Flagge von Patagonien

Patagonien for three, eine Reise durch Südamerika

19. März bis 3. April 2016

ein Reisebericht von Joe T.

„Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon.“ Aurelius Augustinus

Es geht wieder los. Endlich! Endlich? Endlich! Seit einigen Tagen bin ich auch nicht mehr richtig in dieser Welt hier. Gedanklich bin ich schon weit, weit weg. In einem zweiten Leben wird die Welt mein zu Hause!

Patagonien, melodisches Wort, im Kopf und überhaupt. Es sind noch 6 Tage, 6 lange Tage und ich hoffe wir haben die Zeit dort uns auf die Natur einzulassen. Das sind diesmal auch die zwei Hauptziele: Patagonien als raue Landschaft zum beginnenden Südwinterhalbjahr, so nah wie möglichst an der Antarktis. Danach kann man nur noch zur Antarktis selbst hinfahren. Pinguine, Gletscher, Wind und Einsamkeit – na mal sehen. Und dann noch zum Abschluss die Atacama und ALMA.

Mit dieser Reise gibt es dann auch ein Jubiläum: 20 Jahre ist es her, seit ich etwas verstärkter durch diese Welt reise. Am 2. April 1996 bin ich mit Ecki zu meiner ersten großen Reise aufgebrochen und das auch noch nach Chile. Was für eine Zeit. Sechs Kontinente, eine immer größer werdende Familie, berufliche Höhen und auch Tiefen, und auch eine nie versagende Neugier auf das Kommende. Also vom jugendlichen Jungvater zum „gereifteren“ Großvater.

Und nun sitz ich hier in der Unendlichkeit, naja noch nicht ganz. Man ist in einem Flugzeug, hoch über den Wolken und genießt mehr oder weniger einen langen Reisetag, der immerhin fast 23 Stunden gedauert hat. Der Start in Tegel war dann auch schon kurios. Ferienbeginn in Berlin, das heißt viele werden reisen, und die erste Auskunft am Iberia-Schalter: Der Flug nach Madrid ist überbucht! Für 20 Personen, zu denen ich auch zählte, eine bange Wartezeit. Wir witzelten schon, ob sie noch einen Anhänger dranhängen werden, denn fast alle hatten einen Weiterflug nach Übersee oder so ähnlich. Alle kamen dann dennoch mit.

Madrid selber, ein Flughafen der langen Wege, ich brauchte anderthalb Stunden von einem Terminal zum anderen. Eben auch wegen der gern fliegenden Menschenmassen, es sollen ja wohl ca. 2 Millionen Menschen zur selben Stunde in der Luft sein weltweit. Unser großer Flug dauerte 12 Stunden, aber mit herrlichen Aussichten. Ein wenig Alpen (fast ganz Europa lag unter Wolken), die portugiesische Küstenlinie beim Überflug des Atlantiks, ein stark bewölkter Ozean mit herrlichen Wolkentürmen, Einflug über Brasilien, wo uns die Nacht dann einholte aber noch in der Dämmerung die Wolken von unten „Feuer“ fingen, also von unten beleuchtet wurden. Der Versuch ein Gewitter zu fotografieren ging schief und der Service an Bord war auch nicht der Beste. In Buenos Aires hatten wir eine kurze Übernachtung im Flughafenhotel. Ein Bier an der Bar, als Starter für die Reise und gleichzeitig als Schlaftrunk für eine kurze Nacht, welche durch eine Disco in der Nähe nur oberflächlich war. Es ging bis zum Wecken: Umfz..Umfz…uffs…Uffs..Uffs… na gut wir fliegen weiter. Um 6.25 Uhr Ortszeit ging es weiter nach Bariloche. Dort beginnen der Ecki, Klaus und ich unsere 14 Tage dauernde Erlebnistour nach Patagonien mit Gletschern, Pinguinen, Antarktisblick hin zu ALMA in der chilenischen Atacama. Yippie !!!!

