15. Tag, Montag, 19. Juli
Adios, Atacama

Zeit zum Aufbruch

Zu einem Ausflug in die Umgebung reichte der Tag noch aus. Jenny zeigte uns die Schokoladenseite Antofagastas an der Küste. "Die Gegend der reichen Leute mit Villen und Parks hinter weißen Mauern auf der Bergseite; Privatschulen, Schönheitskliniken, im Meer Yachthäfen". Von unserem Radisson-Hotel aus südlich gelegen. Dann fuhren wir langsam wieder zurück und weiter in Richtung Norden nach La Portada, dem weißen Sandsteinfelsen, dem der Ozean ein Tor ausgespült hat, und dann zum Flughafen.

An der Portada waren wir auch zu unserer Henkersmahlzeit im Restaurant angemeldet.

Am Wegesrand ein Zigeunerlager - den Chilenen nicht geheuer und ein Dorn im Auge; die Besiedelung nimmt beängstigend zu, da es sich um Familien mit großer Kinderzahl handelt.

An dieser Stelle fällt mir nachträglich ein, dass die Andinos, also nicht die Zigeuner, ganz selbstverständlich seit eh und je Kokablätter kauen und sich damit in einen Rauschzustand versetzen - Kokain. So ist es selbstverständlich, dass hier Rauschgifte nicht so geahndet werden wie bei uns in Europa. "Alkohol ist auch Gift und macht nicht jeden gleich süchtig, wenn er ihn trinkt", packte Jenny das Thema an. (Mir fällt in diesem Zusammenhang ebenfalls ein, dass Babys auch früher bei uns mit einem Schnullersäckchen voll Mohn still gelegt wurden. Besonders auf dem Land, wenn die Frauen auf den Feldern arbeiteten und keine Zeit zum Babywiegen hatten). Zu diesem Thema etwas aus Wikipedia:

Das Kauen von Coca-Blättern ist in den Anden sowie im Tiefland des Gran Chaco seit Jahrhunderten verbreitet. Die Blätter werden als Genussmittel, als Nahrungsergänzungsmittel, für kultische und medizinische Zwecke genutzt. Sie helfen Hunger, Müdigkeit und Kälte zu verdrängen und sind sehr wirksam gegen die Höhenkrankheit, da sie die Sauerstoffaufnahme verbessern. Auch hatten die Cocablätter eine spirituelle Bedeutung. Die gekauten Blätter bilden, zusammen mit Kalk und anderen Hilfssubstanzen (zum Beispiel Pflanzenasche), eine sogenannte "bola".

Untersuchungen haben darüber hinaus gezeigt, dass beim Kauen von Coca-Blättern der von der Andenbevölkerung jeweils praktizierte Zusatz von Kalk das ursprünglich in den Blättern vorhandene Alkaloid Kokain durch alkalische Hydrolyse in das Alkaloid Ecgonin umwandelt, ein Alkaloid, dem jedes Suchtpotenzial fehlt. Diese Untersuchungen sind auch eine Erklärung dafür, dass die in den westlichen Ländern geübte Praxis, Kokain als Reinsubstanz zu sich zu nehmen, nach einiger Zeit fast immer Sucht erzeugt, während im Gegensatz dazu das Kauen von Coca-Blättern unter Zusatz von Kalk auch über lange Zeit bei der Andenbevölkerung keinerlei Abhängigkeit entstehen lässt.

Der Tee "Mate de Coca" ist in Peru und anderen Andenregionen National-Getränk. In Peru und Bolivien gibt es ihn, fertig in Teebeutel abgepackt, in vielen Supermärkten. Er enthält ca. 1g getrocknete Cocablätter pro Teebeutel. Seine Wirkung ist mit der von starkem Schwarztee oder Kaffee vergleichbar, außerdem hilft er gegen Magenbeschwerden. Sein Geschmack ist eher grasig ("grün") und leicht aminartig, aber nicht unangenehm. Körperliche bzw. psychische Beschwerden oder Abhängigkeiten - die über die von Kaffee oder Tee hinausgehen - werden im Allgemeinen nicht beobachtet. Die Verarbeitung der Cocablätter zu Tees wird in Peru sogar staatlich gefördert. Da die Teemischung Pflanzenteile der Coca-Pflanze enthält, unterliegt diese dem deutschen Betäubungsmittelgesetz, weshalb allein der Besitz oder die Einfuhr solcher Teebeutel strafbar ist.

Der Eroberer Gonzalo de Zárate, der im Auftrag von Karl III. von Spanien die koloniale Macht in Argentinien festigte, lobte den Effekt des Kokablatts: "Die Indios in den Minen können 36 Stunden unter Tag bleiben, ohne zu schlafen und zu essen". Die Kokasteuer wurde in der Folge zu einem wichtigen Pfeiler der kolonialen Herrschaft. Bis weit hinein ins 20. Jahrhundert blieb Koka ein unabdingbarer Lohnbestandteil der Indios und Mestizen in den Anden. Zum Politikum wurde das Kokablatt erst mit dem Übergreifen des kalten Krieges auf Südamerika. Bereits 1946 setzte die sowjetische Botschaft in Lima zu einer Kampagne gegen die "Drogensklaverei" skrupelloser US-Multis an. Auf Anstoß der Minengesellschaft Cerro de Pasco Copper Corporation parierte eine amerikanische Delegation vor den Vereinten Nationen die Attacke mit einer Belehrung über die Vorzüge der althergebrachten Kokasitte. Mittlerweile stehen die Nordamerikaner an vorderster Front im Krieg gegen den Kokastrauch, während die politische Linke im Kokablatt ein Opfer des Kulturimperialismus entdeckt hat.

