Stefan Wotzlaw
Lessingstrasse 2
06844 Dessau
Russische Raumfahrt 2006
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Russische Raumfahrt-56 (Dezember 2006)

Russische Raumfahrtbilanz 2006

2006 startete Russland erfolgreich 25 Trägerraketen. Dabei gelangten 26 Satelliten in den Erdorbit. Einer dieser 26 Satelliten gelangte auf die falsche Umlaufbahn und konnte nicht genutzt werden. Eine 26.Rakete ging beim Start verloren und mit ihr 18 Satelliten.

Hinsichtlich der Zahl der Raketenstarts bleibt Russland damit weiterhin an der Weltspitze. Allerdings wurden die Pläne für 2006 nicht vollständig erfüllt. Es waren insgesamt 31 Raketenstarts angekündigt worden. Zum Vergleich: 2005 wurden 26 Raketen mit 36 Raumflugkörpern gestartet.

Zu den 26 Raketen des Jahres 2006 gehörten 11 Sojus, 6 Proton, zwei Dnepr und je eine Start-1, Schtil, Rockot, Kosmos, Zyklon-2 und Molnija-M. Das Samara Space Center hielt mit der Sojus seine Spitzenposition. Wichtigstes Ergebnis war die erfolgreiche Fortsetzung der Flugerprobung der Sojus-2 mit dem Erstflug der Sojus-2.1b. Insgesamt flogen 6 Sojus-U, 3 Sojus-2 (2x1a, 1x1b) und zwei Sojus-FG. Das erfolgreiche Modernisierungsprogramm der Sojus und ihr günstiger Preis sichern der 50 Jahre alten Rakete (die dienstälteste Rakete der Welt!) ihr Fortbestehen mindestens in den nächsten 10-15 Jahren.

Die Proton von Chrunitschew erreichte mit nur 6 Abschüssen eine der niedrigsten Zahlen ihrer Geschichte. Dazu kommt, dass eine Rakete ihren Auftrag nicht erfüllen konnte und die Nutzlast in die falsche Bahn brachte. 4 Raketen waren Proton-M und nur zwei das ältere Modell Proton-K. Die Produktion der Proton-K wird eingestellt, obwohl sie preisgünstiger als das M-Version ist. Lieferengpässe für Triebwerke und der Ausstieg von Lockheed Martin aus der Vermarktungsgesellschaft International Launch Services machen die Zukunft der Proton etwas ungewiss. Das Nachfolgemodell Angara wird frühestens in 4 Jahren zum Erstflug starten. Auf dem kommerziellen Sektor sind Zenit und Ariane starke Konkurrenten. Russische Firmen kaufen die Proton nur noch selten, weil sie sehr teuer ist.

Die Dnepr von Kosmotras flog nur zweimal statt wie ursprünglich geplant fünfmal. Schuld daran war vor allem der Fehlstart einer Dnepr im Juli 2006, der ein Startverbot und lange Verhandlungen zwischen Kasachstan und Russland über die Zahlungen von Kompensationen nach sich zog . Die Flüge werden erst 2007 wieder aufgenommen.

Alle anderen Raketentypen spielten nur eine untergeordnete Rolle. Die Zyklon-2 und die Molnija-M sind Auslaufmodelle. Die Start wird nur auf Anforderung in Einzelstücken gefertigt, ebenso die Kosmos. Die Schtil wird nur sehr selten genutzt (zu kleine Nutzlastabteilung) und die Rockot leidet unter Lieferengpässen von Oberstufentriebwerken und gilt als zu teuer im Vergleich zu anderen russischen Raketen der gleichen Leistungsklasse (Dnepr, Kosmos). Nach der Einführung der Vega wird außerdem die ESA, bislang Hauptkunde der Rockot, diese Rakete nicht mehr kaufen.

Russland verfügt derzeit über drei moderne Oberstufen, die ihre Nutzlast in die gewünschte Endbahn bringen und mit verschiedenen Raketentypen fliegen können: Block-DM von Energija, Bris von Chrunitschew und Fregat von Lawotschkin. Der Block-DM flog insgesamt 7mal, davon 5mal auf der Zenit-3SL (DM-SL) und 2mal mit der Proton (1xDM-3, 1x DM-2). Die Bris absolvierte fünf Einsätze, davon 4 mit der Proton und einen mit der Rockot. Allerdings versagte eine Bris, das erste Mal seit ihrem Erstflug 1990.

Von den 26 Raketen des Jahres 2006 waren 12 kommerziell, d.h. sie brachten Nutzlasten zahlender Kunden in den Orbit. Erstmals wurden ein kasachischer und ein weißrussischer Satellit befördert.

Der weißrussische Satellit erreichte allerdings die Umlaufbahn nicht und ein arabischer Satellit wurde im falschen Orbit abgesetzt. 8 Satelliten startete das russische Verteidigungsministerium zum Erhalt seiner Satellitenflotte, wovon 4 dual nutzbar sind, d.h. von militärischen und staatlichen Dienststellen gemeinsam genutzt werden.

Noch nie waren so viele russische Kosmodrome aktiv wie 2006. 17 Raketen starteten in Baikonur, 5 in Plessezk und je eine in Swobodnij, Jasnij und in der Barentsee von Bord des U-Bootes K-84.

Jasnij wurde zum ersten Mal als Startplatz für eine Weltraummission eingesetzt. 16 Raketenstarts wurden von Mannschaften der Raumfahrtbehörde Roskosmos durchgeführt, 8 durch Teams der Weltraumtruppen/Strategischen Raketentruppen und einer durch die Marine (Nordflotte).

2006 gelang es, das Erdbeobachtungssegment durch einen leistungsfähigen Satelliten der 1 m -Klasse zu vervollständigen. Die Militärs dagegen verfügen immer noch nur zeitweilig über Fotoaufklärungssatelliten, die zudem technologisch veraltet und aufwendig im Betrieb sind. Es fehlt weiterhin ein russischer Wettersatellit. Langsamer als gehofft wächst das Glonass-Navigationssystem.

2006 gelang es, einen lange angekündigten kleinen Forschungssatelliten zu starten, der allerdings erst nach einem halben Jahr unter großen Schwierigkeiten in Betrieb genommen worden konnte.

Die Beiträge zur Internationalen Raumstation wurden vollständig erfüllt. Ein Progress-Flug wurde auf 2007 verschoben, weil er nicht mehr in 2006 erforderlich war. Da der Shuttle jetzt wieder regelmäßig fliegt, leistet er die Grundversorgung der Station. Es sei aber daran erinnert, dass Russland drei Jahre völlig allein die Versorgung der ISS sicherstellte. Unklar ist, wann weitere russische Module zur ISS gestartet werden.

Eine Reihe von für 2006 angekündigten Missionen wurden verschoben oder nicht durchgeführt (ein Militärsatellit auf Zenit-2M, Meteor-M Nr.2 mit Sojus-2/Fregat, Progress M-59, Foton-M Nr.3, Kompass-3, Oko, Parus, Giove-B, Anik F3, AMC-14, TerraSAR-X, Egyptsat).

Erwähnt werden müssen auch fünf erfolgreiche Starts der ukrainisch-russischen Zenit-3SL im Auftrag von Sea Launch im Pazifik (die nicht als russische Starts gerechnet werden, obwohl Russland stark involviert ist) und zwei Einsätze des russischen Triebwerkes RD-180 mit der Atlas-V (darunter eine Mission zum Pluto). Nicht erfolgt ist der Einsatz des Triebwerkes KWD-1 von Chimmasch in der kryogenen Oberstufe der indischen Rakete GSLV, weil die Rakete zuvor abstürzte.

Sea Launch mausert sich immer mehr zu einer starken Konkurrenz für die Proton und die Ariane. Die Zenit ist sehr leistungsfähig und hat ein großes Wachstumspotential. 2007 könnte die Zahl der Zenit-Starts erstmals die Zahl der Proton-Starts übertreffen.

Measat - 3 gestartet

Am 12.12.2006 startete um 5.28 Uhr Ortszeit von der Rampe PU-39 (Platz 200) des kasachischen Kosmodroms Baikonur die Trägerrakete Proton-M Nr. 53521 mit der Oberstufe Bris-M Nr.88518 und dem malaysischen Nachrichtensatelliten Measat-3 (4765 kg). Die Mission im Auftrag der russischen-amerikanischen Vermarktungsgesellschaft International Launch Services verlief einwandfrei. Nach 9 Stunden und 12 min Flug und fünf Brennsequenzen der Oberstufe Bris-M Nr.18 wurde Measat-3 wie geplant in der geostationären Transferbahn 7367 - 35.793 km bei 16,5° Neigung abgesetzt. Aus dieser Bahn steigt Measat-3 aus eigener Kraft in den geostationären Orbit auf. Er wird bei 91,5° Ost stationiert. Measat-3 wurde bei Boeing gebaut und gehört zur Baureihe 601HP. Aus einer Position kann er rund 100 Länder mit Kommunikationsdienstleistungen, Internet und Video im C-Band versorgen. Wichtigste Aufgabe ist die Übertragung von direktstrahlendem Fernsehen im Ku-Band für Malaysia, Indonesien und Südasien. Betreiber des Satelliten ist die malaysische Measat Satellite Systems (früher: Binariang Satellite Systems).

Die Startvorbereitungen für den Satelliten und die Rakete in Baikonur verliefen planmäßig und pünktlich. Auch strenger Frost auf dem Startkomplex stellte kein Hindernis dar.

2006 hat ILS vier kommerzielle Proton-Missionen absolviert und damit die Startfrequenz der vergangenen Jahre gehalten. Die starke Konkurrenz (Arianespace, Sea Launch, United Launch Services) macht es allerdings zunehmend schwieriger, die Proton erfolgreich am Markt zu positionieren. Schwierigkeiten gibt es auch bei Zulieferern der Raketenbauteile aufgrund der niedrigen Produktionszahlen.

SAR-Lupe gestartet

Am 19.12.2006 startete um 17.00 Uhr Ortszeit vom Startkomplex 1 auf Platz 132 auf dem nordrussischen Kosmodrom Plessezk eine Rakete des Typs Kosmos 3M (Version 11K65M-SL). Sie brachte den deutschen Militärsatelliten SAR-Lupe in die vorgesehene polare Umlaufbahn in 500 km Höhe. Es war der erste Einsatz einer Kosmos 3M seit einem Jahr.

Insgesamt wurden fünf Kosmos-Raketen von Cosmos International Satellitenstart GmbH, einer Tochter der OHB System, bei Poljot in Omsk gekauft. Der Vertrag wurde 2003 über die staatliche Außenhandelsorganisation Rosoboronexport abgeschlossen. Die Raketen werden aus vorhandenen Einzelteilen neu aufgebaut. Gegenwärtig bereitet Poljot auch die Wiederaufnahme der Serienproduktion der Kosmos mit modernisierten Baugruppen vor. Poljot gehört seit einigen Wochen zum Chrunitschew-Konzern.

Mit SAR-Lupe startet Deutschland seinen ersten Militärsatelliten. Die Satelliten werden bei OHB in Bremen im Auftrag des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) Koblenz gebaut. Da es gegenwärtig keine geeignete europäische Trägerrakete gibt, kaufte OHB den russischen Kosmos-Träger. OHB arbeitet schon seit vielen Jahren eng mit der russischen Luft-und Raumfahrtfirma Poljot in Omsk zusammen. Die Kosmos setzte sich gegen die Konkurrenzangebote Rockot (Eurockot) und Dnepr (Kosmotras) durch. Amerikanische Träger wurden nicht erwogen, weil sie zu teuer sind.

SAR-Lupe ist 750 kg schwer und hat die Abmessungen 4 x 3 x 2 m. Da der Satellit über eine drei Meter große Parabolantenne verfügt, musste die Nutzlastverkleidung der Rakete modifiziert werden. Die neue Verkleidung wurde im Januar 2005 erfolgreich erprobt.

SAR-Lupe dient der militärischen Erdbeobachtung mit Hilfe der SAR (Synthetic Aperture Radar) - Technik. Gemeinsam mit dem französischen Helios-Satelliten verfügt Europa nun über eine eigene Satellitenaufklärungskomponente im sichtbaren, infraroten und Radarbereich. Damit sind Beobachtungen rund um die Uhr möglich. Die Bundeswehr betreibt in Gelsdorf bei Bonn ein Kontrollzentrum für SAR-Lupe.

Die russischen Militärs dürften den deutschen Radarspäher mit "feuchten Augen" in den Orbit geschossen haben. Ihre eigenen Radaraugen Arkon-2 und Kondor werden frühestens 2007 einsatzbereit sein. Nur die Amerikaner und möglicherweise die Chinesen verfügen gegenwärtig über vergleichbare Satelliten. Die Auflösung von SAR-Lupe (bei vollständig aufgebautem System) liegt bei einem Meter. 1998 begann die Bundeswehr, ihre Idee eines Radaraufklärers zu formulieren. 2001 schloss das BWB den Vertrag mit OHB in Höhe von 300 Millionen Euro. Der erste Start wurde für 2005 erwartet, verzögerte sich aber wegen technischer Probleme mit dem Satelliten um ein Jahr.

Meridian gestartet

Am 24.12.2006 startete um 11.43 Uhr Ortszeit von der Rampe PU-4 auf Platz 43 in Plessezk (Nordrussland, Gebiet Archangelsk) die Trägerrakete Sojus-2 Version 1a Nr.002 mit der Oberstufe Fregat und dem Nachrichtensatelliten Meridian. Nach 7 Stunden Flug wurde eine elliptische Umlaufbahn 1011 - 39.800 km bei 62,8° Neigung erreicht.