Eine kurze Verschnaufpause und das erste Mal das Gefühl in einem fremden Land zu sein. Neue Eindrücke und das stärkere spanisch-argentinische Flair prägt sich hier ein. Bisher war alles Flugzeug oder Stadt und viele Menschen. Der Flug hierher war schon viel ruhiger, besonnener, ohne Hektik. Klar es war ein Inlandflug und der Flieger ziemlich leer. Und dann das Aussteigen in Bariloche am „International Airport“ – Provinzflugplatz, abenteuerlich alte Taxen und miese Straßen, halt „vom Winde verweht“. Aber die Landschaft trocken und exotisch schön. Bei der Einfahrt in Bariloche, welches immerhin 14 km vom Flugplatz entfernt liegt, eine andere Welt, welche sich aber auch erst so nach und nach entfaltete. Im Hotel „Zu den 3heiligen Königen“ waren wir noch zu früh dran. Klar, wer checkt schon früh um 9.00 Uhr ein? Daher hatten wir Zeit für eine Stadtbesichtigung bis 13.00 Uhr. Als wir ankamen war die Stadt so gut wie leer, war ja auch Sonntag. Aber sie wurde im Laufe der Zeit zum Schokoladen-Touristen-Städtchen (ist Bariloche wirklich). Ein gemütliches Frühstück in einem verspielten Cafe (an der Decke hingen bewegliche Spielzeugmobile), die Läden füllten sich, und am Hauptplatz das Denkmal des argentinischen Generals und Eroberers Roca, welcher in zwei Amtszeiten Präsident Argentiniens war. Die Sonne scheint bei Temperaturen um 20°C, in einer Höhe von 800 m steht man am Lago NahuelHuapi und man nennt die Gegend gern die Schweiz Argentiniens, was will man mehr!

Für den Nachmittag hatten wir uns einer mehr als dreistündigen Touristenfahrt durch den Naturpark angeschlossen. Es ging an verschieden feste Punkte. Zuerst fuhren wir mit einer Seilbahn auf den Cerro Campanario (1052 m). Es war ein offener Sessellift und für ungefähr eine Stunde konnten wir einen wirklich schönen, sonnigen Überblick über den Lago NH genießen.

Von dort ging es in einer Rundtour mit spanisch erzählten Details zur örtlichen Prominenz zu einem Einkaufspunkt (Hagebuttenöle und – salben) weiter zum „Alpenhof“-Panorama, das Hotel LlaoLlao, weiter durch eine Waldgewaltige Landschaft und irgendwann wieder zurück. Es war sehr warm mit 24°C, eben ein typisches Herbst-Winter-Feeling (?).

Nach einer erholsamen und ausgiebigen Nachtruhe hatten wir noch einen zweiten Tag vor Ort. Wir nutzten die Gelegenheit um mit einer Kabinenbahn auf den Cerro Otto (1405 m) zu fahren. Etwas mehr als zwei Stunden genossen wir den größeren Ausblick über den Lago, aber auch in Andenrichtung, also einen 360°-Blick. Es ist etwas frischer, windige 15°C, mehr bewölkt als sonnig, aber weiterhin schön. In der Giroteria konnten wir unseren „durchgedrehten“ Latte trinken. Nach drei Runden machten wir uns auf den Heimweg und nutzten den Rest des Tages individuell. Noch einmal das Stadttreiben beobachten, die Leute: Kalimba-Spieler, Artisten im Park oder die Jugend mit Freizeitaktivitäten auf den Straßen zu fotografieren. Was mir nicht viel genutzt hat, wie ich später noch einmal erwähnen werde.