Der Anbau von Erythroxylum coca durch die Cocaleros, die Cocabauern, ist in den Andenländern nur in bestimmten Mengen legal, die Weiterverarbeitung der Blätter zu Kokain oder seinen Vorprodukten ist streng verboten. Von 1988 bis 2006 galt in Bolivien das Gesetz 1008, welches eine jährliche Anbaufläche von 12.000 ha in der Yungas-Region bei La Paz für den traditionellen Gebrauch der Blätter erlaubt. Am 19. Dezember 2006 gab der bolivianische Präsident Evo Morales bekannt, dass er bis zum Jahr 2010 20.000 Hektar seines Landes für den Koka-Anbau zur Verfügung stellen will. Der Anbau auf den übrigen Flächen wird von der bolivianischen Regierung mit starker Unterstützung der USA bekämpft. Seit der Wahl Evo Morales' zum Präsidenten Boliviens im Dezember 2005 ist die Drogenpolitik der Regierung noch offen. Morales strebt eine Legalisierung des Cocablattes an, auch um die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten zum Beispiel für Zahnpasta, Shampoo etc. zuzulassen. Die Ausfuhr der Blätter ist bisher verboten. Ausnahmen bilden Exporte für pharmazeutische Firmen.

1859 gelang es Albert Niemann, Kokain aus den Pflanzen zu isolieren und dieses als schmerzbetäubendes Medikament zu gebrauchen. Kokain wurde im 20. Jahrhundert zu einer verbreiteten Droge. Gleichzeitig wurde der Coca-Anbau zum internationalen Politikum. Die USA machten auf viele lateinamerikanische Länder Druck, den Anbau zu verbieten und die Plantagen zu vernichten. In vielen Ländern führte dies zu einer Existenzbedrohung für die Coca-Bauern. Der Widerstand gegen diese Maßnahmen brachte unter anderem auch Politiker wie Evo Morales hervor, der vom Gewerkschaftsführer der Coca-Bauern zum Präsidenten Boliviens wurde.

Die Blätter werden entweder sofort oder nach kurzer Fermentation ge-trocknet. Bei der Fermentation werden Glykoside gespalten, die Droge entwickelt dabei einen süßlichen Geschmack. Das als weißliches Pulver bekannte Cocain(-Hydrochlorid) wird aus den frischen oder getrockneten Blättern durch Säure-Base-Extraktion und weitere chemische Aufarbeitung gewonnen.

Ursprünglich war die berauschende Wirkung des Cocas Mittel zur Auf-nahme von Kontakt mit übersinnlichen Mächten. Außerdem wurde es schon von den Indianern als schmerzheilendes Medikament genutzt.

Erythroxylum coca (Pflanzen und Pflanzenteile der zur Art Erythroxylum coca - einschließlich der Varietäten bolivianum, spruceanum und novogranatense - gehörenden Pflanzen) ist in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund seiner Aufführung in der Anlage 2 BtMG ein verkehrsfähiges, aber nicht verschreibungsfähiges Betäubungsmittel. Der Umgang ohne Erlaubnis ist grundsätzlich strafbar. Weitere Informationen sind im Hauptartikel Betäubungsmittelrecht in Deutschland zu finden.

Der Kokastrauch fällt unter das internationale Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel und den damit verbundenen Beschränkungen.


Anmerkung von Heinz: "Bis vor ca. 30 Jahren war bei uns die medizinische Anwendung von Cocainlösung als hervorragendes Lokalanästheticum erlaubt. Damit waren Eingriffe z. B. am Tommelfell oder in der Nase problemlos und schmerzfrei durchführbar und manche Narkose konnte sogar auch bei Kindern vermieden werden. Leider wurde es dann wegen der Missbrauchsgefahr strikt verboten."

Ein Thema, das eigentlich nicht zu unserer heiteren und gelassenen Stimmung passte. Aber vergessen sollte man es auch nicht, gerade hier in den Anden und Kordilleren.

Noch eine Linkskurve zum Meer. Viel Parkplatz, ein Ausflugsareal mit Restaurant.

Meine Henkersmahlzeit bestand aus Schwertfisch, und der war ausgesprochen gut.

Iwanowski:

Das Wahrzeichen der Stadt und der ganzen Region, La Portada, ein riesiges Felsentor, steht 16 km nördlich des Zentrums in der Brandung. Der Untergrund der Küstenfelsen besteht hier aus Vulkangestein aus dem Jura (150 Millionen Jahre alt), das sich vor etwa 3 Millionen Jahren absenkte und vom Meer überflutet wurde. Generationen von Muscheln, Schnecken und Schalentieren begannen sich abzulagern und wurden zu Gestein gepresst und verkittet. Die Brandungswellen erodierten das Gestein, bis schließlich das Felsentor von der Küste abgetrennt wurde und wie ein Monument im Wasser stehen blieb.



Es gibt einen kurzen Weg, der vom Kliff herunter an den Strand führt, baden sollte man hier nicht. La Portada ist ein guter Ort zum Vögelbeobachten: verschiedene Seevögel nutzen den Felsen und die Küste als Nistplätze, unter ihnen große Schwärme von Pelikanen.

Die Zeit drängte, schnell schnell schnell zum Flughafen Aeropuerto Internacional Cerro Moreno.

Adios,
Amigos, Andinos, Atacamanjos,
Atacama
!!!


Und schon düsten wir los, zurück zu unserem Ausgangspunkt, dem Flughafen Santiago de Chile.