Die Mission war in mehrfacher Hinsicht eine Premiere. Erstmals wurde die Oberstufe Fregat in Plessezk eingesetzt. Meridian gilt als Nachfolger der alten Molnija-Satelliten (1965-2004).

Der Start war eigentlich schon für Ende 2005 angekündigt worden und sollte der zweite Start im Rahmen des Erprobungsprogrammes der Sojus-2 sein. Verschiedene Probleme führten dazu, dass statt dessen die dritte Sojus-2 mit dem europäischen MetOp-A im Oktober 2006 in Baikonur startete.

Meridian wurde erst am 10.11.2006 nach Plessezk ausgeliefert. Für die Mission wurde die Montagehalle auf Platz 43 vollständig saniert und mit neuen Ausrüstungen für die Fregat-Oberstufe komplettiert. Zunächst wurde der Start für den 8.12.2006 angekündigt. Die Vielzahl von Neuigkeiten führte dazu, dass die fertig montierte Rakete probeweise auf die Rampe gebracht, angeschlossen und durchgeprüft wurde. Danach kehrte sie noch einmal in die Montagehalle zurück. Mitte Dezember 2006 besuchte Präsident Putin Plessezk. Ihn wurden auch der Meridian-Satellit und die neue Sojus-2/Fregat-Kombination demonstriert.

Dann wurde es ernst. Am 19.12. wurde die Rakete auf die Rampe PU-4 gebracht und aufgerichtet. Der Start war am 22.12. geplant. Am 22.12. musste der Countdown abgebrochen werden. Es herrschten zu starke Höhewinde und zwischenzeitlich fiel die Stromversorgung am Startplatz aus. Zwar sprangen sofort Notstromaggregate an, aber die automatische Countdownüberwachung brach die Vorbereitungen ab. Ein weiterer Startversuch am 23.12. musste wegen einiger Probleme mit der Fregat, vermutlich auch im Softwarebereich, abgebrochen werden. Die Staatliche Kommission unter der Leitung vom General Popowkin persönlich (Chef der Weltraumstreitkräfte) entschied, Heiligabend einen dritten Startversuch zu wagen. Heiligabend hat für die Russen bekanntlich keine besondere Bedeutung, aber an einem Sonntag wird nur in Ausnahmefällen geschossen. Die Weltraumstreitkräfte hatten das Glück der Tüchtigen und die Rakete und ihre Oberstufe funktionierten einwandfrei. Nach zwei Zündungen der Fregat wurde die Übergangsbahn 278 - 39.801 km erreicht. Eine dritte Zündung erhöhte das Perigäum auf den geplanten Wert.

Die Sojus-2/Fregat ist der Nachfolger der veralteten Molnija-M. Diese Kombination kann eine Vielzahl von Orbits erreichen und ist auch für interplanetare Flüge geeignet. Die größere Nutzlastverkleidung und das digitale Lenksystem erlauben größere Nutzlasten und präzisere Bahnmanöver.

Meridian wurde bei NPO PM in Shelesnogorsk in Sibirien entwickelt und gebaut. Die Arbeiten an dem Molnija-Nachfolger begannen bereits 1978. An den Arbeiten ist auch die Firma Poljot aus Omsk beteiligt, die in Vergangenheit häufig die Serienproduktion von Satelliten der Shelesnogorsker übernommen hat. Nach Presseberichten war Meridian bereits 2001 weitgehend fertig, konnte aber nicht gestartet werden, weil kein Geld für die Rakete da war. Nach Gründung der Weltraumstreitkräfte änderte sich die finanzielle Situation der Militärs. Außerdem wurden Nutzlasten für das Erprobungsprogramm der Sojus-2 gesucht. Die zweite Sojus-2 sollte Meridian Ende 2005 in den Orbit tragen.

Der Satellit selbst dient vorwiegend der Kommunikation in den nördlichen Teilen Russlands, am Polarkreis, in Sibirien und im Fernen Osten. Er kann für feste und bewegliche Empfänger (Schiffe, Flugzeuge) eingesetzt werden. Der Satellit verfügt über einen kastenförmigen Druckkörper und drehbare Solarzellenflächen. Technisch entspricht er zwar nicht dem letzten Stand, stellt aber gegenüber den veralteten Molnija-Satelliten einen erheblichen Fortschritt dar. Meridian wird sowohl militärisch als auch zivil genutzt. Daher bekam er keine Kosmos-Nummer und es wurde relativ offen über seine Aufgabenstellung berichtet. Solche dual nutzbaren Satelliten werden auch im Bereich Navigation (Glonass) und Erdbeobachtung (Arkon, Resurs-DK, Monitor-E) benutzt.

Glonass-M gestartet

Am 26.12.2006 startete um 2.18 Uhr Ortszeit von der Rampe PU-24 auf Platz 81 in Baikonur (Kasachstan) die Trägerrakete Proton-K Nr.41015 (es wurde auch die Prod.Nr. 41019 genannt) mit der Oberstufe Block DM-2 Nr. 108L und drei Navigationssatelliten des Typs Glonass-M an Bord.

Nach dem Erreichen der Umlaufbahn wurden die Satelliten als Kosmos 2424, 2425 und 2426 bezeichnet. Das Trio wurde auch als Glonass-Block Nr.35, d.h. der 35.Raketenstart im Glonass-Programm seit 1982, bezeichnet.

Der Start gelang pünktlich und einwandfrei. Nach 4 Stunden und zwei Brennsequenzen der Oberstufe Block DM-2 Nr.108L wurde der geplante Orbit in 19.100 km Höhe bei 64,8° Neigung erreicht. Die ersten drei Stufen der Rakete und die Nutzlastverkleidung gingen in den Aufschlagzonen Nr. 148 (Gebiet Karaganda, Kasachstan), Nr. 150 (Gebiete Kustanai, Akmolinsk, Karaganda, Kasachstan) und Nr. 370 (Gebiet Tomsk, Russland) nieder.

Die Rakete wurde am 22.12.2006 bei strengem Frost auf die Rampe gebracht und aufgerichtet.

Genau ein Jahr zuvor war die letzte Glonass-Mission auf die gleiche Rampe gerollt worden.

Erstmals wurde drei Glonass-M gemeinsam gestartet. Bislang starteten ein oder zwei Exemplare gemeinsam mit den älteren Glonass-Satelliten, die nun nicht mehr gebaut werden. Seit 2003 wurden insgesamt 7 Glonass-M gestartet.

Glonass-M wiegt 1450 kg und soll 7 Jahren funktionieren. Die alten Glonass sind dagegen nur für drei Jahre ausgelegt, was den Ausbau des Navigationssystems immer wieder verzögert und verteuert hat.

Außerdem verbessert sich die Genauigkeit der Positionsbestimmung von 50-70 m auf 20 m (für zivile Nutzer). Insgesamt sollen 16 Glonass-M bei NPO PM gebaut werden.

Ohne die drei Neulinge sind gegenwärtig 11 Glonass-Satelliten aktiv. Dazu kommen 5 Satelliten in Reserve, die nur zeitweilig eingesetzt werden. Gegenwärtig sind zwei von drei Orbitschalen des Systems besetzt. Bis 2008 hofft man, das System auf 18 Satelliten auszubauen und damit die minimale operative Betriebsfähigkeit zu erreichen. Allerdings hängt das Bodensegment deutlich hinterher und der Verkauf von Glonass-Empfängern verläuft eher schleppend. Auch die Hoffnungen auf einen aktiven Einstieg Indiens in das Programm haben sich bislang nicht erfüllt. Für Außenstehende besteht der Eindruck eines eher politisch als wirtschaftlich motivierten Ausbau eines Navigationssatellitensystems, in das beträchtliche staatliche Mittel fließen und das die Ausbreitung des Marktführers GPS nach Russland verhindern soll.

Corot gestartet

Großer Jahresendspurt in der russischen Raumfahrt und ein großartiger Erfolg der europäisch-russischen Zusammenarbeit im Weltraum: die vierte Sojus-2-Rakete startete pünktlich und problemlos am 27.Dezember 2006. Innerhalb von 4 Tagen starteten damit Weihnachten 2006 drei russische Raketen von zwei Kosmodromen. Besonders eindrucksvoll: die neue Sojus-2 flog gleich zweimal, wobei einmal eine militärische und einmal eine zivile Startmannschaft ihre Leistungsfähigkeit demonstrierten. Und mit jedem Flug werden die Mannschaften besser: die erste beiden Raketen (November 2004 und Sommer/Herbst 2006) hatten noch etliche kleinere Probleme im Countdown und (für russische Verhältnisse unüblich ) zahlreiche Startverschiebungen und Pannen, aber schon die dritte Rakete brauchte nur 48 Stunden und drei Anläufe, um zu starten und die vierte startete absolut pünktlich.

Mit dem Start vom 27.12.2006 ist das Modernisierungsprogramm Sojus-2 (ursprünglich Rus genannt) vorläufig abgeschlossen. Es wurden demonstriert: bessere Triebwerke 1. und 2.Stufe (Sojus-FG), digitales Lenksystem (Sojus-2.1a), großvolumige Nutzlastverkleidung (Verkleidung ST), neue dritte Stufe (Sojus-2.1b) und die Universaloberstufe Fregat. Die maximale Nutzlast der Sojus-2 liegt bei mehr als 8 Tonnen. Alle Arten von Flugbahnen sind nun möglich, einschließlich geostationäre Transferbahn und interplanetare Missionen. Damit ist technisch alles klar für den Einsatz der Sojus in Kourou. Arianespace rechnet Ariane und Sojus schon jetzt gemeinsam und gab stolz bekannt, dass 2006 12 Satelliten mit 7 Raketen (5 Ariane 5, 2 Sojus-2) erfolgreich in den Orbit gebracht worden.

Für den Erstflug der Sojus-2.1b wurde eine Nutzlast gesucht. 2005 entschied sich die französische Raumfahrtbehörde CNES, ihren Astronomiesatelliten Corot der neuen Rakete anzuvertrauen. Die Vermarktungsfirma Starsem fädelte über Arianespace das Geschäft ein, bei dem schon mit dem ersten Flug der neuen Rakete Geld verdient wird. Der Start wurde für das 2.Quartal 2006 angekündigt.

Samara Space Center und Chimawtomatika aus Woronesh arbeiteten daraufhin fieberhaft am Abschluß der Prüfstandversuche der modernisierten dritten Stufe (Block-I) mit dem neuen Triebwerk RD-0124, an dem mehr als 10 Jahre gearbeitet wurde ! Das RD-0124 hat gegenüber dem 40 Jahre alten RD-0110 mehrere Vorteile: die Düsen sind schwenkbar, wodurch auf zusätzliche Steuerdüsen verzichtet werden kann und es arbeitet nach dem modernen geschlossenen Schema, wodurch ein höherer spezifischer Impuls erbracht wird. Geändert wurde auch die Konfiguration der Treibstofftanks. In der dritten Stufe untergebracht ist auch das digitale Lenksystem der Rakete.

Der französische Satellit Corot konnte erst am 15.11.2006 nach Baikonur ausgeliefert werden. Damit begannen die Startvorbereitungen für die Trägerrakete Sojus-2.1b Nr.001 und die Oberstufe Fregat Nr.1013. Als Nutzlastverkleidung wurde der Typ SL (Durchmesser 3,7 m Länge 8,45 m) verwendet, der mit Galaxy 14 2005 erstmals geflogen war. Der Start wurde zunächst für den 21.12. geplant und dann auf den 27.12. verschoben.

Im Morgengrauen des 24.12.2006, an dem Tag, an dem eine Sojus-2 in Plessezk startete, rollte die Sojus-2.1b Nr.001 mit Corot auf die Rampe PU-6 auf Platz 31 in Baikonur. 70 km entfernt wartete eine Proton auf ihren Einsatz anderthalb Tage vor der neuen Sojus. Am 27.12.2006 startete die Sojus-2.1b um 20.23 Uhr Ortszeit.

Nach dem erfolgreichen Abschuß flog die Rakete in nördliche Richtung, auf der gleichen Trasse, die für MetOp-A im Herbst 2006 gewählt worden war. Die vier Außenblöcke fielen in Zone Nr.120 im Gebiet Aktjubinsk/Kustanai in Kasachstan herunter. Für die zentrale erste Stufe, die Heckverkleidung des Block-I und die Nutzlastverkleidung SL wurde die Zone Nr.401 im Gebiet Perm/Swerdlowsk im Ural reserviert. Alle anderen Konstruktionselemente fielen in das Eismeer.

Die Fregat Nr.1013 brannte zweimal, um Corot nach 50 Minuten in einer polaren Kreisbahn in 896 km Höhe abzusetzen. Sie wurde ein drittes Mal gezündet, verbrannte ihren gesamten restlichen Treibstoff und verglühte nach zwei Stunden in der Atmosphäre - ein Beitrag zum Weltraum-Umweltschutz.

Aber was ist nun Corot, die kleine, aber feine Fracht der Sojus-2.1b? Corot ist die Abkürzung für " Convection, Rotation des etoiles et Transits des planetes extrasolaires ". Im Klartext geht es um die Suche nach extrasolaren Planeten. Da solche Planeten aufgrund ihrer gewaltigen Entfernung von uns kaum direkt zu sehen sind, greift man auf einen kleinen Trick zurück. Zieht ein Planet vor der Sternenscheibe seines Heimatgestirns vorbei, verursacht er ein leichtes Flimmern des Bildes, im Fachdeutsch als Sternenvibration bezeichnet. Diese stellare Seismologie ist messbar. Corot verfügt über ein 30 cm - Teleskop, das Sternenvibrationen erfassen kann. Außerdem kann die innere Struktur von Sternen besser erforscht werden. Man hofft, mit Hilfe von Corot auch erdähnliche Planeten zu finden. Die Idee für diese einmalige Mission kam der französischen CNES 1996. Vier Jahre später wurde das Projekt offiziell bestätigt. Die ESA, Österreich, Belgien, Deutschland, Spanien und Brasilien sind an Corot beteiligt, aber auch andere ESA-Mitglieder haben Forscherteams im Einsatz.

