt steil den Berg hoch. Im Eingangsbereich steht ein Dummy-Spiegel aus Beton, der gegossen wurde, um die technischen Einrichtungen mit entsprechenden Gewichtsbelastungen zu testen. Hier steht auch eine Aluminisierungsanlage, da die Verspiegelung nur eineinhalb Jahre hält: 13 g Aluminium für einen neuen Spiegelbelag. Das erinnert den Autor an das Jahr 1994, als er bei dem Spiegelhersteller Schott in Mainz auf einem 1:1-Holzmodell des Spiegels stand, während im Hintergrund der echte Spiegelguß abkühlte. Bei gut acht Metern Durchmesser und 53 qm ist locker Platz drauf für Spieler zweier Fußballmannschaften.

Um 30 m kappten die Bauarbeiter den Gipfel des Cerro Paranals und formten ein ovales Plateau. Hier in über 2600 m Höhe herrscht eine schöne Weitsicht, in Richtung Wüste. Der entgegengesetzte Blick, zum Meer, trifft auf eine Wolkendecke. An der Küste fließt der kalte Humboldtstrom und erzeugt eine wolkenreichen Inversionsschicht. Die darüber gelagerte Luft ist arm an Turbulenzen, klar und staubfrei. Bis in diese Schicht ragt der Gipfel des Paranal hinauf. An rund 330 Tagen im Jahr liegt der Paranal über den Wolken und bietet optimale Bedingungen für den Blick ins All.

Ein Geistesriese entsteht

Ein Sternwartengebäude reicht 30 m hoch und steht mit dem Teleskop in keinem mechanischen Zusammenhang, um Erschütterungen zu vermeiden. Seine gewaltigen Dimensionen im Inneren erinnern an Kathedralen. Ständig rauscht die Klimaanlage, statt normaler Kolbenkompressoren sind Turbo-Anlagen im Einsatz, um den Spiegel des Teleskops ständig zu kühlen und auf Nachttemperatur zu halten. Die Luft fließt frei über den Spiegel hinweg. Die Teleskope sind azimutal montiert, d.h. das Teleskop wird um zwei Achsen gedreht, um es einem Punkt am Himmel nachzuführen. Dadurch entfallen Gegengewichte wie bei Fernrohren mit traditioneller parallaktischer Montierung und das Sternwartengebäude konnte etwas kleiner sein.

Der Primärspiegel ist nur 17 cm dick und hat einen Durchmesser von 8,2 m. Sein Material verträgt eine gewisse Verformung. 150 computergesteuerte Unterstützungspunkte, sogenannte Aktuatoren an der Unterseite, halten ihn immer in einer optimalen Form. Diese "aktive Optik" ermöglicht eine leichte und preiswerte Bauweise im Vergleich zu traditionellen, sehr viel schwereren, aber kleineren Spiegeln.

Ein zweiter Spiegel am oberen Ende des Teleskops, Sekundärspiegel genannt, besitzt einen Durchmesser von 1,1 m und reflektiert das Licht zu weiteren Spiegeln. Sie sind unterschiedlich einstellbar, wie der Umlenkspiegel, der das Licht entweder rechts oder links aus dem Teleskop heraus zu den Auswertungsinstrumenten im Nasmyth- oder Coudé-Foki leitet. Bevor das Licht in die Auswerteinstrumente gelangt, analysiert ein Computer das Sternenbild und verformt mit Hilfe kleiner Stoßgeräte im Hundertstelsekundentakt die Oberfläche des adaptiven Spiegels, bis die Luftunruhe ausgeglichen ist. Es entsteht eine ebene Welle und das Sternenlicht kann ungestört verarbeitet werden.