Es geht weiter, wir fliegen nach El Calafate am Lago Argentino. Wir sind dem Ursprünglichem einer solchen Reise ein Stück nähergekommen. Wieder mit einem Inlandsflug, also gemütlich, kann ich unterwegs Super-Air-Pictures von Wolken, Landschaften und Gletschern machen. Dann am Flughafen – Eigenständigkeit: Wir holen unser erstes in Deutschland vorgebuchtes Auto ab. Damit fahren wir durch Landschaften, welche an Atacama in Chile, an Palmdale oder an Island erinnern, nur trockener. Der Lago Argentino leuchtet weit und bestimmt das Bild. Schon vom Flugzeug leuchtete er in Azurblau, hier am Boden erscheint er in einer Art Türkis und später beim Gletscher wechselt er zu einem milchigem Blassblau.

Das Hotel „Kosten Aike“, ein schönes Hotel, empfängt uns mit einem Drink und wir fahren sofort zum Moreno-Gletscher. Nach ungefähr 75 km, einem teuren Eintritt (pro Nase 18,- €), und einer kurzen Fußwanderung über einen stabil gebauten Metallgitterpfad, stehen wir vor der 60 m hohen Gletscherwand. Naja in doch 1 km Entfernung. Eine Stunde starren wir auf dieses Naturgebilde, bei teils heftigem Wind, und hoffen das für Foto und Film ein Stück vom Gletscher abbricht und mit Getöse in den Lago stürzt. Kleinere Teile (aus unserer Entfernung wirken 5 m-Teile klein) tun das auch, aber nicht so wirksam wie erhofft. Dennoch ist das alles gewaltig, farblich fantastisch und fesselnd. Das sollten wir auch die nächsten Tage machen - ein Wunsch von mir.

Wir sind ja nur zu dritt unterwegs, aber wir haben immer eine Menge Gesprächsstoff. Mit Klaus ist man sowieso immer am Fachsimpeln, und das nicht nur physikalisch. Dabei kommt es manchmal zu witzigen Wortschöpfungen. Zum Beispiel die handgemachten Exceltabellen oder eine „Wattwanderung“ zur Antarktis. Sollte man mal tun, oder?

Morgen früh (also am 24. März) ist Vollmond, er sieht jetzt schon phantastisch rund aus. Der heutige Tag war ein viele-Kilometer-Tag mit rund 540 km. Wir sind rauf nach El Chalten und wollten ursprünglich den Gletscher Viedma sehen. Das Wetter ließ aber keine optimale Fernsicht zu, wie Klaus unser Wetterfrosch auch vorhergesagt hatte. Der Chevrolet fährt uns durch viele Fotostopps und landschaftliche Einsamkeit auf Teerstraßen sehr leichtläufig. Für den weiteren Weg von Chalten zum Lago del Desertio ist er dann doch nicht ganz das richtige Auto. 37 km eigentlich einen „keine Straße-Weg“, aufgeschottert, schlammig, kurvenreich, manchmal sehr schmal und manchmal unter Flusslaufhöhe. Das Auto sieht nun sehr schmutzig aus. Fazit, die Landschaft war geil!

Auf der Rückfahrt wurde es dann schon dunkel und wir sahen den aufkommenden Erdschatten, besagten Vollmond, Jupiter, Kreuz des Südens, den in den Lago springenden Orion … und versuchten davon auch Fotos zu machen.

Pictures sind Momente des Augenblickes, also einzelne Sekundenbruchteile des Lebens. Da sind wohl 1500 nicht viel? Ich habe mich wohl heute selbst überholt, 500 Bildmomente an einem Tag. Es war aber auch ein motivheischender Tag heute. Der Tag fing schon „lustig“ an. Gegen 3.00 Uhr morgens fangen im Ort die Hunde an zu bellen - Vollmondtime. Woher wissen die das? Dann fahren wir bei herrlichster Morgendämmerung (Venus steht am Horizont) nach Punta Bandera.