Der Satellit wurde bei Alcatel Alenia in Toulouse auf Basis der Plattform Proteus gebaut. Er ist 4,2 m lang, 605 kg schwer (davon 40 l Treibstoff) und soll mindestens 2,5 Jahre arbeiten.

Erfolgreicher Test einer R-36M2

Am 21.12.2006 startete um 11.20 Uhr Ortszeit aus einem Silo auf der Raketenbasis Dombarowskij nahe der kasachischen Grenze einer Interkontinentalrakete des Typs R-36M2. Die Gefechtsköpfe erreichten das Zielgebiet Kura auf Kamtschatka. Die Strategischen Raketentruppen vermeldeten einen erfolgreichen Testflug ihrer größten Atomrakete.

Die eingesetzte R-36M2 war 19 Jahre alt. Der Flug diente der Bestätigung der Einsatzbereitschaft dieses Raketentyps. Seit 2004 werden diese routinemäßigen Testflüge in Dombarowskij durchgeführt.

Die R-36M2 ist nach Nachfolgemodell der R-36MUTTCh, die als Dnepr auch für Raumfahrtmissionen eingesetzt. Auch für solche Missionen steht seit 2006 Dombarowskij zur Verfügung. Ein Teil des riesigen Stützpunktes, als Jasnij bezeichnet, wird für Dnepr-Raumfahrtstarts verwendet. Die nächste Dnepr soll im 1.Quartal 2007 in Jasnij starten.

Antirakete getestet

Am 5.12.2006 wurde im Rahmen der routinemäßigen Überprüfung der russischen Raketenabwehr vom Versuchsgelände Sary-Schagan am See Balchasch in Kasachstan eine Antirakete des Typs 53T6 erfolgreich getestet. Der letzte Test dieser Art erfolgte 2004 und der vorletzte 1999.

Die Kurzstreckenrakete 53T6 gehört zum Raketenabwehrsystem A-135, das rings um Moskau stationiert ist. Zum System A-135 gehören die Langstreckenrakete 51T6 und die Kurzstreckenrakete 53T6. Wie die russische Zeitung Kommersant berichtet, wurden inzwischen alle 32 Raketen 51T6 außer Dienst gestellt, so dass nur noch superschnelle Kurzstreckenraketen zur Verfügung stehen.

Das Raketenabwehrsystem A-135 wird gegenwärtig modernisiert.


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Russische Raumfahrt-55 (November 2006)

BADR - 4 gestartet

Am 9.11.2006 startete um 1.01 Uhr Ortszeit von der Rampe PU-39 (Platz 200) des kasachischen Kosmodroms Baikonur die Trägerrakete Proton-M Nr.53515 mit der Oberstufe Bris-M Nr. 88517 und dem arabischen Nachrichtensatelliten BADR-4 (ursprünglich Arabsat-4B genannt). Der Start erfolgte im Auftrag der russisch-amerikanischen Vermarktungsgesellschaft ILS (International Launch Services). ILS wurde erst im Oktober 2006 einer dramatischen Reorganisation unterzogen: Lockheed Martin ist als schwergewichtiger Partner ausgestiegen und hat seine Anteile an die völlig unbekannte Space Transportation Inc. von den British Virginia Island verkauft. Übrig geblieben sind jetzt nur noch die russischen Raumfahrtfirmen Chrunitschew und Energija. ILS vermarktet nach dem Rückzug von Lockheed Martin nur noch die Proton (früher wurden Proton und Atlas gemeinsam vermarktet). Man hofft auf 3-5 kommerzielle Flüge pro Jahr.

Der Firmensitz von ILS blieb in McLean, Virginia, USA, unweit von Washington. Neuer Präsident wurde Frank McKenna, der zuvor ILS-Vizepräsident war. Der Ausstieg von Lockheed Martin aus ILS steht symbolisch für eine neue Phase der russischen Raumfahrtindustrie: nachdem in den 1990er Jahren alle russischen Raumfahrtfirmen angehalten waren, westliche (meistens amerikanische) Partner zu finden, um ihre Produkte erfolgreich kommerziell zu vermarkten, findet nun eine zunehmende Konkurrenz zwischen den Startanbietern aus den USA, Europa, Russland und Asien statt. Die russische Regierung versucht, aus den vorhandenen Unternehmen 3-5 Großkonzernze zu schmieden, um der internationalen Konkurrenz effektiv begegnen zu können. Und Amerika und Europa besinnen sich wieder mehr auf ihre nationalen Kapazitäten, als die Starts an Russland zu verkaufen.

BADR-4 war die erste Mission der "neuen ILS" und ein voller Erfolg. Es war die 38.ILS-Mission einer Proton seit 1996.

Der 3304 kg schwere Satellite (Trockenmasse 1487 kg) wurde nach 4 Stunden Flug in der geplanten Transferbahn 3127 - 35.802 km bei 14,1° Neigung abgesetzt. Die Bris-M Nr. 88517 mußte dazu 4mal brennen. Bemerkenswerterweise setzt die Bris-M ihre Fracht deutlich ungenauer als die Oberstufe Block DM-SL von Energija im Orbit ab.

BADR-4 ist das Schwesterschiff von Arabsat-4A, der Anfang 2006 durch eine Fehlfunktion seiner Bris-M im falschen Orbit gestrandet war. Der Satellit wurde bei EADS Astrium gebaut und gehört zur Baureihe Eurostar 2000+ (die Nutzlast stammt von Alcatel Alenia Space). Er wird bei 26° Ost stationiert und wird 15 Jahre lang mit seinen 32 Ku-Band-Transpondern des gesamten arabischen Raum mit Fernsehen und Internet versorgen. Die Betreiberfirma ARABSAT hat ihren Sitz in Rijad, Saudi-Arabien. Als Ersatz für den verlorengegangenen Arabsat-4A baut Astrium gegenwärtig einen weiteren Satelliten dieses Typs.

Hinweis: Homepage von ILS mit interessanten Fotos der Startvorbereitungen von BADR-4 in Baikonur: www.ilslaunch.com

Mission Kosmos 2423 beendet

Am 17.11.2006 explodierte der Militärsatellit Kosmos 2423 nach 65 Tagen Flug im Orbit. Er zerfiel in 28 Bruchstücke, von denen das größte und zwei weitere bereits am nächsten Tag in der Erdatmosphäre verglühten. 65 Tage sind für einen Satelliten dieses Typs (man rechnet Kosmos 2423 zu den optischen Aufklärungssatelliten des Typs Don/Orlez-1) eine ungewöhnlich kurze Missionsdauer. Üblicherweise dauert eine Don-Mission 4 Monate, in deren Verlauf 8 Kapseln abgesetzt werden und am Ende der Hauptkörper gesprengt wird, um nicht irgendwelchen gegnerischen Mächten in die Hände zu fallen. Experten nehmen daher an, dass es eine Fehlfunktion mit Kosmos 2423 gegeben haben muß. Das russische Verteidigungsministerium spricht dagegen von einem normalen Abschluß der Mission.

Ohne Kosmos 2423 steht die Hauptverwaltung Aufklärung des Generalstabs mal wieder ohne optischen Fotoaufklärungssatelliten da. Angesichts der antiquierten Kapsel-Film-Technologie mit nur wenigen Monaten Funktionsdauer, die eine hohe Zahl von Satelliten erfordert, wird sich daran auch nichts ändern. Abhilfe schaffen können nur moderne opto-elektronische Beobachtungssatelliten mit digitaler Datenübertragung, wie sie im Westen schon lange Standard sind. Für 2007 rechnet man mit dem ersten Fotoaufklärer der neuen Generation mit dem Namen "Persona", der endlich wieder für ein dauerhaft funktionstüchtiges Beobachtungssegment der russischen Militärsatellitenflotte sorgen soll.
Quelle: FPSpace, eMail von James Oberg, 20.11.2006

Europäisch-russische Zusammenarbeit im Satellitenbau

Russland ist eine Weltmacht im Raketenbau, aber bei der Satellitenfertigung hängt es Jahre hinter westlichen Qualitätsprodukten hinterher. Nun soll die Kooperation mit europäischen Firmen diese Situation ändern. Schon seit Jahren liefert Alcatel Alenia Space Kommunikationsnutzlasten für russische Nachrichtensatelliten. Gegenwärtig werden bei NPO PM in Sibirien zwei moderne Express AM-Satelliten gebaut, nachdem bereits 2002-2005 fünf Exemplare gestartet wurden. Gerne würde NPO PM sein Modell Express AM exportieren, aber es kann nur mit russischen Proton-Rakete gestartet werden. Nicht zuletzt deswegen zog sich der Krasnojarsker Satellitenbauer aus der Ausschreibung für den vietnamesischen Vinasat-Satelliten zurück.

Abhilfe soll die neue Plattform Express 1000 schaffen, die mit einer Vielzahl von internationalen Raketen gestartet werden kann und relativ klein ist.

2005 gründete EADS Astrium mit der Moskauer Firma Kospriborstrojenije (RNII KP) das Gemeinschaftsunternehmen Synertech. Kospriborstrojenije ist seit Jahrzehnten Russlands wichtigster Produzent von Satellitenausrüstungen wie Funksystemen, Scannern und Kommunikationsausrüstungen. Mit Hilfe von Astrium und deren deutschen Tochterfirma Tesat sollen nun die Produktionsanlagen von Kospribporstrojenije umfassend modernisiert und die Produktpalette verbreitert werden. Astrium erhofft sich dadurch einen besseren Zugang zum russischen Markt.

Die deutsche Firma OHB System aus Bremen arbeitet seit Jahren eng mit Poljot aus Omsk zusammen. Zunächst wurde eine Produkt der Omsker, die Rakete Kosmos 3M, vermarktet. Einige Satelliten von OHB wurden mit dieser Rakete gestartet. Nun bauen OHB und Poljot gemeinsam einen Satelliten, die zweite Generation der Orbcomm- Kommunikationssatelliten. Poljot liefert den Grundkörper, während OHB Endmontage und Erprobung übernimmt.


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Russische Raumfahrt-54 (Oktober 2006)

MetOp - A gestartet

Die Geduld der Beteiligten wurde auf eine harte Probe gestellt, aber am Ende hat alles wie am Schnürchen geklappt: nach fünf Verschiebungen und mit drei Monaten Verspätung startete am Donnerstag, den 19.10.2006, um 22.28 Uhr Ortszeit von der Rampe PU-6 (Platz 31) in Baikonur der europäische Wettersatellit MetOp-A (4085 kg). Der Start war in mehrfacher Hinsicht eine Premiere. Europa hat nun einen polaren Wetterbeobachtungssatelliten, nachdem 26 Jahre lang nur geostationäre meteorologische Satelliten eingesetzt worden waren. Erstmals startete die neue Rakete Sojus-2 in Baikonur und transportierte bei ihrem zweiten Flug überhaupt eine wichtige und teure Nutzlast in den Orbit, wobei eine neue, größere Nutzlastverkleidung erfolgreich getestet wurde. Bis dahin hatte die Sojus-2 erst einen einzigen ballistischen Testflug absolviert. Erstmals wurde eine neue Aufstiegstrasse von Baikonur in Richtung Norden benutzt, um eine sonnensynchrone Bahn zu erreichen. Bislang wurde in solchen Fällen in Richtung Süden geschossen. Es war der 16.kommerzielle Start einer Sojus im Auftrag der europäisch-russischen Gesellschaft Starsem. MetOp-A wurde durch zwei Brennsequenzen der Oberstufe Fregat Nr. 1011 nach einer Stunde und 9 min Flugzeit in einer 837 km hohen Polarbahn (Neigung 98,7°) ausgesetzt. Das ESOC in Darmstadt übernahm die Kontrolle des Satelliten. MetOp-A ist 6,3 m lang, hat einen Durchmesser von 2,5 m und wurde bei EADS Astrium gebaut. Das 2,4 Milliarden Euro-Programm MetOp (Meteorological Operational) wird von ESA , Eumetsat und CNES gemeinsam finanziert. Bis 2020 sind zwei weitere polare Wettersatelliten vorgesehen. Jeder Satellit soll mindestens 5 Jahre arbeiten. Das Programm wurde mit der amerikanischen Wetterbehörde NOAA koordiniert. MetOp-A kreuzt täglich um 9.30 Uhr morgens den Äquator, der amerikanische Kollege folgt am Nachmittag. Auch an der Ausrüstung sind die Amerikaner beteiligt. Acht Instrumente sind an Bord von MetOp-A, darunter drei von der NOAA. Hauptinstrument ist das Infrared Atmospheric Sounding Interferometer (IASI) von Alcatel, ein Fourier-Spektrometer zur Bestimmung des vertikalen Temperatur- und Feuchtigkeitsprofils der Atmosphäre. Das Gerät ist erheblich sensibler und hochauflösender als alle Vorgängerinstrumente und soll die Zuverlässigkeit der Wettervorhersage erhöhen.