Eine Vielzahl von Forschungsprojekten nutzt jeweils nur eines der vier Teleskope. Doch "4 x 8 = 16 & mehr " ist machbar und bezieht sich auf das Zauberwort Interferometrie. Dies erklärt, warum 4 mal 8 gleich 16 ist. Auf dem Paranal wird durch das Bündeln der aufgefangenen Lichtstrahlen aller vier Teleskope in einem gemeinsamen Brennpunkt die Leistung eines 16-m-Spiegels, das sogenannte Very Large Telescope (VLT), erreicht. In die Berechnung geht jeder Spiegel mit seinem Radius ein: 4 Teleskope mal 4-m-Radius gleich wie ein 16-m-Spiegel. Ein monolithischer 16-m-Spiegel wäre aufgrund von Gewichtsproblemen technisch problematisch.

Im Jahr 2002 gelang es erstmals einen Stern mit den vier der - bis zu 130 m voneinander entfernt stehenden - Teleskopen gleichzeitig zu beobachten. Diese sogenannte optische Interferometrie verlangt absolute Genauigkeit beim Ausgleichen von Wegdifferenzen der Lichtstrahlen. Denn: 1. Durch die Teleskopabstände legt das Sternlicht in jedem Teleskop einen unterschiedlich langen Lichtweg zurück. 2. Da sich die Erde während der Beobachtungszeit dreht, verändern sich die Lichtlaufwege zusätzlich. 3. Da die Sterne oft genug nicht im Zenit stehen, muss das Licht im äußeren linken Teleskop im Vergleich zum rechten einen längeren Weg zurücklegen.

Damit die Lichtwellen nun zum selben Zeitpunkt ankommen, schickt man die Lichter auf eine optische Verzögerungsstrecke (Warteschleife). Hilfsspiegel gleichen die Wegdifferenzen aus und verlängern oder verkürzen die Lichtwege künstlich. Dazu müssen sie mit Geschwindigkeiten von bis zu 5 mm/s fahren und sich mit einer Genauigkeit von 50 Nanometer bewegen. Diese Anlage besteht aus 25 Hilfsspiegeln von je 20 cm Durchmesser. Sie sind auf Wagen montiert und unterirdisch auf 120 Meter langen Schienen fahrbar angebracht.

Was mit vier 8,2-m-Teleskopen schon gelang, soll zukünftig erst recht mit der kompletten Interferometer-Anlage gelingen, die zur Zeit im Ausbau ist. Aus dem derzeit 16-m-Spiegel wird dann ein 200-m-Spiegel, wenn die vier kleinen 1,8 m Spiegel in Betrieb gegangen sein werden. Sie fahren auf Schienen mit 65 m Basislänge. Im Frühjahr 2004 wurde das erste von ihnen auf den Paranal transportiert.

Kopernikanische Sprünge

Was gibt es von Chile aus so Interessantes zu sehen, dass die Sternwarte mit hohem finanziellen Aufwand auf der Südhalbkugel gebaut wurde? Vor rund 50 Jahren standen nahezu alle großen Sternwarten in der nördlichen Hemisphäre, die andere Hälfte des Himmels war wenig erforscht. Das Zentrum unserer Milchstraße, die Galaxie, in der wir leben, ist nur von der Südhalbkugel aus beobachtbar. Da sich das astronomische Interesse mehr und mehr auf die Erforschung von Galaxien konzentrierte, mussten die südlichen Himmelsobjekte mit in die Forschung einbezogen werden. Diese Entscheidung der Europäer bewährte sich. Heutzutage können sie beispielsweise Schwarze Löcher in Galaxien und Quasaren von Chile aus erforschen, mit Instrumenten, die bei europäischen Standorten nie hätten leistungsgerecht eingesetzt werden können.

Neue extrasolare Planeten zu entdecken ist zu einem eigenen Forschungszweig geworden. Ihr Nachweis gelang bis jetzt nur indirekt, in Planung sind Vorhaben zur direkten Beobachtung.

