13. Tag, Samstag, 17. Juli
ESO - Sternwarte auf dem Cerro Paranal

"Die Augen ins All ..."

Als Bauplatz mussten zunächst die riesigen Kuppen des Cerro abgetragen und planiert werden, um eine ebene Fläche von ca. 800 x 800 m zu schaffen.

Diesmal wurden wir hier unten an der Pforte erwartet und bald mit unserem Bus hoch in das Areal des Observatoriums gelotst.

Nicht nur ich war wie ein Flitzebogen gespannt.

Eiskalt pfiff der Wind hier oben.

In einem abgedunkelten Raum, ebenfalls eiskalt wegen der empfindlichen Instrumente, denen man keine Temperaturschwankungen zumuten kann, warteten wir auf unsere Führung und fotografierten währenddessen großformatige Abbildungen.

Wenigstens deren Farben wärmten zum Teil ein wenig auf. Dazu sollten wir den Flüssigkeitsverlust, bedingt durch die dünne Athmosphäre in dieser Höhe von ca. 3500 m, mit eiskaltem Trinkwasser ausgleichen. Brrrr... Heinz trank es mit eiskalter Miene.

Auf dem Fundament wurden die vier mit je 8,2 m Spiegeldurchmessern bestückten Teleskope mit aktiver Optik errichtet. Und zwar total erschütterungsfrei. Größte Ingenieurskunst war angesagt. Es wurden immer wieder neue Erfahrungen gesammelt, und ich möchte nicht wissen, was so alles ausprobiert wurde, bis ein Teleskop ein verzerrungsfreies, sozusagen "lupenreines" Bild aus dem All einfangen konnte. Mit Hilfe von unzähligen hydraulischen Stempelchen an der Spiegelrückseite werden auch die Bildstörungen durch die Erdathmosphäre computergesteuert annulliert. Unser Sohn Dirk arbeitete vor 10 Jahren in einem Ingenieurbüro in Friedrichshafen, dessen Chef damals die Schwingungsmessungen durchgeführt hatte, damit auch die Eigenfrequenzen der Instrumente ausgeglichen werden können.

Jedem Teleskop wurde ein Maputsche-Name zugeordnet. Sie heißen übersetzt:
Antu = Sonne Kueyen = Mond Melipal = Kreuz des Südens Yepun = Venus
Endlich traf unsere Führung ein.

Helm auf und los ging es, die Augen des Alls kennen zu lernen. Vorgeführt wurde uns das Teleskop "Venus".

Der eisige Wind ließ uns schnell ins Innere schlüpfen. Geheizt wird nicht; Innen- und Außentemperatur müssen übereinstimmen, damit auch keine Bildverzerrungen durch Temperaturschwankungen entstehen, daran wird ständig gemessen und angepasst.

Zum Schluss noch ein Klassenfoto ohne Rainer, er hat geknipst, dafür mit einer sich in gründlicher Observatoriums-Ausbildung befindlichen Jenny.


Aus: Das Kosmoshimmelsjahr 1995

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Linsen- und Spiegelteleskopen. Linsenfernrohre, auch Refraktoren genannt, erfordern den Durchgang des Lichtes durch das Objektiv. Der Glasblock, aus dem das Objektiv geschliffen wird, muss daher schlieren- und blasenfrei sein, was bei größeren Abmes-sungen immer schwieriger zu erfüllen wird. Mit wachsendem Linsendurchmesser steigt auch die Dicke und damit die Absorption, was den Lichtgewinn wieder beeinträchtigt. Hinzu kommt, dass ein Linsenobjektiv am Rande gefasst wird und sich bei größeren Dimensionen entsprechend der Fernrohrlage leicht durchbiegt. Bei Linsenteleskopen wird daher schnell eine technisch bedingte Obergrenze erreicht. Die Zeit der großen Refraktoren war Ende des letzten Jahrhunderts. Das bisher und wohl für alle Zukunft größte Linsenteleskop der Erde steht im YERKES-Observatorium in Williams Bay nahe Chicago. Sein Objektiv weist 102 cm Durchmesser und eine Brennweite von 18 m auf. Der gewaltige YERKES-Refraktor wurde 1897 in Betrieb genommen.