Zu IASI kommen ein Ozonmessgerät, ein Scatterometer, eine Datensammelplattform Argos, ein KOSPAS-SARSAT-Transponder und drei amerikanische Instrumente: AMSU-A, HIRS, AVHRR. Das Feuchtigkeitsmessgerät MHS wurde von Eumetsat finanziert, aber in den USA gebaut. Im Austausch wird MHS auch auf amerikanischen Satelliten fliegen.

MetOp-A wurde am 18.4.2006 mit einer AN-124 in Baikonur angeliefert. Alle Vorbereitungen erfolgten in den Reinsträumen der Fima Starsem auf Platz 112. Der Plan sah vor, den Satelliten am 17.Juli 2006 mit der Rakete Sojus 2-1a Nr. Sh15000-003 zu starten. Die Rakete war bereits im Januar Montageversuchen unterzogen worden und auf die Rampe PU-6 gebracht worden. Dort erfolgte ein vollständiger Countdown ohne Betankung. Danach wurde die Rakete im MIK-40 eingelagert. Die Arbeiten auf der Rampe waren erforderlich, weil erstmals die großvolumige Nutzlastverkleidung ST eingesetzt werden musste. Sie ist 11,4 m lang und hat einen Durchmesser von 4,1 m. In ihrer Form erinnert sie sehr stark an die Nutzlastverkleidung der Ariane-4. Nur die digital gesteuerte Sojus-2 kann mit einer solchen überkalibrigen Verkleidung fliegen. Die Wartungsbühnen auf Rampe PU-6 mußten dazu extra modifiziert werden. Zum Vergleich: die bislang größte Sojus-Verkleidung "S" hat eine Länge von 7,7 m und einen Durchmesser von 3,715 m.

Drei Startversuche vom 17.7.-19.7. mussten erfolglos abgebrochen werden. Es gab Probleme mit der Rakete, vor allem der Software, und den Bodenanlagen. Die Sojus 2-1a Nr.003 wurde in das MIK-40 zurückgerollt und frühestens für September ein neuer Startversuch angekündigt. MetOp wurde in Baikonur eingelagert.

Nach einigen Verzögerungen, unter anderem wegen einer kleinen Havarie bei der Endmontage, rollte die Rakete am 14.10.2006 um 7.30 Uhr morgens erneut auf die RampePU-6. Drei Stunden später stand sie voll aufgerichtet auf der Startplattform. Am 17.10. wurde der Countdown nur eine Minute vor dem Start abgebrochen. Ein Befehl zur Druckbeaufschlagung der Tanks der dritten Stufe war nicht bestätigt worden. Am 18.10. musste der Start erneut um einen Tag verschoben werden, weil die zulässige Windgeschwindigkeit in großer Höhe überschritten worden war. Am 19.10. startete die Rakete wie geplant um 22.28 Uhr Ortszeit. Sie flog auf einer für Baikonur neuen Flugbahn nach Norden. Die Außenblöcke der 1.Stufe schlugen in der Zone Nr.120 im Gebiet Aktjubinsk/Kustanai in Kasachstan auf. In der Zone Nr.401 bei Perm/Swerdlowsk in Sibirien gingen die zentrale erste Stufe, die Nutzlastverkleidung ST und die Heckverkleidung der dritten Stufe nieder. Die dritte Stufe stürzte in das Eismeer. Danach übernahm die Oberstufe Fregat die Flugkontrolle und beförderte MetOp in eine elliptische Parkbahn. Nach dem Aussetzen des Satelliten im Endorbit zündete Fregat Nr.1011 ein drittes und letztes Mal und verglühte in der Atmosphäre - ein sinnvoller Schritt zur Vermeidung von Weltraummüll.

Mindestens zwei weitere Missionen der Sojus-2 werden in der nächsten Zeit erwartet: die Nr.002 startet in Plessezk mit dem Militärsatelliten Meridian und das erste Exemplar der Ausbaustufe Sojus 2-1b mit neuer Drittstufe startet in Baikonur dem französischen Astronomiesatelliten Corot. Ab 2008 fliegt die Sojus-ST in Kourou.

Progress M-58 mit Schwierigkeiten gekoppelt

Am 23.10.2006 startete um 19.40 Uhr Ortszeit von der Rampe PU-5 auf Platz 1 in Baikonur die Rakete Sojus-U Nr. 102 mit dem Versorgungsraumschiff Progress M-58 (Prod.Nr.358). Das Gespann war am 21.10. auf die Rampe gebracht worden. Alle Startvorbereitungen verliefen routinemäßig, trotz der parallelen Arbeiten mit der Sojus-2 und MetOp-A. Die Startmannschaft ZI-1 der Firma KBOM wickelte beide Starts erfolgreich ab.

Der Anflug von Progress M-58 zur Internationalen Raumstation war auf 3 Tage anstelle der üblichen zwei berechnet worden. Am 26.Oktober legte das Schiff am Heckstutzen von Swesda an - und es begannen überraschend ernsthafte Probleme. 15 Minuten vor der Ankopplung sollte die Orientierungsantenne 4AO-WKA eingeklappt werden, die in den Raum des Kopplungsstutzens hineinragt. Aber die Auswertung der Telemetrie ergab Hinweise, dass die Antenne nicht ordnungsgemäß eingeklappt sei. Die Astronauten auf der ISS konnten sie nicht sehen und so wurde die Kopplung nach dem Einrasten der ausgefahrenen Stange im Konus des Kopplungskegels erst einmal gestoppt. Damit konnten die Verschlüsse zum Fixieren des Schiffes an der Station auf dem Kopplungsring nicht einrasten und es gab nur eine sogenannte "weiche Kopplung", was bedeutet, dass das Schiff nur an der Station hängt, und jede Bewegung zum Abrechen der Stange führen kann. Das Kontrollzentrum reagierte sofort und schaltete die Lagekontrolle der ISS ab. Gleichzeitig wurde der Stromverbrauch der Station minimiert, da die Solarzellenflächen nun nicht mehr auf die Sonne ausgerichtet waren. Aber damit war Zeit gewonnen, die kritische Situation in Ruhe zu überdenken. Als nächstes wurde das manuelle Kopplungssystem TORU aktiviert. TORU verfügt über Kameras am Progress, die dem "Piloten" in der Station eine realistische Sicht auf das Kopplungssystem geben. Von einer nicht eingeklappten Antenne war nichts zu sehen. Daher konnte der Motor der Kopplungsstange aktiviert werden und Progress M-58 wurde vorsichtig und sehr langsam an die Station herangezogen. 3,5 Stunden nach dem "Soft Docking" konnte Entwarnung gegeben werden: Progress M-58 war fest verriegelt ("Hard Docking") und die Station wurde wieder in den orientierten Modus genommen. Noch am Abend wurden die Luken zum Versorgungsraumschiff geöffnet.

Progress M-58 wog beim Start 7320 kg. Davon entfallen 880 kg auf Treibstoff, 52 kg auf Sauerstoff in Druckbehältern und 1221 kg auf Fracht in den druckbeaufschlagten Frachtsektion, davon allein 237 kg Lebensmittel.

Der Vorfall mit Progress M-58 zeigt erneut die enorme Professionalität des Bodenteams in Koroljow, gewonnen in fast 30 Jahren Erfahrung mit Versorgungsflügen zu Raumstationen.

XM-4 gestartet

Sea Launch, die internationale Betreibergesellschaft der Zenit-Rakete, befindet sich weiter auf dem Vormarsch: am 30.Oktober 2006 wurde bereits die fünfte Rakete in diesem Jahr gestartet. Es war die 23. für Sea Launch gestartete Rakete und die neunte erfolgreiche Mission in Folge. Wie üblich wurde die Nutzlast mit extremer Genauigkeit im Orbit abgesetzt: die Abweichung zur geplanten Bahn betrug im Apogäum nur 2100 m und im Perigäum wurde exakt die geplante Höhe erreicht!

Die Zenit-3SL wurde nach einem Countdownabbruch (Problem im Betankungssystem) am 27.10. drei Tage später um 15.49 Uhr Ortszeit von der schwimmenden Plattform Odyssey im Pazifik bei 154°West, genau auf dem Äquator, gestartet. Alle drei Stufen arbeiteten einwandfrei (die Oberstufe Block DM-SL brannte zweimal) und die Nutzlast, der Kommunikationssatellit XM-4 "Blues" (ein Modell Boeing 702, 5193 kg) wurde in der Transferbahn 1239 - 36.059 km bei 0° Neigung nach gut einer Stunde Flug ausgesetzt. Der Satellite wird von der XM Satellite Radio für die Ausstrahlung digitaler Radioprogramme im Rahmen des kommerziellen (nur für zahlende Abonnenten) Programms DARS (Digital Audio Radio Service) eingesetzt. DARS bietet 170 verschiedene Kanäle, einschließlich verschiedener Spartenprogramme wie Country, Rock, Klassik usw. XM Satellite Radio hat nach eigenen Angaben 7 Millionen Abonnenten in den USA und Kanada. Die Firma wächst und lässt gegenwärtig einen fünften Satelliten bauen. Auch XM1-3 wurden von Sea Launch erfolgreich gestartet. XM-4 soll 15 Jahren arbeiten. XM-3 und XM-4 wurden nach Problemen mit der Energieversorgung von XM-1 und 2 überarbeitet. Man verlängerte die Solarzellenflächen, die 15 kW leisten können.

Unterdessen laufen in Baikonur die Vorbereitungen für die erste Mission im Rahmen von Land Launch, der russischen Tochter von Sea Launch. Land Launch nutzt eine "russifizierte" Version der Zenit-3SL. Statt der Nutzlastverkleidung von Boeing wird eine bewährte Verkleidung der Proton von Lawotschkin benutzt. Da die Zenit-3SL ein anderes Lenksystem als die Zenit-2 nutzt, mussten die Anlagen des Startkomplexes 45 in Baikonur modifiziert werden. Im Dezember 2005 soll ein Demonstrationsflug einer Zenit-2M mit einer russischen Militärsatelliten erfolgen. Für 2007 sind drei kommerzielle Zenit-Einsätze in Baikonur gebucht.

Obwohl von der russischen Raketenindustrie ungeliebt, ist die Zenit eine Rakete mit enormen Zukunftspotential. Nachdem eine ausreichende Zahl von Starts absolviert wurde, zeigt die Rakete eine hohe Zuverlässigkeit und Genauigkeit. Genau genommen wäre sie das ideale Trägermittel für künftige bemannte russische Raumfahrzeuge, aber aus politischen Gründen (die Zenit wird in der Ukraine montiert, wenngleich viele Komponenten aus Russland kommen) wird mit viel Aufwand und Geld nach eigenen, russischen Lösungen gesucht (Angara-3, Sojus-3).

Lieferschwierigkeiten bei Chimmasch

Lieferschwierigkeiten des Triebwerksbauers Chimmasch könnten dazu führen, dass die russische Raketenindustrie ihre Verpflichtungen für kommerzielle Einsätze 2007 nicht erfüllen kann und viel Geld verlieren wird.

Chimmasch baut die Triebwerke S5.98 für die Oberstufe Bris (Raketen Rockot, Proton-M) und S5.92 für die Oberstufe Fregat (Raketen Sojus, Zenit). Pro Jahr baut Chimmasch maximal zehn Triebwerke der beiden Typen. Ein Triebwerk kostet 25 Millionen Rubel (zum Vergleich: eine Proton-Mission kostet 1,5 Milliarden Rubel). 2007 können aber nur neun Triebwerke fertiggestellt werden, ein Triebwerk wurde kürzlich bei einem Test schwer beschädigt und muß abgeschrieben werden. Chrunitschew ist bereits von dem Engpass betroffen: der Start einer Rockot mit den Satelliten SMOS und Proba-2 mußte von 2007 auf 2008 verschoben werden, das Angebot für den thailändischen Satelliten ThEOS musste Chrunitschew zurückziehen, da ein termingerechter Start nicht garantiert werden konnte. Konkurrent Kosmotras (Rakete Dnepr) erhielt den Zuschlag.

Chrunitschew will nun eine Milliarde Rubel in Chimmasch investieren, um die Triebwerksproduktion anzukurbeln. Ab 2009 sollen 16 Triebwerke pro Jahr gebaut werden. Ein Regierungsbeschluß sieht außerdem vor,Chrunitschew mit Chimmasch zu fusionieren.

2007 plant Chrunitschew 8-9 Proton und eine Rockot zu starten. Lawotschkin geht von nicht weniger als sieben Missionen mit der Oberstufe Fregat aus ( 5 auf Sojus, zwei mit Zenit-2M). Nach welchem Prinzip nun die wenigen vorhandenen Triebwerke auf die Raketen verteilt werden, ist unbekannt.

Neues Zündsystem für Sojus-ST

Energomasch, der Konstrukteur der Hauptantriebe der Sojus-Rakete, plant, ein neues Zündsystem einzuführen. Statt Pyropatronen werden nun "chemische Ampullen" verwendet. Eine chemische Zündung ist sauberer und sicherer als die pyrotechnische Variante. Sofern der Energomasch-Generaldirektor seine Zustimmung erteilt, kann das neue Zündsystem auf der europäischen Sojus-ST in Kourou ab 2008 fliegen.

Streit um Kliper

Kommt das neue Raumschiff Kliper oder kommt es nicht ? Glaubt man den vollmundigen Erklärungen von Energija-Chef Sewastjanow stellen alle Zeichen für Kliper auf Grün. Anders dagegen die Raumfahrtbehörde Roskosmos. Man habe die Ausschreibung für ein neues Raumschiff ohne Sieger beendet, weil keiner der drei Bewerber (Energija, Chrunitschew, Molnija) die finanziellen Vorgaben erfüllen konnte. Insbesondere kritisierte Roskosmos, dass für keines der eingereichten Projekte eine geeignete, russische Trägerrakete existiere. Neben den Entwicklungskosten für das Raumschiff müssten demnach auch die Gelder für den Bau einer neuen Rakete aufgebracht werden.Das würde den Haushalt der russischen Raumfahrtbehörde sprengen.