Ein anderer Forschungszweig beschäftigt sich mit der Sternentstehung. Sterne entstehen im Inneren von Gas- und Staubnebeln, die aufgrund ihrer Dichte mit den klassischen Teleskopen nicht durchdrungen werden können. In den kalten Gas- und Staubwolken entstehen zunächst heiße Riesensterne, die nach relativ kurzer Zeit unter dem Druck der eigenen Schwerkraft kollabieren. Vorher aber heizen sie die Gas- und Staubwolke auf, die dadurch auseinandergetrieben wird. In den Wolkenwirbeln entstehen im Lauf von Jahrmillionen neue, masseärmere Sterne mit höherer Lebenserwartung. Astronomen sind daher auf längerwellige Infrarot-Bereiche angewiesen, um entsprechende Wärmewellen zu registrieren. Voraussetzung dazu ist eine trockene Luft wie sie in der Atacama herrscht.

Interessantes Himmelsobjekt

Viele der zusätzlichen Messinstrumente arbeiten in diesem Wellenlängenbereich wie beispielsweise CONICA (Coudé-Nah-Infrarot-Kamera), eine 500 kg schwere Kamera. Ihr empfindlicher Detektor besitzt eine adaptive Optik sowie die verwandte hochauflösende Speckle-Interferometrie. Die CONICA ist ein Gemeinschaftsprojekt des Max-Planck-Instituts für Extraterrestrische Physik (Garching), der ESO sowie des Max-Planck-Institut für Astronomie (Heidelberg). Erstes Zielobjekt der Kamera war am 29.11.2001 der offene Sternhaufen NGC 3603, in dem zahllose neu entstandene Sterne beobachtet wurden. CONICA ist jetzt die weltweit leistungsfähigste Infrarotkamera und übertrifft selbst das Hubble-Space-Teleskop (HST). Als interessantes Himmelsobjekt am südlichen Sternenhimmel gilt der Stern Eta Carinae. Ein Riesenstern, der Kandidat für eine Supernova ist. Er würde so hell wie die Venus aufleuchten. Seine Leuchtkraft ist schon jetzt fünf Millionen Mal stärker als die unserer Sonne.

Keine Zeit für Idylle

Wie empfindet der Astronom die neue Sternwarte, das fragte ich den Astronomen Ralf Napiwotzki, der als Beobachter häufiger auf dem Paranal ist. Seine Antwort kommt nachdenklich überlegend, dass die neue Sternwarte selbstverständlich alles bietet, was dazu gehört wie Hotelanlage, gute Arbeitsmöglichkeiten, beste technische Ausstattung.

Ein Vorteil des Projektes ist, so erklärt Ralf Napiwotzki, dass er seine zu untersuchenden Himmelsobjekte auch während nur mäßiger Beobachtungsbedingungen wie Mondschein oder schlechter Sicht durchgeführen kann.

La Silla - wo Paranal erfunden wurde

Paranal "steht auf den Schultern von Riesen", d.h. an der Spitze einer Entwicklungslinie anderer berühmter historischer Sternwarten und selbstverständlich seines Vorgängers La Silla, rund 500 km südlich gelegen. Der Berg La Silla, übersetzt der Sattel, trägt viele verschieden große Sternwartenkuppeln und lässt von weitem die Bergspitze wie mit silbrigen Pilzen überzogen aussehen. Individualität scheint hier Triumpfe zu feiern.

Durch den Zusammenbruch der Forschung während des zweiten Weltkrieges suchten Astronomen seit 1945 neue Anfänge. Vorbildfunktion hatte CERN in Genf, eine neuartige Großforschungseinrichtung getragen von vielen Ländern. 1953 bildete sich ein internationales Komitee und letztendlich unterzeichneten fünf Staaten in Paris, 1962, die ESO-Konvention. Starthilfe gab die "Ford-Foundation" mit einer Million Dollar.

Die Suche nach einem geeigneten Standort für eine europäische Großsternwarte ist eine Geschichte für sich und zog sich über viele Jahre hin. Otto Heckmann schreibt in seinen persönlichen Erinnerungen, dass er letztlich auch nach Chile an die nordamerikanische Sternwarte Cerro Tololo (CTIO - Cerro Tololo Interamerican Observatory) kam, wo man der ESO einen Berggipfel neben ihrem Observatorium anbot. Doch die Entscheidung fiel damals für La Silla, rund 100 km Luftlinie nördlich von Tololo, 500 km Luftlinie von Paranal.