Spiegelteleskope, sogenannte Reflektoren, können wesentlich größere Objektivdurchmesser ereichen. Bei der Herstellung guter Spiegel muss nur die Spiegeloberfläche optisch wirksam werden und das einfallende Sternenlicht reflektieren. Aus dem Glasblock wird zunächst die Spiegelrohform herausgefräst, anschließend die Oberfläche geschliffen und schließlich poliert. Das Licht muss den Glaskörper nicht durchdringen. Außerdem kann der gesamte Spiegel an jeder Stelle unterstützt werden und nicht nur am Rande wie bei einem Linsenobjektiv.

Bei der Herstellung und Konstruktion von Großteleskopen wurden gewaltige technologische Fortschritte erzielt. Ein großer Sprung vorwärts gelang durch die Einführung der adaptiven und aktiven Optiken. Riesenteleskope baut man nicht mehr aus nur einem einzigen Spiegel, sondern aus einer Mehrzahl von Einzelspiegeln (MMT, Multiple-Mirror Telescope), die optisch zusammengeschaltet werden.

Während man früher ein großes Spiegelobjektiv möglichst dick herstellte, damit es starr und unverbiegbar stets die richtige Form behielt, geht man heute den entgegengesetzten Weg: Die Spiegel sind im Vergleich zu ihrem Durchmesser möglichst dünn und verformbar, also keineswegs starr. Der Hauptspiegel ruht auf beweglichen Stempeln (sogenannten Aktuatoren), die computergesteuert den elastischen Spiegelkörper in die jeweils optimale Form bringen. Je nach Lage des Spiegels beim Beobachtungsbetrieb treten unterschiedliche Gewichtsbelastungen auf, die registriert und automatisch ausgeglichen werden: Ein Computerprogramm ermittelt die Verschiebungen der Stellglieder mit hoher Geschwindigkeit und Genauigkeit und veranlasst die notwendigen Korrekturen. Auf diese Weise lassen sich auch Bildfehler wie sphärische Aberration, Astigmatismus und Koma ständig korrigieren. Ein solches Verfahren nennt man aktive Optik, weil die Spiegelform ständig den realen Beobachtungsbedingungen angepasst wird. Einen Schritt weiter geht die adaptive Optik. Sie berücksichtigt und korrigiert (zumindest teilweise) auch die Abbildungsbeeinträchtigungen durch Turbulenzen in der irdischen Atmosphäre. Aus dem Strahlengang wird durch einen Wellenfrontsensor ein Teil des Sternenlichtes analysiert, um die momentanen "Störungen" durch die Luftunruhe zu ermitteln. Die Ergebnisse werden von einem Computer verarbeitet, der entsprechende Befehle an die Stellglieder (Aktuatoren) gibt. Dabei wird nicht nur die Form des Hauptspiegels ständig korrigiert, sondern auch die Oberfläche des Fangspiegels optimal gewählt. Das wohl spekta-kulärste Projekt ist das Very Large Telescope (VLT) der ESO, das ebenfalls in Chile auf dem 2600 m hohen Cerro Paranal aufgestellt werden soll. Das VLT (also "sehr großes Teleskop") wird aus vier 8,20 Meter großen Spiegeln bestehen, die optisch gekoppelt einem Fernrohr von 16 Meter Öffnung entsprechen! Die einzelnen Spiegel werden nur 18 cm dünn sein und ebenfalls aktiver Optik gehorchen. Die ersten Spiegel sind bereits gegossen worden. Weitere Großteleskope sind in Planung, so dass um die Jahrtausendwende ein beachtliches Arsenal an Groß- und Riesenteleskopen zur Erforschung des Universums zur Verfügung stehen wird.

Ist es wirklich erforderlich, so viele teure Teleskope zu bauen? Es ist, besinnt man sich auf die conditio humana. Die Fähigkeit, das Universum zu erforschen, unterscheidet uns von allen anderen Lebewesen auf diesem Planeten.


Aus Kosmoshimmelsjahr 2000

Bei sehr großen Teleskopen treten eine Reihe von Problemen auf, die dem Bau noch größerer Instrumente Grenzen setzen. Astronomische Fernrohre werden üblicherweise parallaktisch aufgestellt, das bedeutet, eine Drehachse ist parallel zur Erdachse ausgerichtet und zeigt zum Himmelspol. Um diese sogenannte Stundenachse wird das Fernrohr der täglichen Himmelsdrehung "nachgeführt". Die Kompensation der Erddrehung kann bei dieser Konstruktion durch Drehung mit konstanter Winkelgeschwindigkeit erfolgen. Bei großen Teleskopen, bei denen die Glaskörper der Objektivspiegel immer dicker und schwerer werden, treten dabei erhebliche technische Schwierigkeiten auf. Überdies wachsen die Schlitzbauten der Teleskope, meistens Kuppeln, ins Gigantische. Hinzu kommt, dass bei großen Fernrohren die theoretische Auflösung längst nicht erreicht werden kann. Wir beobachten die Sterne vom Grunde des riesigen Luftozeans aus. Die turbulenten Luftschichten verhindern, dass wir die volle Auflösung eines großen Teleskops auch nur annähernd nutzen können ...