Nun hat man sich auf eine Mini-Lösung geeinigt. Es bleibt bei der betagten Sojus mit all ihren Schwächen, aber auch ihrer Zuverlässigkeit. Bis 2010 wird das Schiff umfassend modernisiert, vor allem digitalisiert und mondflugtauglich gemacht. Ein Pilot soll künftig das Schiff alleine führen können, so dass zwei zahlende Passagiere pro Flug mitgenommen werden können. Kliper könnte dann zu einem späteren Zeitpunkt realisiert werden.

Neue Biosatelliten

Das russische Biosatelliten-Programm endete 1996 mit Bion-11. Nun wird es eine Fortsetzung geben. Wie Jewgenij Iljin, Chef des Instituts für Medizinisch-Biologische Probleme (IMBP) Moskau, mitteilte, sollen bis 2016 drei russische Biosatelliten starten. Die Missionen werden unter starker internationaler Beteiligung vorbereitet.

Erneut Bulawa abgestürzt

Die neue U-Boot-Rakete Bulawa hat erneut versagt. Bei einem Testflug am 25.10.2006 wich sie nach dem Start aus dem U-Boot "Dimitri Donskoi" um 17.05 Uhr Ortszeit im Weißen Meer vom Kurs ab und musste gesprengt werden. Damit sind zwei von vier Testflügen misslungen. Die letzte Rakete war erst im September 2006 durch eine Fehlfunktion der 1.Stufe verlorengegangen. Die Rakete sollte das Zielgebiet Kura auf Kamtschatka erreichen. Die russische Marine benötigt dringend einen Nachfolger für ihre veralteten und überlagerten U-Boot-Raketen R-29R und R-29RM.

Interessante Links

Das Werksmuseum der Firma Energija ist eine neue, lichtdurchflutete Halle umgezogen.

Die Beobachtungsstation Okno der russischen Weltraumstreitkräfte in Tadshikistan (auch als Anlage Nurek bekannt), wird im Detail in russisch und englisch beschrieben unter:

Videoclips der russischen Raumfahrt soll es unter:

www.spacevideo.ru

geben. Allerdings konnte ich die Seite bislang nicht öffnen.


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Russische Raumfahrt-53 (September 2006)

Kosmos 2423 gestartet

Am 14.9.2006 startete um 19.41 Uhr Ortszeit von der Rampe PU-6 auf dem Kosmodrom Baikonur (Kasachstan) eine Rakete des Typs Sojus-U. Sie brachte den Militärsatelliten Kosmos 2423 in eine erdnahe Umlaufbahn 170 - 317 km bei 64,9° Neigung. Kosmos 2423 ist ein Fotoaufklärungssatellit des Typs Don. Wahrscheinlich ist es der letzte Satellit dieser Serie. Don (auch Orlez-1) bringt belichtetes Filmmaterial durch Kapseln zur Erde zurück. Diese antiquierte Technik beschränkt die Funktionsdauer auf rund 4 Monate. Die Firma ZSKB-Progress, die Don entwickelt hat, arbeitet gegenwärtig am Nachfolgemodell "Bars". Bars soll neben Don auch den topographischen Satelliten Kometa ersetzen, der 2005 letztmalig flog.

Bereits im Mai 2006 startete in Plessezk ein Fotoaufklärungssatellit des Typs Kobalt-M. Daneben sind zwei zivile opto-elektronische Fernerkundungssatelliten (Monitor-E und Resurs DK-1) im Einsatz.

Sojus TMA-9 gestartet, TMA-8 gelandet

Am 18.9.2006 startete um 10.08 Uhr Ortszeit von der Rampe PU-5 des Kosmodroms Baikonur (Kasachstan) die Rakete Sojus FG Nr.Z15000-023 mit dem bemannten Raumschiff Sojus TMA-9.

An Bord befanden sich Kommandant Michail Tjurin (Roskosmos), der NASA-Astronaut Michael Lopez-Alegria und die amerikanische-iranische Weltraumtouristin Anousheh Ansari, von den Russen kurz Anjuscha gerufen. Ansari hatte ihr Ticket für 20 Millionen Dollar bei Space Adventures gekauft und sollte eigentlich erst im Frühjahr 2007 fliegen. Der Primärkandidat Dice-K (Daisuke Enomoto) aus Japan musste allerdings kurzfristig aus medizinischen Gründen zurückgestellt werden und Anjuscha kam an die Reihe.

Ansari wurde in Teheran geboren und wanderte nach der Revolution in die USA aus. Sie studierte und gründete gemeinsam mit ihrem Mann Hamid Ansari ein erfolgreiches Elektronikunternehmen. Ihre Familie lobte den mit 10 Millionen Dollar dotierten X-Prize aus, den 2004 Burt Rutan mit dem Raketenflugzeug SpaceShipOne gewann.

Der Start von Sojus TMA-9 war eigentlich für den 14.9. geplant, wurde aber auf Bitten der NASA um 4 Tage verschoben, um genügend Zeit für die Raumfähre Atlantis zu haben, die zuvor die Internationale Raumstation für Montagearbeiten anflog.

Die Vorbereitungen und der Start selbst verliefen ohne größere Zwischenfälle. Der Aufstieg erfolgte nach dem üblichen Schema. Die ausgebrannten Raketenstufen und abgeworfenen Verkleidungen fielen in den Aufschlagzonen Nr.16, 69, 306 und 309 in Kasachstan und Russland herunter. Nach zwei Tagen autonomen Flugs legte Sojus TMA-9 am 20.9. an der Internationalen Raumstation an. Anjuscha Ansari hatte sich in diesen zwei Tagen nach eigenen Angaben schlecht gefühlt, aber nach dem Umstieg in die Station verbesserte sich ihr Befinden sofort und sie genoß die Zeit im Weltraum sehr. Lopez-Alegria, Tjurin und ESA-Astronaut Thomas Reiter bilden nun die 14.Stammbesatzung der ISS, während Pawel Winogradow und Jeffrey Williams mit Ansari in Sojus TMA-8 zur Erde zurückkehren. Auch dieses kritische Manöver gelang einwandfrei. 3,5 h vor der Landung legte Sojus TMA-8 von der Station ab und kreiste noch zweimal um die Erde. 50 min vor der Landung zündeten die Bremstriebwerke. Die Landung erfolgte am 30.9.2006 um 7.13 Uhr Ortszeit, 87 km nördlich von Arkalyk in Kasachstan, kurz vor Sonnenaufgang. Die Kapsel legte sich nach dem Aufsetzen auf die Seite. Die Bergung der Kosmonauten erfolgte erstmals durch den staatlichen Bergungsdienst Rosaeronavigazija. Bis dahin hatte der Kosmische Such- und Bergungsdienst der Streitkräfte alle Kapseln aufgespürt. Noch am gleichen Tag wurde das Trio von Astana nach Moskau geflogen.

Abschlußbericht Dnepr-Fehlstart vorgelegt

Am 18.9.2006 wurde auf der Internetseite der Betreiberfirma Kosmotras (www.kosmotras.ru) der Abschlußbericht über die Ursachen des Fehlstarts der siebenten Rakete des Typs Dnepr vorgelegt.

An der Untersuchungskommission unter Leitung von Nikolai Anfimow (Direktor ZNIIMasch) waren Vertreter von Roskosmos, des Verteidigungsministeriums, der Firmen Jushnoje, Jushmasch, Chartron, Kosmotras und des Forschungsinstituts ZNIIMasch beteiligt.

Die Rakete war am 27.Juli 2006 um 0.43 Uhr Ortszeit in Baikonur gestartet. Nach 73,9 s Flug wurde der Aufstieg durch ein Havariekommando des Lenksystems abgebrochen. Die Rakete stürzte über dem Territorium Kasachstans ab.

Ursache des Versagens war eine beschädigte Wärmeisolierung am Triebwerk Nr.4 der 1.Stufe. Diese Stufe verfügt über vier schwenkbare Triebwerke. Durch die mangelhafte Isolierung wurde Treibstoff in einer Zuleitung vom Triebwerk zu einem hydraulischen Stellmotor zum Schwenken des Motors überhitzt. Der Stellmotor fiel daraufhin kurzzeitig (0,26 s) aus und das Triebwerk konnte nicht mehr bewegt werden. Die drei übrigen Triebwerke konnten die Blockade nicht kompensieren, die Rakete wich vom Kurs ab und verlies den vorgesehenen Flugkorridor. Das Lenksystem erkannte den Fehler und stellte gemäß der Programmlogik alle Triebwerke ab.

Nach Ansicht der Kommission stellt die mangelhafte Thermoisolation einen Produktionsfehler dar, der beim Bau der Triebwerke vor 25 Jahren gemacht wurde. Ein Zusammenhang mit dem hohen Alter der Rakete konnte nicht festgestellt werden. Dennoch werden künftig alle Dnepr-Triebwerke gründlich auf defekte Wärmeisolationen untersucht, da weitere Herstellungsfehler nicht auszuschließen sind.

Die Dnepr ist baugleich mit der im aktiven Dienst befindlichen Interkontinentalrakete R-36MUTTCh.

ILS wird aufgelöst

Lockheed Martin hat am 7.9.2006 angekündigt, seine Anteile an der Marketingfirma International Launch Services (ILS) zu verkaufen. ILS ist eine russisch-amerikanische Gemeinschaftsfirma der Unternehmen Lockheed Martin, Chrunitschew und Energija. Sie vermarktet die beiden Raketen Atlas und Proton. Bis 2008 sind elf Proton von ILS gebucht, davon noch zwei in diesem Jahr.

Chrunitschew wird nun seine Produkte selbst vermarkten. Der Schritt von Lockheed Martin kommt nicht ganz unerwartet: die neue Atlas-V hat ihre Zuverlässigkeit bewiesen und steht staatlichen und kommerziellen Kunden zur Verfügung. Lockheed Martin bietet seine Startdienstleistung künftig gemeinsam mit Boeing unter dem Namen United Launch Alliance (ULA) an.

Es bleibt abzuwarten, ob Chrunitschew seine kommerziellen Erfolge auch ohne den starken Partner aus Übersee fortsetzen kann. Der ILS-Partner Energija setzt inzwischen auf die Gemeinschaftsunternehmen Sea Launch und Land Launch, die sehr erfolgreich, kostengünstig und präzise die ukrainische Zenit-Rakete zusammen mit der Energija-Oberstufe Block DM-SL einsetze.

Fusion Chrunitschew - Poljot

Das Luft- und Raumfahrtunternehmen Poljot aus Omsk wird mit dem Raketenbauer Chrunitschew aus Moskau vereinigt. Damit wird ein Regierungsbeschluß aus dem Jahr 2001 umgesetzt, der eine Konzentration und Agglomeration der russischen Raumfahrtindustrie auf wenige Einheiten vorsieht.

Poljot befindet sich seit Jahren in einer sehr schwierigen wirtschaftlichen Situation. Das Unternehmen soll nun die Serienproduktion der Rakete Kosmos 3M, die 1994 unterbrochen wurde, wieder aufnehmen. Die Rakete soll modernisiert werden.

Chrunitschew hat allerdings mit der Rockot bereits eine Rakete der gleichen Leistungsklasse wie die Kosmos 3M. Es ist unklar, wie beide Raketen gemeinsam vermarktet werden können.

Es ist außerdem geplant, die Triebwerkshersteller Mechanischen Werke Woronesh (WMS) und KBChM mit dem Chrunitschew-Konzern zu vereinigen.

Drei U-Boot-Raketen gestartet

Die russsische Kriegsmarine hat Anfang September 2006 innerhalb von vier Tagen gleich drei ballistische Raketen aus getauchten Atom-U-Booten abgefeuert und damit die Bedeutung der maritimen nuklearen Abschreckungskomponente deutlich hervorgehoben.

Der erste Abschuß erfolgte am 7.9.2006 um 19.50 Uhr aus der "Dimitri Donskoi", die im Weißen Meer tauchte. Es handelte sich dabei um den dritten Testflug der neuen Rakete "Bulawa" (RSM-56). Die Rakete wich allerdings vom Kurs ab und musste gesprengt werden. Nach einem Auswurftest am 23.9.2004 waren zwei Testflüge am 27.9. und 21.12.2005 erfolgreich verlaufen. Die Feststoffrakete Bulawa soll die veralteten Flüssigraketen Sinjewa (RSM-54, R-29RM) und R-29R ablösen.

Am 9.9.2006 war um 15.20 Uhr das U-Boot K-84 "Jekaterinburg" an der Reihe. Zum ersten Mal seit 11 Jahren feuerte ein russisches Raketen-U-Boot eine Rakete in der Nähe des Nordpols ab. Die "Sinjewa" erreichte das geplante Zielgebiet Kanin.

Einen Tag später folgte schließlich ein U-Boot der Pazifikflotte, die K-433 "Georgi Pobedonosez". Sie startete um 18.50 Uhr eine R-29R in der Nähe der Insel Simuschir, ebenfalls in Richtung Halbinsel Kanin. Das Zielgebiet wurde erfolgreich getroffen.

Ballistische Raketen werden regelmäßig gestartet, um die Einsatzbereitschaft von Gerät und Bedienung zu überprüfen. Russische U-Boot-Raketen weisen durch ihr Alter eine überdurchschnittliche Fehlerquote auf.


