Die Pfälzer Eingeborenen

Die Indigenen der Palatina sprechen eine altertümliche Mundart, die nur schwer zu verstehen und kaum zu erlernen ist. Noch heute ist ihnen der mündliche Ausdruck wichtiger als die Schriftsprache, wohl ein gallisches Erbe. Häufig neigen sie zu Gesängen und Gedichten.

Förderlich hierfür ist ihre weit verbreitete Droge, die sie fast täglich konsumieren und für die sie große Anbauflächen verbrauchen. Sie nennen sie Woi.

In sogenannten Wingerte kultivieren sie die hierfür benötigten Pflanzen mit großem Aufwand. Beim Woi handelt es sich wohl um eine Art vergorenen Traubensaft, der rauschhafte Zustände herbeiführen kann. Den Gärgefäßen bringen die Eingeborenen eine kultische Verehrung entgegen, wie sich u.a. an übersteigert großen Holzfässern erkennen lässt.

Das Heidelberger Riesenfass (1. Fass 1591/ 2. Fass 1664/ 3. Fass 1728/ heute 4. Fass von 1751) fasst 221.000 Liter der Rauschdroge. Das kulturgeschichtlich jüngere Dürkheimer Riesenfass (Därgemer Fass 1934/ erweitert 1958) fasst 1,7 Millionen Liter, allerdings nur noch im übertragenen Sinne: In Dürkheim wird das Fass nicht mehr direkt mit Woi gefüllt, sondern bereits mit Eingeborenen, die sich dann mit dem Woi im Fass berauschen.

Ein prägnantes Beispiel stellt auch der ältere Speyerer Domnapf (um 1300/ 1490 erneuert) dar. Diese steinerne Weinschale fasst 1580 Liter Woi, steht unmittelbar vor einer christlichen Kathedrale und wird bei jeder Bischofswahl für das Volk gefüllt (zuletzt 2011). Auf der Inschrift von 1490 findet jedoch auch Bacchus (griechisch Dionysos) Erwähnung, ein antiker Gott des Weines, des Rausches, der Ekstase und der Fruchtbarkeit. Seine Beinamen lauteten Bakchos (Rufer) und Bromios (Lärmer), was auf lauten mündlichen Ausdruck hinweist, und Lyäos (Sorgenbrecher). Der Napf deutet auf eine ältere Kultstätte an dieser Stelle hin.

Vormittags verdünnen die Indigenen ihren Woi mit kohlesäurehaltigem Trinkwasser. Diese Mischung nennen sie Schorle. Sie benutzen die Schorle zur Flüssigkeitsaufnahme während ihrer zumeist bäuerlichen Tätigkeiten. Die kleinstmögliche Trinkeinheit nennen sie Schoppe (prämetrisch ca. 0,4 Liter/ seit 1872 metrisches Maß 0,5 Liter).

Den Schoppe konsumieren sie im Schoppeglas oder im Dubbeglas, das häufig nachgefüllt wird. Neben dem Woi verzehren die Eingeborenen täglich Weck, wohl mannigfaltige Getreideprodukte. Dazu essen sie sehr viel Worscht, tierische Produkte. Beliebt sind besonders Hausmacher, Lewwerworscht, Lewwerknädel und Saumache. Der Verzehr von Worscht mag in kultischem Zusammenhang mit der Einnahme von Woi stehen, denn um das Dürkheimer Riesenfass feiern die Pfälzer jährlich den Dürkheimer Wurstmarkt, nach eigener Aussage das größte Weinfest der Welt. Die Ursprünge dieses Festes sollen auf eine mittelalterliche Wallfahrt zu einem heiligen Berg zurückgehen (1155 Monte sancti Michaelis/ 1417 Michaelismarkt/ seit 1832 Wurstmarkt), sicherlich ließen sie sich aber noch sehr viel weiter zurückführen, wenn die Eingeborenen schriftliche Aufzeichnungen hinterlassen hätten.

Das Dubbeglas scheint auf mittelalterliche Glasformen zurückzugehen und zeugt vielleicht ebenso von einer Woi-Worscht-Verbindung, denn die sogenannten Dubben sollen angeblich das Glas in der fettigen Hand griffiger halten. Daneben gibt es auf dem Wurstmarkt einen Dubbeglas-Orden als Sammelobjekt.

Neben Weck, Worscht und Woi kennen die Pfälzer auch viele andere Agrarprodukte, die sie ebenfalls feiern.

Davon zeugen etwa die Spargelfeste (Asparagus), das Zwiwwelfescht, das Tabakfest oder das Grumbeerefescht. Am häufigsten sind aber die Weinfeste, Weinkerwe und Federweißefescht. Beim sogenannten Federweiße handelt es sich um einen unvollständig vergorenen Traubensaft (Traubenmost). Roter Rauscher und Bitzler nennen die Indigenen diese ungefilterte Vorstufe ihres heiligen Woi. Dieser Most hat bereits eine berauschende Wirkung und regt auch die Darmtätigkeit stark an. Verzehrt wird er mit Zwiwwelkuche (Teigware mit reichlich Zwiebeln), Saumache (kalorienreich gefülltem Schweinemagen) oder Käschte (Esskastanien/ Maronen). Fremden sei der Besuch von einem Federweißefescht nur bei guter Konstitution empfohlen.

Wilde Fruchtbarkeitsfeste feiern die Eingeborenen auch zur Mandelblüte, Rebenblüte und Kastanienblüte. Ein Fabelwesen der Indigenen ist die Elwetritsch, wohl eine Kreuzung aus Geflügel aus den Wingerte und Kobolden aus dem Wald. In diesem eierlegenden Fabelwesen vereinen sich somit die beiden Landschaftsgebiete, die die Pfälzer kennen, ihre kultivierten Anbauflächen (mit Hühnern, Rebhühnern, Enten u.a.) und den wilden Pfälzer Wald (mit Kobolden, Elfen, Riesen u.a.).

Leider sind die Pfälzer Eingeborenen heute vom Aussterben bedroht. Mit ihnen werden auch ihre seltsamen alten Bräuche und ihre altertümliche Mundart seltener. Noch können sich Forscher und Touristen aus aller Welt jedoch auf die häufigen Woifeschte begeben und die Reste dieser autochthonen Kultur bestaunen. ©Simone Neusüß 2013 (Fotos: Wikipedia)