1970 begannen die Vorbereitungen für das große 3,6-m-Spiegelteleskop. Nach nur sechs Jahren gelang erfolgreich das "First Light". Entstanden war ein Teleskop mit klassischer Hufeisenmontierung. Insgesamt wiegt es 250 Tonnen, von denen 200 zur beweglichen Masse gehören. Seine Höhe beträgt rund 20 m, das Teleskopgebäude ist 43 m hoch und 30 m im Durchmesser. Es arbeitet im infraroten Lichtbereich. Dank optischer Fasern können 28 Sterne zur gleichen Zeit beobachtet werden - welch eine Zeitersparnis. Dieses Teleskop steht wie aufgebockt auf einem "Podest" von 20 m Höhe, dessen Zwischenraum von den Astronomen mit dem Spitznamen Kirche belegt wurde.

Im Angesicht des fertigen Teleskops kommentierte 1976 der Wissenschaftsjournalist Reiner Korbmann: "Mit der Fertigstellung der europäischen Südsternwarte scheint sich die Zeit der großen optischen Observatorien auf der Erde dem Ende zuzuneigen, sowohl in der nördlichen als auch in der südlichen Hemisphäre. Den erdgebundenen Sternwarten haftet das Manko an, dass sie die störende Lufthülle unseres Planeten durchdringen müssen. ... Die USA planen bereits ein großes Teleskop in der Erdumlaufbahn, das mit dem Raumtransporter "Space Shuttle" gestartet werden soll. Zur gleichen Zeit, als auf La Silla die letzten Schrauben des europäischen 3,6 m Teleskops der ESO festgedreht wurden, fällte der wissenschaftliche Rat der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA in Paris die Entscheidung, dass Europa sich an diesem Projekt der USA beteiligen will... Der Beobachtung des Weltraums aus dem Weltraum gehört die Zukunft der Astronomie." In DIE ZEIT, Nr. 47, 12. November 1976, S. 56.

Hier irrte sich der Kommentator. Neue Technologien ermöglichten eine neue Generation von erdgebundenen Teleskopen der 8 bis 10-m-Klasse, die das Space Telescope übertreffen. Der Spiegel erlebt eine Renaissance. Vor rund 30 Jahren waren diese Fortschritte nicht voraussehbar. Zum "Versuchskaninchen" wurde das NTT, das 3,5-m-New-Technology-Telescope. Ursprünglich sollte auch das VLT auf La Silla aufgestellt werden. Doch dann entschied sich die ESO für den besseren Standort auf dem Cerro Paranal.

Ohne Höhenangst

In 5000 m Höhe liegt das Gebiet des Altiplano. Überragt von Vulkanbergen, zu deren Füßen die Salzlagunen liegen, die nachts zufrieren und tagsüber wieder auftauen. Einzigartig ist der riesige See von Ujoni, dessen mächtige Salzschicht sogar noch Lastkraftwagen und Touristenbusse trägt, die weiterfahren, an der berühmten grünen Lagune vorbei, die bolivianische Grenze passieren und das chilenische San Pedro de Atacama erreichen. Dort ist der Ausgangspunkt für ein Besuch der dritten ESO-Sternwarte: ALMA, am 5600 m hohen Berg Chajnantor. Der Besucher ist unmittelbar eingebunden in diese großartige Landschaft und kann sich ihr nicht entziehen.

Sauerstoff gegen Höhenkrankheit

Im Konvoi fahren wir ab. Uns leitet der Bauingenieur Giuseppe Medves von der ESO, der an diesem Tag seine Apparate auf dem Baugelände von ALMA überprüfen will. Für jeden ist eine Sauerstoffflasche dabei. Falls die Höhenkrankheit auftritt, hilft ein mitfahrender Sanitäter, der von der ESO jedem Besucherkonvoi vorgeschrieben ist. Dass die Luft in dieser Höhe noch dünner ist als auf dem höchsten europäischen Gipfel Mont Blanc, 4807 m, merken wir beim Gang über die Baustelle von ALMA (Atacama Large Millimeter Array), dem Radioobservatorium in spe.