Auf oder neben der Straße eine Menge überfahrener Hasen (sehr nachtaktive Tiere). Das kommt einen bekannt vor, von den Kängurus in Australien. In Punta Bandera einchecken auf das Katamaran-Boot „Quo Vadis“, was wieder eine Menge Geld kostet, zumal zum Schiffspreis wieder die Nationalparkgebühr dazu kommt. Wir wollten aber unbedingt auch wasserseitig gletschern.

Eine sehr windige Fahrt für mehr als fünf Stunden durch Teufelstore hin zum Upsala-Glacer und anschließend noch zum Spegazzini-Glacer. An Upsala konnten wir nicht so richtig ran, nur auf ca. 10 km Nähe. Dafür gab es sehr viele und superschöne Treibeisbrocken, also massig viele Fotos. Das Wasser hatte wieder alle möglichen Farbschattierungen und die Eisbrocken erst recht. Um den Hübschesten kurvten wir fast eine Stunde, magische Momente.

Und dann fahren wir bis auf 300 m an den 2. Gletscher heran, mit Eisabrüchen und Untereiswasserfällen. Wau! Hier kann man Stunden zubringen und zugucken und warten. Die Umgebung ist ebenfalls zauberhaft: grüne Berghänge unter 3000ern, kleine und große Gletscherzungen, Massiveis und vulkanisches Gestein. Eben der Kampf der Gegensätze. Und dazu 200 aufgeregte Leute welche umherquirlen auf dem Boot für den besten Blick und fotografieren, fotografieren… . Der kleine Rest des Tages war noch für individuelle Freizeit vorgesehen. So etwas wie Postkarten schreiben, Whirlpool-Besuch und bis zum Abend die letzten argentinischen Pesos ausgeben, denn ab morgen brauchen wir chilenische Peso.

Heute ist Karfreitag und man merkt es nicht, dabei ist man doch in einer katholischen Gegend, wir sind in Chile. Mit unserer 6stündigen Überlandbusfahrt haben wir uns auf 51° 43‘ 36‘‘ südlicher Breite der Antarktis weiter genähert. Wir sind in Berlin noch nördlicher, als hier südlich. Die Busfahrt ist auch nicht mehr das Abenteuerliche, wie anno dazumal. Ein voll komfortabler und schneller Bus. Es waren rund 300 km, gedauert hat das Tanken und der Grenzübertritt. Die Besetzung des Busses war wohl interessant (international). Bürger von New Zealand, aus den USA, aus Frankreich und eben Deutschland, aber wenig Einheimische. Landschaftlich haben wir uns am Anfang aus der Lago Argentino-Ebene hochgeschraubt, um dann ewig auf einer trockenen Hochebene zu fahren. Im Hintergrund die Anden, mal ein Schaf, eine Kuh, ein Alpaca, ein Emu. Erst mit der Nähe zu Chile ändert sich das Bild. Die Landschaft wurde „schottischer“: Rundhügel, feuchter, auch mal Wiese und mehr Tiere. Kurz vor der Grenze dann ein schmuddeliges Bergbaustädtchen, Rio Turbio.

An der Grenze erfolgt die Zeitumstellung, die Pesoumstellung, halt größere Zahlen. Es gibt einen ersten Blick vom Bergkamm auf Puerto Natales. Sah irgendwie ärmlich aus, wie aus der Pionierzeit. Na gut, Städte in dieser Gegend sind ja auch erst knapp 100 Jahre alt. Der zweite Blick gab dann auch mehr her. Es gab einen schönen zentralen Platz, eine lebendige Einkaufsstraße mit Banken und Restaurants. An der Uferpromenade tummelte sich ein sportlich-lebendiges Jungvolk. Im Hintergrund erschien schon der Torre del Paine-Nationalpark, welcher unser morgiges Ziel war. Der Eintritt nun schon 23,- € pro Nase, die Pizza, welche sehr lecker war, kostet hier auch 12,- €. Da kann man nur sagen: nur Norwegen ist teurer. Das Hotel hat hier einen Jugendherbergscharme mit eher kleinen (9 m2) Zimmern, die ohne Tisch, Schrank, Fernseher auskommen. Eben als Platz zum Schlafen geeignet. Aber es gab eine schöne Dachterrasse. Und das Wetter ist weiter nicht winterlich mit seinen bewölkten 16°C. Berlin hat dagegen verregnete 7°C, und das zu Ostern.