... Am I. März 1999 hat auch der zweite Spiegel sein erstes Licht gesehen, und bei der offiziellen Einweihung des VLT am 5. März 1999 wurden schließlich die Namen der vier Einzelteleskope bekanntgegeben: Antu [Sonne), Kueyen (Mond), Melipal [Kreuz des Südens) und Yepun (Sirius). Die Namen entstammen der Mapuche-Sprache der Einheimischen und wurden im Rahmen eines Schülerwettbewerbs innerhalb der 2. Region Chiles ausgewählt, in der der Cerro Paranal liegt.

Wenn alle vier VLT-Einheiten im Jahre 2002 in Betrieb sein werden, wird man ein Teleskopsystem mit einer optischen wirksamen Fläche eines 16-Meter-Teleskops zur Verfügung haben. Dies wird für die lichtsammelnde Wirkung gelten, nicht für die abbildende Optik. Allerdings wird mit drei zusätzlichen l.8-Meter-Hilfsteleskopen ein interferometrisches Auflösungsvermögen von wenigen Millibogensekunden erreicht werden, was einer virtuellen Teleskopöffnung von 200 m entspricht! Dies ist dann zehnmal besser als das Auflösungsvermögen des Hubble-Weltraumteleskops, das - ungestört von irdischen Luftturbulenzen in 500 Kilometer Höhe die Erde umkreist.

u.s.w. ...


Zurück von der Theorie zu Erlebtem:

Die Computerräume befinden sich in einem anderen Gebäude. Zunächst musste dieser geheimnisvolle Gang mit dicken Kabelsträngen durchlaufen werden, dann schlichen wir an einigen besetzten Büros vorbei; hier sitzen Wissenschaftler aus aller Herren Länder, die, nach präzisen Eingaben ihres Forschungsgebietes, für kurze Zeit einen Zeitraum zum Beobachten finden. Das sind aber Ausnahmen, denn dank Internet können die meisten Arbeiten an den Computern in den Heimatländern verrichtet werden z. B. von der deutschen ESO- Zentrale in Garching aus.

Dieser zur Zeit ungenützte Beobachtungsplatz durfte von uns besucht werden.

Wir kannten fast schon die Vokabel "Wärme" nicht mehr, da wurden wir in dieses glasüberdachte, mit Pool ausgestattete Hotelareal geführt.

Auch hier mussten wir uns leise verhalten, denn es wird tagsüber geschlafen und nachts geforscht. Forschungsarbeiten finden heutzutage fast ausschließlich an Computern statt, echtes Sternegucken ist fast nur noch Freizeitbeschäftigung. Auch für die Wissenschaftler.

Aber eine wunderschöne hier in der reinen Luft der Atacama oberhalb der Nebeldecke, die nur bis 800 über dem Meeresspiegel liegt.

In einem kleinen Erholungsgarten wurde uns ein Riesen-stein, ganz leicht, vorgestellt, diese Attrappe diente einst einem James-Bond-Film, der hier gedreht wurde.

Allmählich konnten wir den Rückweg antreten, uns Besuchern war alles gezeigt worden, was das Observatorium auf dem Cerro Panal vorzuweisen hat. Es war unglaublich beeindruckend, was menschlicher Geist hier Positives hervorbringt.

Zum Abschied oben auf dem abgeplatteten Berg noch ein Rundblick. Die Helme fanden wieder auf ihren Platz zurück. Mit Lotsen in ihrem kleinen Wagen vorweg fuhren wir bergab zur Pforte.

Die schnürlesgerade Straße führte uns zurück in die Stadt Antofagasta zurück ins Radisson, wo uns wohltuende Wärme umfing.

Nachtrag aus der Zeitung gescannt

Gigantisches Riesenauge blickt in die Sterne

RNZ 16. Oktober 2010

Es ist die bisher ehrgeizigste Herausforderung in der Geschichte der erdgebundenen Astronomie, doch vor etwa sechs Jahren beschloss die Europäischen Südsternwarte (ESO), sie anzugehen. Gebaut werden soll ein optisches Riesenteleskop, ein "European Extremely Large Telescope", kurz: E-ELT mit einem Spiegel von 30 bis 60 Metern Durchmesser. Nach Jahren intensiver Machbarkeitsstudien stehen nun die Chancen gut, dass ab 2019 tatsächlich ein gigantisches Fernrohr mit einem 42-Meter-Spiegel einen völlig neuen Einblick in die Geheimnisse des Universums gewähren wird.