In der Höhe ist die Luftschicht noch trocken und die Radio-Submillimeterwellen werden besser durchgelassen als in der Tiefebene, wo der viele Wasserdampf in der Atmosphäre die Wellen absorbiert. Erfahrungen sammelten die Radioastronomen in La Silla, wo das SEST (Swedish-ESO-Submillimetre-Telescope) genannte Submillimeter-Radioteleskop mit 15 m Durchmesser steht.

ALMA besteht aus einem ganzen Feld von insgesamt 64 Spiegeln mit je 12 m Durchmesser. Jeder Spiegel für sich kann individuell verstellt und an einen anderen Standpunkt transportiert werden. Zu diesem Zweck hebt ein Kran das Teleskop an und setzt es am gewünschten Standort in vorbereitete Bodenhalterungen ein. Der Durchmesser des Feldes kann zwischen 150 m und 16 km variieren. Das ist ein weiterer Vorzug dieses Geländes, dass in 5000 m Höhe wirklich so viel ebene Fläche vorhanden ist. Durch Interferometrie sind die Teleskope zusammengeschaltet, je weiter sie auseinanderstehen umso höher ist die Auflösung.

Zur Zeit unseres Besuches, September 2003, ragen auf dem Gelände kleine Markierungsstangen mit beschrifteten Fahnen heraus, die die möglichen Standpunkte der Teleskope und die Fahrwege markieren. In Containern befinden sich die meteorologischen Messinstrumente, die schon seit Jahren hier oben stehen, um Langzeitaussagen über die Luftverhältnisse zu erhalten. Ein Radioteleskop, von Japan betrieben, sowie ein Prototyp des Radioteleskops (APEX) vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, stehen hier oben bereits zu Testzwecken. Im Jahr 2011 soll ALMA fertig sein.

Das Kontrollzentrum von ALMA, Operations Support Facility (OSF) entsteht in "nur" 2900 m Höhe, so hoch wie die Bergsternwarte Pic du Midi de Bigorre in den französischen Pyrenäen. Auf unserem Weg zum OSF begradigen und planieren Bauarbeiter den Weg. Am Rand der noch steinigen Piste stehen Kakteen mit einem auffälligen Bändchen markiert. Es handelt sich um Echiaopsi Atacamenus, eine schützenswerte endemische Art, die nicht zerstört werden darf. Die ESO engagierte einen Biologen/Archäologen, um die Auflagen der chilenischen Behörden nach schonendem und ökologischem Umgang mit der Natur zu erfüllen. Am Hang gibt es Spuren frühmenschlicher Siedlungen.

Am geplanten OSF angekommen werden gerade erst der Erdboden planiert und die ersten Betonpfosten in den Boden gerammt. Hier sollen einmal die Teleskope montiert und auf direktem Weg in die Hochebene transportiert werden.

Dieses Radioobservatorium soll vor allem helfen, die Entstehung entferntester Galaxien- und Sternentwicklung zu erforschen und damit noch unbekannte Vorgänge in den frühesten kosmischen Zeiten erhellen. Die fernsten Galaxien strahlen aufgrund der Rotverschiebung im Millimeterbereich wärmer, so dass ALMA hier weiter in die Jungzeit des Kosmos zurückblicken kann als optische Teleskope. Aufgrund des großen Auflösungsvermögens hoffen die Radioastronomen, direkt in die Quasare hineinsehen zu können und sogar die Gasbewegung um das Schwarze Loch zu messen. ALMA dient auch dem Studium der Emissionsstrahlung organischer Moleküle im interstellaren Raum sowie der chemischen Entwicklung des Kosmos.

Weitere Informationen: ESO