Keine Ahnung in welcher Zeit jetzt Europa lebt. Argentinien stellt wohl auf Winterzeit um, Chile nicht und in Europa rutscht man mit der Zeit vor. D.h. eine Stunde mehr oder weniger Unterschied, Klaus meint weniger. Ich werde mit ihm streiten und er hat wohl recht.

Den heutigen Tag haben wir im Nationalpark verbracht. Landschaftlich super, über 100 km Hinfahrt, zwischendurch die Höhle Cueva del Miledon. Eine aus der Gletscherschmelze heraus entstandene Höhle mit Urzeittieren. Und immer wieder geniale Farben. Schon der Sonnenaufgang am Hotel, ein super Feuer am Himmel. Dann hier wieder einen grauweißen Gletschersee. Die Wanderung zum Lockout auf den Grey-Gletscher war ziemlich anstrengend, weil auf einem 3 km Kiesweg ungeschützt ein stürmischer Wind blies. Leider war der Aussichtspunkt auch weite 10 km von der Gletscherwand entfernt, man hätte wieder mit einem Boot näher heranfahren können. Die Hängebrücke über den Rio Grey war dann auch zweimal ein zu überwindendes Abenteuer. Bei diesem stürmischen Wind war das ein zu lernender Balanceakt. Ein weiterer Schreckmoment: meine Datenbasis, sprich meine Foto-SD-Karte mit 1700 Bildern verschwindet nach einem Wechsel im Auto. Wir haben sie zwar wiedergefunden, aber wie sich später herausstellte, waren alle Daten nicht mehr lesbar. Auch in Deutschland konnte mir kein Datenrettungsdienst helfen. Diese einzigartigen Momente waren verloren, absolute Trauer (selbst heute noch). Und morgen gibt es das „urbi et orbi“ aus Rom.

Es ist Sonntag, es ist Ostern und es ist anscheinend egal. Hier wird gekauft, verkauft und gearbeitet. Vor allem ist das sichtbar im Straßenbau mit Markierungsarbeiten in der Stadt oder bei Planierungsarbeiten im Nationalpark. Es ist dennoch Ostersonntag. Wir merken das beim Abendbrot, weil wir zur Rechnung ein Schokoladenosterei bekommen.

Die Landschaft ist weiterhin der Wahnsinn. Jedes Mal aufs neue beeindruckt mich auf dieser Reise das Farbspiel. Heute besonders häufig die Regenbögen. Wir fahren gut 200 km durch den Nationalpark und sehen immer wieder wie hypnotisiert auf Gipfelgletscher und beim Salto Grande erwartet uns ein wunderbarer Wasserfall mit blassblauem bis grünem Gletscherwasser, mit Gischt-Regenbogen und einen missmutigen Steingnomen.

Außerdem kreuzen heute ständig Guanaco-Herden die Straßen. Obwohl es nachts geregnet hat, sind die Straßen weiter sehr staubig. Auf der Heckscheibe bilden sich Staubgletscher, und hinter jedem Auto bilden sich lange Staubfahnen. Uns geht es rundweg gut und morgen geht es schon weiter nach Punta Arenas, dem südlichsten Punkt unserer Reise.

Irgendwo im Nirgendwo, südlicher ging es für uns erst einmal nicht, nicht auf dieser Reise.