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Russische Raumfahrt-52 (August 2006)

Hot Bird 8 gestartet

Am 5.8.2006 startete um 3.48 Uhr Ortszeit vom Weltraumbahnhof Baikonur (Kasachstan) die Trägerrakete Proton-M Nr.53514 mit der Oberstufe Bris-M Nr.88516 und dem europäischen Nachrichtensatelliten Hot Bird 8 (4875 kg) an Bord. Der Start erfolgte von der Rampe PU-39 auf Platz 200 durch die Mannschaft der Firma KBOM.

Es war der erste Einsatz der Oberstufe Bris-M nach dem Fehlstart von Arabsat 4A im März 2006.

Diesmal klappte alles wie am Schnürchen. Innerhalb von 9 Stunden erfolgten fünf Brennsequenzen der Oberstufe, wodurch Hot Bird 8 in der vorgesehenen Transferbahn 3801 - 35.786 km mit 13° Neigung abgesetzt wurde. Mit Hilfe des bordeigenen Triebwerkes Aerojet Redmond R-4D wird nun eine geostationäre Position bei 13° Ost angesteuert. Hot Bird 8 ist der bislang grösste Nachrichtensatellit des europäischen Satellitenbetreibers Eutelsat. Es handelt sich um eine Plattform vom Typ EADS Astrium Eurostar 3000 mit 64 Transpondern im Ku-Band. Der Satellit kann 950 Fernsehsender und 600 Radiokanäle gleichzeitig übertragen und bedient die Versorgungsräume Europa, Nordafrika, Naher Osten, Russland und Kasachstan. Er soll 15 Jahre arbeiten.

Es handelte sich um den 37.kommerziellen Einsatz einer Proton im Auftrag von International Launch Services. Am 28.April 2006 war die Rakete Proton-M Nr.53514 in Baikonur eingetroffen. Hot Bird 8 wurde erst am 6.Juli auf dem Kosmodrom angeliefert. Danach wurde der Starttermin auf den 5.8. festgelegt. Ursprünglich wurde das 1.Quartal 2006 angestrebt. Der Fehlstart von Arabsat 4A verzögerte alle weiteren Flugplanungen.

Die Arbeiten auf dem Kosmodrom verliefen ohne größere Zwischenfälle. Am 1.8. wurde die fertig montierte Rakete auf die Rampe PU-39 gerollt.

Mit den Starts von Kompsat-2 und Hot Bird 8 haben beide Trägersysteme der Firma Chrunitschew, Rockot und Proton, ihre volle Einsatzbereitschaft wiederhergestellt. Die neue Rakete Angara wird nach den neuesten Planungen erst 2010-2011 ihre Flugerprobung aufnehmen.

Koreasat 5 gestartet

Am 21.8.2006 startete um 20.27 Uhr Ortszeit von der Plattform Odyssey im Stillen Ozean am Äquator bei 154 Grad West eine Rakete des Typs Zenit-3SL mit dem südkoreanischen Nachrichtensatelliten Koreasat 5 (Mugunhwa 5) an Bord. Die Mission im Auftrag der internationalen Betreibergesellschaft Sea Launch war ein voller Erfolg. Der 4448 kg schwere Satellit wurde mit extremer Präzision (im Apogäum betrug die Abweichung 5,2 km; im Perigäum nur 100 m) in der berechneten Bahn 2925 - 35.636 km bei 0° Neigung abgesetzt. Dazu waren zwei Brennsequenzen der Oberstufe Block DM-SL erforderlich. Er wird bei 113 Grad Ost stationiert und soll dort 15 Jahre arbeiten. Koreasat 5 ist ein zivil-militärischer Satellit. Die Korea Telecom (KT) betreibt 24 Ku-Band-Transponder, davon 12 für nationale Kommunikationsfunktionen innerhalb von Südkorea. Der Satellit überträgt für den ostasiatischen Raum digitales Fernsehen und Multimedia. 12 weitere Transponder im Ka-Band und SHF-Bereich werden von der Militärbehörde ADD (Agency of Defense Development ) mit Sitz in Daejon genutzt. Wegen dieser Nutzung von Koreasat 5 hat Nordkorea heftige Kritik an der Mission geübt. Gemeinsam mit dem im Juli gestarteten "Spionagesatelliten" Kompsat-2 verfügt Südkorea nach Auffassung von Pjönjang nun schon über zwei Militärsatelliten.

Koreasat 5 wurde bei Alcatel Alenia in Cannes, Frankreich, gebaut. Es handelt sich um den Typ Spacebus 4000C1. Die Zenit soll 2006 insgesamt 6 Starts absolvieren und damit einen neuen Rekord aufstellen. Ab 2007 sollen auch in Baikonur kommerzielle Zenit-Raketen starten.

Topol gestartet

Am 3.8.2006 startete um 13.38 Uhr Ortszeit eine Interkontinentalrakete vom Typ Topol zu einem Testflug. Der Abschuß erfolgte von der nordrussischen Raketenbasis Plessezk. Plessezk wird sowohl für Flüge ballistischer Raketen als auch für Weltraummissionen genutzt und gilt daher als russisches Gegenstück zum amerikanischen Vandenberg.

Der Übungs-Gefechtskopf der Rakete ging planmäßig im Zielgebiet Kura auf Kamtschatka nieder.

Es handelte sich nach offiziellen Angaben um den 80.erfolgreichen Abschuß einer Topol.

Mit derartigen Abschüssen wird die Einsatzbereitschaft von Interkontinentalraketen in regelmäßigen Abständen überprüft.

Dnepr-Absturz Teil 2

Am 27.Juli 2006 mißlang der siebente Start einer Rakete des Typs Dnepr (siehe Russische Raumfahrt 51). Das Pikante an diesem Fehlstart: eine mit giftigem Treibstoff beladene russisch-ukrainische Rakete stürzte über kasachischem Territorium ab. Und anstatt umfassender Öffentlichkeitsarbeit und einer Entschuldigung bei den Kasachen übten sich russische Offizielle in den Verhaltensmustern vergangener Zeiten: Abwiegeln, Beschwichtigen, Vertuschen.

Zunächst erklärte Roskosmos-Pressesprecher Igor Panarin, dass die Dnepr nach 86 Sekunden Flug versagt habe und in einem unbewohnten Gebiet abgestürzt sei. Niemand sei verletzt oder getötet werden. Die Rakete sei als ganzes abgestürzt und beim Aufprall nahezu pulverisiert worden. Der meiste Treibstoff sei bereits in der Luft verbrannt. Von den Wrackteilen und dem Aufschlagkrater gehe keinerlei Gefahr für Mensch und Tier aus. Eventuell vorhandene Treibstoffreste würde durch die heiße Sommersonne in kürzester Zeit zersetzt und neutralisiert. Fazit: Eigentlich sei durch den Fehlstart für Kasachstan kein Schaden entstanden. Die Kasachen sehen die Sache naturgemäß anders. Der lokale Gouverneur beklagt die Verseuchung von Weideland. Unklar ist auch, wieviel Treibstoff in das Grundwasser gelangt und ob eine 30 km entfernte Siedlung dadurch nicht doch gefährdet ist. Der Parlamentsabgeordnete Tochtar Aubakirow, ein ehemaliger Kosmonaut, wies darauf hin, dass die russischen Bergungsmannschaften nicht gründlich genug nach Trümmern der Dnepr suchten. Tatsächlich fanden Kasachen und nicht Russen den Nasenkegel der Nutzlastverkleidung in einem 60 cm tiefen Krater, nur 24 km vom Abschuss-Silo Platz 109 und damit noch fast auf dem Gebiet des Kosmodroms. Und schließlich wurden 48 km südlich von Baikonur Reste der zweiten und dritten Stufe und der Satelliten entdeckt.

Ende August äußerte sich Roskosmos zu den Ursachen der Havarie. Weil die Dnepr eigentlich eine im aktiven Dienst der Streitkräfte befindliche Atomrakete ist, wurde der Abschlußbericht der Untersuchungskommission nicht veröffentlicht. Versagt hat das Triebwerk der 1.Stufe. Ein hydraulischer Schwenkmechanismus eines der vier Triebwerke dieser Stufe versagte. Dadurch wich die Rakete vom Kurs und wurde nach der Logik der Steuersystems mit dem Befehl "Havarieabschaltung der Triebwerke" (AWD) abgeschaltet. Über die Ursache des Versagens des Stellmechanismus gibt es zwei Theorien. Die eine besagt, dass die Dnepr Nr.7 als erstes Exemplar ein spezielles Ausweichmanöver fliegen sollte, um einen Absturz über bewohntem Gebiet zu vermeiden. Möglicherweise wurde der Mechanismus dabei stärker als berechnet belastet und versagte. Die zweite Variante geht von einem unerkannten Produktionsfehler beim Bau des Triebwerks dieser Rakete vor 25 Jahren aus.

In der gegenwärtigen Situation ist völlig unklar, ob und wann die nächste Dnepr in Baikonur startet. Gegenwärtig laufen Verhandlungen zur Zahlung von Kompensationen an Kasachstan.

Kliper wird nicht gebaut

Die hochfliegenden Pläne Russlands für eine neues bemanntes Raumfahrzeug haben einen schweren Dämpfer erhalten. Die Ausschreibung der russischen Regierung endete im Juli 2006 ohne Benennung eines Siegers. Alle drei Bewerber, Energija, Chrunitschew und Molnija, konnten die finanziellen Vorgaben von Roskosmos nicht erfüllen. Ausweg aus dem Dilemma: eine weitere Modernisierung von Sojus unter Einbeziehung der Europäer. ACTS oder Advanced Crew Transportation System heißt die russisch-europäische Machbarkeitsstudie für ein gemeinsames Raumschiff. ACTS ist ein volldigitalisiertes und zentralisiertes Schiff und soll mondflugtauglich sein. Wichtigster äußerer Unterschied zu Sojus ist die neue Wohnsektion, die europäische Firmen entwickeln und liefern sollen.

Unterdessen hat die Firma Energija, Russlands Monopolist für bemannte Raumschiffe, einen eigenen Stufenplan für die nächsten 30 Jahre vorgelegt.

1. verbesserte Raumfahrzeuge für den Erdorbit

Bis 2010 fliegt die "digitale" Sojus, deren vollständig modernisierte Bordsysteme Flüge bis zu einem Jahr und mehr Fracht erlauben. Mit einem stärkeren Hitzeschild kann dieses Schiff auch auf eine Mondreise ohne Landung geschickt werden. Es soll sich dabei um kommerzielle Mondumrundungen handeln. Das Ticket kostet 100 Millionen Dollar.

Als Nachfolger für Progress wird der Raumschlepper Parom entwickelt. Bei einer Startmasse von 12,5 t startet Parom mit der neuen Sojus 2-3-Rakete. Parom kann im Orbit betankt werden und bis zu 15 Jahren fliegen. Er sammelt Frachtcontainer (4 - 13 t Fracht) ein, die mit anderen Raketen in den Orbit geschossen werden ,und bringt sie zur ISS. Der Erstflug von Parom wird 2009 erwartet.

2. Ausbau des russischen Segments der ISS

Für 2009 (ursprünglich 2007) wird der Start des nächsten russischen ISS-Moduls erwartet. Dieses Mehrzweck-Labor, der ehemalige FGB-2, koppelt am unteren Stutzen von Swesda. Es trägt an seiner Unterseite weitere sechs Kopplungsstutzen. Pirs wird vor dem Ankoppeln zum oberen Stutzen von Swesda umgesetzt.

3.Mondflüge

Unter Nutzung des digitalen Sojus-Raumschiffes, der Oberstufe Block-DM und eines neuentwickelten Mondlanders soll 2015 eine bemannte russische Mondlandung erfolgen. Dafür sind 7 Raketen (!) erforderlich. Später sollen ein ständiges Erde-Mond-Transportsystem eingeführt und eine Mondbasis errichtet werden.

4.Marsflug

Nach 2025 könnte ein elektrisch angetriebenes Raumschiff für den Flug zum Roten Planeten bereitstehen.

Wie erwähnt, es handelt sich hierbei um Vorstellungen der Firma Energija. Angesichts des schmalen russischen Raumfahrtbudgets, des Fehlens einer politischen Motivation und der Priorität militärischer, volkwirtschaftlicher und wissenschaftlicher Interessen, bleibt es zweifelhaft, wie weit diese Vorschläge umgesetzt werden können.

Fotos vom zerstörten Buran

Bart Hendrickx, ein bekannter belgischer Raumfahrtexperte, hat nun im Internet Fotos gefunden, die die Zerstörung der Original-Raumfähre Buran beim Dacheinsturz in Baikonur 2002 belegen:
http://www.buran.ru/images/jpg/bbur90.jpg
http://www.buran.ru/images/jpg/bbur89.jpg

nach unten scrollen, auf den Bildern 6 und 7 sieht man Reste des Buran

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Russische Raumfahrt-51 (Juli 2006)

Ein schwarzer Monat für Baikonur: der Start von Metop-1 muß nach drei vergeblichen Versuchen abgesagt werden und nur eine Woche später stürzt eine mit giftigem Treibstoff beladene Dnepr kurz nach dem Abschuß in Südkasachstan ab. Politischer Ärger und enttäuschte Kunden sind vorprammiert.

Genesis-1 gestartet

Am 12. Juli 2006 startete um 18.54 Uhr Moskauer Zeit von Jasnij (Gebiet Orenburg, Südrussland) eine Trägerrakete des Typs Dnepr. Sie brachte den amerikanischen Satelliten Genesis-1 in eine Erdumlaufbahn 555 - 561 km bei 64,5° Neigung.