Seinen Platz finden soll das E-ELT in Chile auf dem Cerro Armazones, einem knapp 3100 Meter hohen Berg in der Atacama-Wüste, nicht weit entfernt vom Standort des erfolgreichen "Very Large Telescope" (VLT). Doch im Vergleich zum E-ELT ist das VLT ein Zwerg. Als ELTs bezeichnen Astronomen die neue Generation von Großteles-kopen, deren Hauptspiegel mindestens 20 Meter Durchmesser hat - und damit die größ-ten heutigen Teleskope mit einem Spiegeldurchmesser von zehn Metern weit übertrifft. Da die Spiegelgröße die Bildschärfe und das Lichtsammelvermögen von Fernrohren bestimmt, eröffnen solche ELTs eine völlig neue Ära und das europäische E-ELT wird mit seinem 42-Meter-Spiegel das mit Abstand leistungsfähigste Teleskop dieser Art sein.

Deutsche Institute wollen ihre Erfahrungen beim Bau von Teleskopen besonders in die neuen Messinstrumente einbringen. "Zurzeit sind wir mit dem Max-Planck-Institut für Astronomie, dem Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik und der Universi-tätssternwarte München an den Studien für zwei Kameras und Spektrographen beteiligt, die eine adaptive Optik haben", erläuterte Thomas Henning, Direktor des Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg. Die neuen Instrumente mit den hübschen Namen "Metis" und "Micado" eröffnen den Astronomen ganz neue Möglichkeiten. "Micado" ist eine Kamera, deren verformbarer Spiegel die Verzerrungen ausgleicht, die das Licht der Sterne ständig streut, während "Metis" eine Kamera für den Infrarotbereich ist, die auch chemische Analysen durchführen kann. "Erst die entscheidenden Fortschritte bei Schlüsseltechnologien für den Bau von ELTs erlauben nun den Sprung in neue Dimensionen", so der Vorsitzende des Rats Deutscher Sternwarten (RDS), Matthias Steinmetz vom Astrophysikalischen Institut Potsdam.

Heraus ragende Entdeckungen der letzten Jahre führten zu Fragen, die ohne ein E-ELT nicht beantwortet werden können. Gibt es eine zweite Erde? Was ist die geheimnisvolle Dunkle Energie? Wann und wie sind die ersten Sterne und Galaxien entstanden? Deutsche Institute, darunter auch die Heidelberger, sind ganz wesentlich an der Erforschung dieser Fragen beteiligt.

Ohne Zweifel werde es mit dem E-ELT auch Entdeckungen geben, die jetzt noch nie-mand ahnen könne, glauben die Astronomen. Denn das Teleskop übertrifft mit seiner Lichtsammelfläche von fast 1400 Quadratmetern - das entspricht einer Fläche von mehr als fünf Tennisplätzen - die Leistungsfähigkeit der aktuellen Teleskope um fast das 30-Fache. Dabei wird der Hauptspiegel aus fast 1000 Einzelsegmenten zusammengesetzt sein und das Licht vom sichtbaren Bereich bis zum Nah infrarot über vier weitere Spie-gel schließlich in die komplexen Kameras und in die Messinstrumente leiten.

Schon jetzt kann man ahnen, dass der Bau dieses Teleskops auch industrielle Partner zu neuen technologischen Herausforderungen antreiben wird. "Auf der Jahrestagung unse-rer Astronomischen Gesellschaft in Bonn informierte der ESO-Projektleiter Roberto Gilmozzi die fast 400 Astronomen auch darüber, dass bereits Vereinbarungen mit Fir-men gerade auch in Deutschland getroffen worden sind", so der Präsident der Astronomischen Gesellschaft, Ralf-Jürgen Dettmar. Das E-ELT werde wie so manches astro-nomische Projekt zuvor auch den technologischen Fortschritt beflügeln. Es deute zurzeit alles darauf hin, dass das mit etwa einer Milliarde Euro Gesamtkosten veranschlagte Projekt wirklich in die Tat umgesetzt werde und auch der deutschen Astronomie ihren Platz in der astronomischen Spitzenforschung sichern werde, so Gilmozzi.