Dieser Tag ist auch unser einziger richtiger Regentag. Es sind von P. Natales nach P. Arenas rund 250 km auf einer gut ausgebauten Ruta 9. Man sollte bei dem geringen Verkehr ein wenig auf die Polizeikontrollen achten. Ansonsten kann man noch das Monumento del Viento (4 Pfähle als Windspiel) oder die Villa de Tehuelches begutachten. Es ist die Routa del Mondo, der Weg zum Ende der Welt. Der Besuch der Magellan-Pinguinkolonie am Seno de Otway war uns leider versperrt, wie feiern die etwa Ostern? Nein es gibt eine Schonsaison, und diese begann vor zwei Wochen. Pech für uns, und es ergab sich auch keine weitere Gelegenheit zu einem anderen Besuch. In Arenas suchten wir dann unser Hotel „La YoguaLoca“ auf. Ein sehr gediegenes kleines Hotel, bei dem jedes Zimmer thematisch gestaltet wurde.

Nun wollten wir es aber wissen, wie nah kommt man an die Antarktis von hier.

Schaffen wir es bis zum Leuchtturm „San Isidor“? Schon im Hotel erfahren wir das es mit dem Auto nicht geht. Der Rest wäre ein langer Fußmarsch. Wir fahren erst einmal die Straße bis Fuerte Bulnes. Eine alte spanische Festung wurde hier wieder nachgebaut. Dann wird es auch wegen dem Regen eine schlammige Sand-Kies-Piste. Geht ja noch, aber viele preschende und rutschende Lkw’s auf schmalem Wege engen das Vergnügen stark ein. Und daher irgendwo im nirgendwo beenden wir bei 53°41’11,52‘‘ Süd und 70°58’22,71‘‘ West unsere Südpirsch.

Wir sind noch ca. 1140 km von der Antarktis entfernt und sehen sie natürlich nicht. Winterlich ist es bei regnerischen 9°C auch nicht und keine Pinguine in der Magellan-Straße. Beim Abendbrot im Hotel stoßen wir mit einem Pisco an und sind zufrieden. Nur unser Auto sieht nach einer Wäsche aus. Ab jetzt geht es nach Norden. Die Stadt haben wir heute ausgiebig erkundet. Kirche 1 geschlossen, Museum geschlossen, öffentlichen Platz mit Magellan-Denkmal besuchen, Mittagspause, zur Strandpromenade schlendern, das Leben in Arenas pulst nun schneller, viele Schulen am Wege kurz besichtigt, Souvenirs kaufen, Kirche 2 offen, Kaffee trinken, Museum jetzt offen, das ist das Leben von Touristen. Nun sitzen wir am Flughafen und warten auf unseren Flug via Santiago nach Calama, so ca. 3500 km nördlicher gelegen. Übermüdet, Erdbeben, ALMA, Höhenkoller, Zufriedenheit, Stille … eine Menge Schlagworte, welche die letzten 48 Stunden beschreiben. Nach einer Flugübernachtung stehen wir am Flughafen in Calama und nehmen leicht übermüdet unser drittes Fahrzeug in Empfang. Wir fahren die 100 km bis San Pedro de Atacama, einem Ort der uns eigentlich bekannt ist, sich aber in den 6 Jahren stark verändert hat. Größer, lebendiger, touristischer. Bis zum Mittag versuchten wir auf verschiedene Art uns zu revitalisieren, das Hotel stand uns noch nicht ganz zur Verfügung. Also entspannte Ecki in der Lobby, ich versuchte ein Powernapping auf der Auto-Rückbank und Klaus hatte schon sein Zimmer. Ein Pisco und eine Suppe bauten uns dann weiter ein wenig auf. Ecki und ich fassten dann den Entschluss: Wir wollen ALMA von hinten sehen. Klaus wollte sich erst einmal weiter anpassen. Von „hinten“ heißt, es gibt eine Passstraße (die „27“) nach Bolivien hoch, und Ecki sagte er konnte 2003 von da aus die ALMA-Baustelle sehen. Das sind ca. 25-30 km, also ok. Ich war der Hinfahrer und nach 30 km kam der Abzweig nach Bolivien (Laguna Verde). Na, so ca. hinter der nächsten Rechtskurve muss es kommen. Wir waren bei 60 gefahrenen Kilometern, kein ALMA, aber wir setzen uns ein Limit (max. 100 km). Glück gehabt, bei km-Stand 70, in ca. 15 km Luftlinie sehe ich die Spiegel, bei 23,04683° Süd und 67,61341° West. Unsere Höhe beträgt ungefähr 4600 m. Also schauen wir von „hinten“ auf zu ALMA, das heißt Ziel erreicht. Die Luft ist schon ganz schön dünn, nur keine hektischen Bewegungen. Ecki fährt uns zurück, erst gemütlich, dann in einem rasanten „Wettrennen“ mit einem Laster. Eigentlich ist es eine steil abgehende Passstraße von 4800 m runter auf 2400 m bei San Pedro. Fast alle Lkw fahren das bremsend im 2. Gang, unser Lkw nicht, der fährt mit 100 km/h. Ecki wollte es wissen. Glücklich sind wir zum Abendbrot im Hotel, Klaus sagt nur wir haben den Höhenkoller. Wir sagen nichts und wollen nur noch ins Bett. Mir fällt bei der 5s-Einschlafphase nur noch die absolute Stille auf, kein Geräusch und … Tiefschlaf.