Der Start von Genesis-1 war mehrfach bedeutsam. Zum ersten Mal wurde eine Weltraummission in Jasnij gestartet. Jasnij liegt auf dem Gebiet der Raketenbasis Dombarowskij. Dombarowskij ist eine operative Raketenbasis der Strategischen Raketentruppen (RWSN). Sie wurde 1964 gegründet und verteilt sich über ein großes Steppengebiet nördlich der kasachischen Grenze. Von 64 gebauten Silos waren 2004 noch 52 in Betrieb. Die 31.Raketenarmee, die in Dombarowskij stationiert ist, ist mit Interkontinentalraketen des Typs R-36M2 bewaffnet. Die Dnepr passt in die Silos dieser Raketen.

Seit 2004 baute Kosmotras, die Betreibergesellschaft der Dnepr, auf eigene Rechnung Dombarowskij zu einem Kosmodrom für seine Raketen um. Der Grund: Kasachstan wünscht die Einstellung aller Einsätze militärischer Raketen von seinem Territorium. Die Achte Verwaltung, die die Dnepr in Baikonur startet, wird bis 2007 abgezogen. Die noch vorhandenen Dnepr-Silos werden dann wahrscheinlich gesprengt. Ende 2004 startete eine R-36M2 in Dombarowskij. Dieser Flug ebnete den Weg für Weltraumeinsätze. Kosmotras baute ein Hotel für ausländische Gäste und einen Cleanroom für ausländische Satelliten. Das für Weltraumeinsätze bestimmte Areal wird nun Jasnij genannt.

Es handelte sich um den sechsten Start einer Dnepr seit 1999 im Auftrag von Kosmotras.

Genesis-1 ist eine private Nutzlast. Sie wurde von Bigelow Aerospace aus Las Vegas gebaut. 1999 gründete Robert Bigelow seine Firma. Die Geschäftsidee: Einsatz aufblasbarer Habitate als Touristenhotel im Erdorbit. Bigelow hat bereits 75 Millionen Dollar in sein Projekt investiert, und rechnet damit, weitere 500 Millionen Dollar ausgeben zu müssen. Das Projekt wird sehr systematisch vorbereitet. Genesis-1 ist der erste Schritt. Das Gerät ist 4 m lang und hat in der Rakete einen Durchmesser von 1,9 m. Im Orbit wird es auf 3,8 m Durchmesser aufgeblasen. Es handelt sich dabei um ein 1:3 Modell des endgültigen Habitats BA 330. An Bord von Genesis-1 sind 13 Kameras. Sie filmen das Aufblasen und das Verhalten des Gerätes im Laufe seines Fluges. Sollte die Mission Genesis-1 zufriedenstellend verlaufen, kann bis Ende 2006 mit einer weiteren Dnepr Genesis-2 starten. Hier werden weitere Bordsysteme getestet. Bigelow wäre kein Geschäftmann, wenn er nicht schon Genesis-2 kommerziell nutzen würde. Man kann für 295 Dollar einen Gegenstand bis zur Größe eines Tennisballs oder sein Firmenlogo mitschicken. Es wird im Orbit fotografiert und das Foto kann zur Werbung benutzt werden.

Auf Genesis folgt ab 2008/2009 als Zwischenschritt das Habitat Guardian, das 45% der Größe des Endmodells BA 330 hat. BA 330 soll über ein internes Volumen von 330 Kubikmeter verfügen und ab 2012 erprobt werden. Ab 2015 soll dann ein Hotel für Weltraumtouristen auf das Basis von BA 330 fertig sein. Insgesamt sind 6-10 Testflüge der aufblasbaren Module bis 2010 geplant.

Bisher verläuft der Flug von Genesis-1 erstaunlich problemlos. Bilder von der Außenseite und aus dem Inneren des Satelliten zeigen die planmäßige Entfaltung der Solarzellenflächen und verschiedene Firmenlogos.

Kosmos 2422 gestartet

Am 21.Juli 2006 startete um 8.20 Uhr Ortszeit von der Rampe PU-2 (Platz 16) auf dem nordrussischen Kosmodrom Plessezk eine Rakete des Typs Molnija-M mit dem Militärsatelliten Kosmos 2422 an Bord. Nach einer Stunde erreichte der Satellit die vorgesehene langgestreckte Umlaufbahn 860 - 39.000 km bei 62,85° Neigung. Kosmos 2422 ist en Frühwarnsatellit des Typs Oko (auch bekannt als US-KS oder Gerät 73D6). Er ergänzt die beiden seit 2002 arbeitenden Frühwarnsatelliten Kosmos 2388 und 2393. Daneben gehört noch der geostationäre Kosmos 2379 (US-KMO, Gerät 71Ch6) zum Frühwarnsystem vor Raketenangriffen. Kosmos 2379 ist bereits seit 2001 im Einsatz. Zum Frühwarnsystem gehören normalerweise neun US-KS und zwei US-KMO.

Wegen fehlender Gelder und Raketen kann frühestens 2007 ein weiterer geostationärer Frühwarnsatellit gestartet werden.

Absturz einer Dnepr

Nur zwei Wochen nach dem erfolgreichen Erstflug einer Dnepr von der Basis Jasnij ist eine weitere Dnepr, diesmal in Baikonur gestartet, abgestürzt.

Am 27.Juli 2006 startete um 1.43 Uhr nachts (Ortszeit) aus einem Silo auf Platz 109 auf dem kasachischen Kosmodrom Baikonur die 7.Rakete des Typs Dnepr mit insgesamt 18 Satelliten aus Weißrussland, Russland, Italien, den USA, Norwegen, Südkorea und Japan an Bord.

Der Start wurde unter anderem vom weißrussischen Präsidenten Lukaschenko beobachtet, da die Dnepr den ersten nationalen Satelliten Weißrußlands, BelKA, in den Orbit tragen sollte. Der Abschuß wurde den von Strategischen Raketentruppen im Auftrag der russisch-ukrainischen Firma Kosmotras und Mitwirkung der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos durchgeführt.

Schon kurz nach dem Start traten Probleme mit der Rakete auf. Ein Augenzeuge berichtete, daß 69 Sekunden nach dem Start die Triebwerksflammen der 1.Stufe erloschen. In den folgenden fünf Sekunden gab es drei rote Blitze abnehmender Intensität. Nach einer offiziellen Verlautbarung von Roskosmos wurde 86 Sekunden nach dem Start das Marschtriebwerk der 1.Stufe abgeschaltet. Zuvor war die Rakete deutlich vom Kurs abgewichen. Sie blieb intakt und stürzte 189,6 km südwestlich vom Startplatz im Verwaltungsbereich Ksyl-Orda in der menschenleeren Steppe Südkasachstans ab. Während der gesamten Zeit (5 Minuten) wurden telemetrische Daten übertragen. Am Morgen wurde der Absturzort vom Flugzeug aus entdeckt und sofort Suchtrupps mit Meßgeräten entsandt. Diese Operation übernahm die Firma Maschinostrojenije, die für die Überwachung und Bergung von Raketentrümmern verantwortlich ist. Augenscheinlich gab es keine Toten oder Verletzten im Absturzgebiet. Der Aufschlagkrater war 50 breit und 15 m tief. Die Rakete stürzte nach Ansicht von Roskosmos nahezu senkrecht, mit der Spitze zuerst, ab. Beim Aufschlag verbrannte der an Bord verbliebene Treibstoff nahezu vollständig. Bis auf eine 2 m lange Treibstoffleitung blieben keine größeren Fragmente der Rakete und der Nutzlast übrig. Die Suchtrupps nahmen sofort eine Analyse des Bodens und der Luft im Absturzgebiet vor. Die Dnepr fliegt mit dem Treibstoff Heptyl, der giftig und krebserregend ist.

Schon 5 Tage später erklärte Roskosmos, dass die Kontamination des Bodens sich auf einen Bereich mit einem Durchmesser von 1000 m beschränke. Dennoch wurde das Trinkwasser der 35 km entfernten Ortschaft Shanakal mit 2000 Einwohnern untersucht.

Bei der Beurteilung des Zwischenfalls unterscheiden sich Kasachstan und Russland deutlich.

Die Betreiberfirma Kosmotras schwieg zunächst völlig zu dem Fehlschlag. Erst nach Tagen erschien ein sehr kryptisch formuliertes Bulletin. Auch Roskosmos sprach zunächst von einer "Störung".

Es gibt keine veröffentlichten Bilder vom Absturzort. Nach den offiziellen Verlautbarungen sind alle Effekte des giftigen Treibstoffs Heptyl nur sehr lokal begrenzt. Der meiste Treibstoff sei ohnehin schon im Flug und beim Aufprall verbrannt und nicht in den Boden gelangt.

Am 28.Juli wurde eine amtliche Untersuchungskommission unter Vorsitz von Nikolai Anfimow, Chef des renommierten ZNIIMasch, gebildet. ZNIIMasch ist seit Jahrzehnten die führende Organisation Russlands auf dem Gebiet der Forschung für Raketen- und Raumfahrtechnik. Die Kommission soll bis Ende August 2006 ihren Bericht vorlegen.

Der kasachische Ministerpräsident Daniel Achmetow kündigte dagegen eine gründliche Untersuchung des Vorfalls an. Kasachische Team beteiligen sich an den Bergungsmaßnahmen und Umweltuntersuchungen. Die der Absturzstelle nächstgelegenen Ortschaften Shanakal und Kuandarija wurden gesperrt. Am 2.8. verhängte Kasachstan ein Startverbot für die Dnepr. Kasachstan kämpft schon lange um ein Startverbot für mit Heptyl betankte Raketen in Baikonur. 1999 stürzten zwei Proton- Raketen in Kasachstan ab. Russland mußte damals Kompensation zahlen. Die Kasachen möchten am liebsten nur noch Raketenstarts mit ökologisch unbedenklichen Treibstoffen zulassen. Auch in der Altai-Region und in den Aufschlagzonen von Plessezk regt sich zunehmender Protest gegen Umweltverschmutzung durch Heptyl-Raketen.

Der Absturz der Dnepr ist ein weiterer schwerer Schlag für die Reputation der russischen Raumfahrtindustrie. Seit Juni 2005 sind 5 von 33 Raketenstarts mißlungen. Das entspricht einer Quote von 15% und liegt damit weit über dem international üblichen Durchschnitt. Hinzu kommen mehrere Satelliten mit Fehlfunktionen, die ihre Aufgabe gar nicht oder nur teilweise erfüllen konnten.

Das abgestürzte Dnepr - Exemplar stand mehr als 20 Jahre im Truppendienst und war 2003 ausgemustert worden. Erste Untersuchungen weisen auf einen Produktionsfehler im Triebwerk hin.

Der Stellmechanismus einer Triebwerksdüse funktionierte nicht einwandfrei.

Wie üblich hat sofort eine Schuldzuweisung zwischen ukrainischen und russischen Firmen begonnen - eine alte und unschöne Tradition aus Sowjetzeiten: ein Schuldiger muß gefunden werden, damit alle anderen frei gesprochen werden können.

Die Rakete war das Ersatzexemplar für eine andere, ursprünglich für diesen Flug vorgesehene Dnepr. Sie sollte bereits am 28.Juni 2006 starten, hatte allerdings ein fehlerhaftes Lenksystem und wurde deshalb durch die nun abgestürzte Rakete ersetzt. Erstmals wurde zwischen der 70. und 74.Flugsekunde ein neues Manöver geflogen, mit dessen Hilfe ironischerweise die in der 1.Stufe beim Abschalten verbleibende Restmenge an Treibstoff reduziert werden sollte.

Hier noch eine Kurzvorstellung der verlorengegangenen Satelliten:

- BelKA (750 kg), erster Satellit Weißrusslands, Erdbeobachtung, 2 Kameras (2,5 + 10 m Auflösung),
Hersteller Energija (Russland), Plattform Viktorija (wie Jamal-Nachrichtensatellit), 11.5.2006 in Baikonur angeliefert, in MIK-254 vorbereitet
- Baumanjez (92 kg), Russland, Studentensatellit, Technische Universität Moskau (Bauman-Uni), Würfel mit 70 cm Kantenlänge, Kamera, Funkamateurtechnik, gebaut von Maschinostrojenije
- Unisat-4 (12 kg), Italien, Universität La Sapienza Rom, Kamera, GPS Empfänger, aerodynamisches Wiedereintrittsexperiment (?)
- PiCPoT (3 kg), Italien, Politecnico di Torino, Würfel mit 15 cm Kantenlänge, 3 Kameras, dreiachsenstabilisiert (Schwungrad)

- 5 Behälter P-POD mit je 2-3 Satelliten des Typs Cubesat von verschiedenen Universitäten und einer Privatfirma.
Jeder Cubesat wiegt 1 kg und ist ein Würfel ist 10 cm Kantenlänge. Im Einzelnen gibt es Abweichungen in der äußeren Form. Eine schöne Übersicht der 14 Cubesat findet man auf:

http://cubesat.calpoly.edu/

Pod A :
- Sacred, USA, Universität Arizona, Untersuchung des Einflusses von Strahlung auf Elektronik
- ION, USA, Universiät Illinois, ein Doppel-Cubesat , daher nur 2 Cubesat im Behälter,
Messung des Airglow, Erprobung eines elektrischen Mikro-Antriebs (mVAT), Erprobung eines neuartigen Computers unter Weltraumbedingungen, Minikamera, Erprobung bodengestütze Lagekontrolle

Pod B:
- Rincon, USA, Universität Arizona, Testsatellit, Kommunikationsversuche
- ICE Cube 1, USA, Cornell University, Untersuchung der elektrischen Stärke von Wolken in der Ionosphäre
- KUTESat, USA, Universität Kansas, Strahlungsmessungen, Kamera, Vorbereitung weiterer Flüge

Pod C:
- nCube, Norwegen, Demonstrationssatellit zur Übung für Studenten, Navigationsexperimente
- HAUSAT 1, Südkorea, Hankuk Aviation Uuniversity, Navigationsversuche, Erprobung Sonnensensor, Ausklappmechanismus Solarzellenfläche
- SEEDS, Japan, Nihon University, Erprobung eines Dreiachsen-Stabilisierungssystems mit Schwungrädern und geomagnetischen Sensoren

Pod D:
- CP2, USA, California Polytechnic State University, Energiebilanzexperiment
- AeroCube 1, USA, The Aerospace Corp., privater Picosatellit
- Merope, USA, Montana State University, Strahlungsmessungen im Van-Allen-Gürtel

Pod E:
Voyager, USA, Universität Hawaii, Erprobung von Antennen und eines passiven Lagekontrollsystems
ICECube 2, USA, Cornell University, Untersuchung der elektrischen Stärke von Wolken in der Ionosphäre
- CP1, USA, California Polytechnic State University, Erprobung neuer Bordsysteme (Sensoren, Lagekontrolle)

Es war geplant, alle 18 Satelliten 900 Sekunden nach dem Start in einer Polarbahn in 500 km Höhe auszusetzen.