Und nun heute am letzten Märztag, bange Frage, wird ALMA uns willkommen heißen?

Ausgeschlafen, frisch geduscht und lecker gefrühstückt begann der Tag. Von dem Erdbeben in der Nacht, immerhin Stärke 4,7, hatte ich nichts mitbekommen, ich war ja im Tiefschlaf. Danilo schmunzelte später auf unsere Nachfrage nur und sagte:“Das war doch kein Earthquake, das war nur ein shaker!“ Jeder hat seine Ansichten. Wir machten uns also nach dem Frühstück auf den Weg zum Gate-house, dem Einlass von ALMA. Ein kurzes Telefonat mit Danilo (visit-organizer) und wir können alles für einen Besuch am morgigen Tag klären. Die Verständigung ist etwas umständlich, ich verstehe ihn gut, kann aber im englischen nicht so gut antworten, also hilft Ecki. Die nun gewonnene Zeit nutzen wir ein wenig zum quer-cruisen durch die Atacama. Wir fahren vorbei an einem sehr allein stehenden Baum, an Laguna Cejar, an der Astrofarm des Franzosen, welchen wir vor 6 Jahren besucht hatten. Die Farm ist reichhaltiger geworden, er war nur nicht da. Wir durchstreifen San Pedro, ein Ort der an Ursprünglichkeit verloren hat. Es wird sich an der Zahl der 2000 Atacamos nichts geändert haben, aber es gibt mehr Chilenen, die massig Hotels, Restaurants oder Traveltour’s betreiben. Und es gibt auch viel mehr von unsereins, also den ganz Fremden. ALMA in der Nähe animiert. Es gibt mittlerweile in den Hauptstraßen auch eine Straßenbeleuchtung. Eben kommen wir vom famosen Dinner zurück, und es ist schön wenn man bekommt, was man sich am Vorabend vorgestellt hat zu bekommen. Sprachbarrieren. Nun warten wir noch auf den Sonnenuntergang und wollen zu dem schon benannten einsamen Baum. Endlich wollen wir eine eigene klare Sternbeobachtung am südlichen Sternhimmel durchführen und uns wieder berauschen lassen, wie vor 20 Jahren bei La Silla. Das werden bestimmt auch geniale Fotos (ohne Stativ?). Ein Auto ist keine geeignete Unterlage, weil es einfach nie die richtige Ausrichtung hat, Verrenkungen pur, aber es waren zwei herrliche Stunden unter diesem phantastischen Himmelszelt.

Der 1. April 2016, und kein Scherz, wir stehen am Gate-house von ALMA und werden von Danilo empfangen. Er ist ein Chilene, ca. 30-35 Jahre alt, bergbegeistert und Ingenieur. Mit seinem sehr lebendigen Naturell wird seine 5-stündige Begleitung für uns sehr kurzweilig. Er begleitet uns und ein Pärchen vom Nationalpark-Komitee durch die Sicherheitsbelehrungen am Eingang. Wir fahren dann mit dem eigenen Auto zum OSF (operation support facility) in 18 km Entfernung und einer Höhe von 3000 m. Dort gibt es eine Besichtigung und die ärztliche Untersuchung. Für Klaus leider damit Endstation, bei mir reicht es knapp (Blutdruck: 140/83, Puls 106).

Dann geht es weiter mit Danilo als Fahrer und Guide hinauf auf 5050 m bei einer Entfernung von 25 km zum AOS (array operativ site). Die Ausrüstung besteht aus Wasser, Sauerstoff, Sonnenschutz und warmen Klamotten. Da oben waren in der Nacht -18°C, und jetzt gegen Mittag haben wir hier 0°C. Während der 45minütigen Auffahrt bekommen wir viele Informationen zu Kakteen, Picunas, zu den umliegenden Bergen und zur Entwicklung von Apex und ALMA. Danilo ist seit 2003 dabei. Unterwegs gab es schon einige Fotos, ab Apex wurde dann der Dauerauslöser gedrückt.

Da standen wir nun in über 5000 m Höhe, so hoch wie noch nie auf dieser Erde, sahen das beeindruckende Observatorium direkt vor uns. Nein wir waren ja mitten drin, nur nicht zu schnell bewegen. Nicht das man umkippt und etwas verpasst. Für eine halbe Stunde konnten wir ein wenig von dieser Technik erfassen, welche ja selbst erst unter solchen Bedingungen der Höhenlage erforscht werden musste.

Da war Danilo als Ingenieur genau der Richtige. 66 Parabolspiegel mit Abmaßen von 7 bis 12 m aus drei verschiedenen Nationen, welche über 192 Positionen verschoben werden können um einen maximalen Entfernungsdurchmesser zu erreichen. Diese können Mikrowellen in einem Bereich ab 45 GHz empfangen. Rechnerbedingt können derzeit nur 55 Stellen verlinkt werden, was die Funktionsmöglichkeiten einschränkt. Man ist hier auf absolutem Neuland. Wir suchen dann noch mit den Augen nach dem derzeit höchsten Teleskop auf dieser Erde, ein Infrarotteleskop. Es steht in 5600 m auf dem Cerro Chanjatonar von den Japanern vollautomatisch betrieben. Es sind hier aber schon weitere Teleskopanlagen geplant, ein Eldorado der Astronomie. Ab jetzt ging es wieder abwärts, aber auch dieser Blick in die weite Ebene war grandios. Beeindruckend fand ich, das man sogar unseren einzelnen Baum, von der nächtlichen Beobachtung, Entfernung betrug bestimmt 50 km Luftlinie, erkennen konnte. Was macht man nach solch einem Höhepunkt? Erst mal Happy sein, ausrollen. Ging ganz gut durch das allmähliche Herunterfahren in die Ebene. Wir hatten gleich früh aus dem Hotel ausgecheckt, mussten also ab hier nur noch Heimreisen. In Calama hatten wir noch Zeit uns diese etwas ärmlich wirkende Bergbaustädtchen anzuschauen. Hier in der Nähe war ja auch das Grubenunglück mit den überlebenden Bergleuten, was zum Stoff für einen Kinofilm wurde. Und jetzt schwebt man wieder zurück über den Atlantik, zurück nach Europa, zurück zu den Lieben.

Noch aus dem Flieger schrieb ich folgende SMS an meine Frau, als Art Fazit: „Südlichster Punkt - ok; höchster Punkt - ok; jetzt fehlt nur noch mein Lieblingspunkt - DU!“