Quellen:
www.federalspace.ru, www.kosmotras.ru, Anatoli Zak, Jim Oberg

Kompsat-2 gestartet

Am 28.Juli 2006 startete um 11.05 Uhr Ortszeit von Platz 133 auf dem nordrussischen Kosmodrom Plessezk eine Rakete des Typs Rockot mit dem südkoreanischen Satelliten Kompsat-2 an Bord.

Im Gegensatz zum letzten Rockot-Flug vor 10 Monaten klappte diesmal alles wie am Schnürchen.

Kompsat-2 (798 kg) erreichte die geplante sonnensynchrone Umlaufbahn (679 - 701 km 98,1°).

Die Oberstufe Bris-KM brannte nach dem Aussetzen des Satelliten in der Zielbahn ein letztes Mal, um den restlichen Treibstoff zu verbrauchen und eine niedrigere Bahn zu erreichen (504-699 km).

Kompsat-2 wird auch Arirang-2 genannt. Es handelt sich um einen hochauflösenden Erdbeobachtungssatelliten. Die Kamera mit einer maximalen Auflösung von 1 m wurde gemeinsam mit der israelischen Firma El-Op entwickelt. Der Satellitenbus AstroSat 500 wurde von EADS Astrium aus Deutschland bereitgestellt. Die Mission Kompsat-2 wird vom Korean Aerospace Research Institute, KARI, der führenden Authorität Südkoreas auf dem Gebiet der Raumfahrt betreut.

Mit Kompsat-2 sammelten die koreanischen Ingenieure weitere Erfahrungen beim Bau von Satelliten, diesmal mit den Europäern (Kompsat-1 wurde gemeinsam mit der amerikanischen Firma TRW gebaut). Die Aufnahmen des Satelliten stehen dem Geographischen Dienst Südkoreas (GIS) zur Verfügung. Es gilt aber als sicher, dass auch das Militär die Aufnahmen von Kompsat-2 zur Überwachung nordkoreanischer Militäranlagen nutzen wird. Die geplante Funktionsdauer des Satelliten beträgt mindestens 3 Jahre.

Am 21.6.2006 war Kompsat-2 mit dem Flugzeug aus Seoul in Archangelsk eingetroffen. Vor dort ging es mit der Bahn nach Plessezk weiter. Nach Montage und Betankung wurde der sogenannte Kopfblock am 20.7. zur Rampe (Platz 133) gebracht auf die Rakete, eine ausgemusterte Interkontinentalrakete vom Typ UR-100NUTTCh, gesetzt. Der Abschuß gelang zur geplanten Zeit.

Wegen des Fehlstarts von Cryosat im Oktober 2005 war die Software der Rockot überarbeitet worden.

Weitere Flüge sind für 2007 geplant.

Metop fliegt nicht

Nach drei erfolglosen Startversuchen am 17., 18. und 20.Juli 2006 wurde der Start des europäischen Wettersatelliten MetOp-1 abgesagt. Er kann nun frühestens im September 2006 erfolgen.

Ursache war eine Fehlfunktion der modernisierten Bodenanlagen in Baikonur.

MetOp-1 sollte mit der brandneuen Sojus 2-1a fliegen, die erst einen einzigen Einsatz absolviert hat.

Die Rakete verfügt über ein digitales Lenksystem. Dadurch kann sie mit einer neuen, großvolumigen Nutzlastverkleidung ausgerüstet werden. Die Verkleidung ist 11,4 lang und hat einen Durchmesser von 4,1 m . Eine derartig große Verkleidung kann mit der herkömmlichen, analog gesteuerten Sojus nicht fliegen. Die große Verkleidung wird für kommerzielle Einsätze der Sojus ST ab 2008 in Kourou benötigt.

Für Sojus-2 wurden die Rampe PU-6 und die Montagehalle MIK-40 auf Platz 31 in Baikonur modernisiert. Bereits Anfang des Jahres begannen die Vorbereitungen der MetOp-Mission: die Sojus 2-1a Nr.003 wurde vollständig montiert (ohne Nutzlast) und am 30.1.2006 zur Rampe PU-6 gerollt. Dort blieb sie 3 Tage, um die Mannschaft mit dem neuen Gerät zu trainieren und alle Änderungen zu prüfen. Am 2.2.2006 kehrte sie in das MIK-40 zurück und wurde zerlegt und eingelagert.

Die Nutzlast, der europäische MetOp-1 (4085 kg) traf am 18.4.2006 mit dem Flugzeug in Baikonur ein. Die Arbeiten in den Reinsträumen der Firma Starsem im MIK-112 dauerten ein Vierteljahr. Am 8.6. kam auch die Oberstufe Fregat Nr. 1011 mit einer AN-124 auf dem Kosmodrom an.

Am 14.7. rollte das fertig montierte Gespann auf die Rampe PU-6. Man ging von einem pünktlichen Start am 17.Juli um 22.28 Uhr Ortszeit aus. Die Hoffnungen erfüllten sich nicht.

Am 17.Juli 2006 wurde der Countdown durch ein nicht näher spezifiziertes Problem am Boden abgebrochen. Der zweite Startversuch am 18.Juli wurde kurz nach Beginn der Betankung der Rakete abgesagt, weil die Telemetrie auf einen Fehler hinwies. Der dritte Startversuch am 20.Juli endete 3 min 5 s vor dem Abheben mit einem erneuten Countdownabbruch. Die Rakete wurde in das MIK-40 zurückgebracht, zerlegt und eingelagert. MetOp ging in das MIK-112 zurück.

Kliper-Design erneut überarbeitet - wird Kliper gestrichen ?

Kliper, Russlands Raumschiff des 21.Jahrhunderts, ist seit letztem Jahr Bestandteil des nationalen russischen Raumfahrtprogramms bis zum Jahr 2015. Im Juni sollte der Sieger der Ausschreibung zum Bau des Schiffes bekanntgegeben werden, aber noch immer steht das endgültige Design nicht fest.

Nachdem längere Zeit ein geflügeltes Gerät favorisiert wurde, ist nun wieder eine Kapsel erste Wahl.

Der Grund: Kliper soll mondflugtauglich sein. Die russische Raumfahrtbehörde hofft, Kliper gemeinsam mit der ESA entwickeln zu können. ESA-Generaldirektor Jean Jacques Dordain ist ein Befürworter dieser Idee, aber innerhalb der ESA-Mitglieder hält sich das Interesse in Grenzen.

Nach den Vorstellungen der ESA-Planungsabteilung für bemannte Raumflüge könnten der ESA-Ministerrat 2008 den Bau eines russisch-europäischen Raumschiffes beschließen. Dazu müssten jetzt 30 Millionen Euro für eine Vorstudie bereitgestellt werden. Das Raumschiff besteht im wesentlich aus einer geometrisch vergrößerten Sojus-Kapsel, einem Wohnmodul (vom europäischen Columbus-Modul der ISS abgeleitet) und einer Antriebs- und Versorgungseinheit auf Basis des europäischen ATV. Dieses Schiff könnte bereits 2014 mit vier Kosmonauten zum Mond fliegen.

Ein geflügeltes Gerät wird als zu teuer und zu schwierig im Entwicklungsaufwand eingeschätzt. Daher mussten nun die Kliper-Vorschläge der russischen Firma Energija überarbeitet werden.

Auf der internationalen Luft- und Raumfahrtmesse Farnborough äußerte Roskosmos-Chef Perminow am 18.Juli 2006 überraschend, daß die Ausschreibung ohne Sieger beendet worden sei. Keiner der drei Bewerber, Energija, Chrunitschew, Molnija, konnte die finanziellen Vorgaben des Staates erfüllen.

Es bleibt nun offen, ob es tatsächlich einen Nachfolger für Sojus geben wird oder nur eine umfassende Modernisierung des 40 Jahre alten Schiffes erfolgt.

Quelle: eMail Bart Hendricks, FPSpace, 18.7.2006

Russische Mondsonde geplant

Lange Jahre befand sich das russische Planetenforschungsprogramm in einer tiefen Krise. Nach dem Fehlstart von Mars-96 wurden keine neue Missionen gestartet. Seit einigen Jahren arbeitet die Firma Lawotschkin an der äußerst ambitionierten Marssonde Fobos-Grunt. Der Start ist für 2009 geplant.

Nun gibt es auch ein Mondprojekt. Es heißt Luna-Glob und soll 2012 starten.

Luna-Glob besteht aus einem Mutterschiff , einer Kassette mit 12 Penetratoren und einem Lander (Polarstation).

Jeder Penetrator ähnelt einem Dartpfeil und ist mit einem Seismometer ausgerüstet. Nach 4 Tagen Flug löst sich eine ringförmige Kassette mit zehn Penetratoren vom Mutterschiff. Sie wird rotationsstabilisiert und stößt einige hundert Kilometer über der Mondoberfläche zunächst 5 Penetratoren aus, die als Schwarm in Formation auf den Mond zufliegen. Etwas später folgt die zweite Gruppe. 250 s nach dem Ausstoß schlagen die ersten fünf Penetratoren im Umkreis von 10 Kilometer auf dem Mond auf. Die zweite Gruppe bleibt etwas dichter zusammen, da sie in niedrigerer Höhe ausgestoßen wurden. Jeder Penetrator bohrt sich etwas in die Oberfläche ein und hinterlässt eine Sendeantenne auf dem Boden. Die Penetratoren sind miteinander vernetzt und suchen nach Mondbeben.

Nach den 10 Penetratoren lösen sich zwei weitere Landegeräte vom Mutterschiff. Sie verfügen über eine umfangreichere Instrumentierung und Bremsraketen zur Dämpfung des Landestoßes. Ein Gerät landet in der Nähe von Apollo 11, das andere bei Apollo 12. Dadurch können die seismischen Daten von Luna-Glob mit den alten Daten der amerikanischen Raumschiffe verglichen werden. Dadurch kann die Masse des Mondkerns bestimmt und eine Aussage über seinen Ursprung getroffen werden.

Nach dem Lösen der Penetratoren und Landegeräte tritt das Mutterschiff in eine Mondumlaufbahn ein.

Aus dem Orbit wird ein Lander mit Bremsrakete und Airbag in einen Krater am Südpol abgesetzt. Der Lander verfügt über ein Massenspektrometer und eine Neutronenspektrometer, Seismometer und kann Wassereis nachweisen. Der Orbiter dient der Datenübertragung der 13 Landegeräte zur Erde.

Luna-Glob ergänzt damit des Messungen des Lunar Crater Oberservation and Sensing Mission(USA, 2008) und der indischen, chinesischen und europäischen Mondmissionen.


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Russische Raumfahrt-50 (Juni 2006)

Resurs DK gestartet

Am 15. Juni 2006 startete um 15.00 Uhr Ortszeit vom Juri-Gagarin-Startkomplex ( Rampe PU-5 , Platz 1) auf dem kasachischen Kosmodrom Baikonur die Trägerrakete Sojus-U Nr.096 mit dem opto-elektronischen Erdbeobachtungssatelliten Resurs DK Nr.1L an Bord. Sie war am 13.6. 2006 auf die Rampe gebracht worden. Der Start verlief normal. Da im Gegensatz zu den sonst üblichen Starts von PU-5 eine Bahnneigung von 70 Grad gewählt wurde (sonst sind 51,6° üblich), gingen die vier Antriebseinheiten der ersten Stufe in der Aufschlagzone Nr.27 im Gebiet Karaganda/Kustanai (Kasachstan) nieder. Der Aufstieg folgte dem für die Sojus-Rakete gewöhnlichen Muster: nach 118 s trennten sich die Blöcke der erste Stufe, nach 171 s wurde die Nutzlastverkleidung abgeworfen (es wurde die gleiche Verkleidung wie für die Globalstar-Missionen für Starsem verwendet ), nach 287 s wurde die zentrale zweite Stufe abgetrennt und nach 525 s hatte die dritte Stufe Brennschluß. 3 Sekunden später wurde Resurs DK auf der Anfangsbahn 200-360 km ausgesetzt. Am 18.6. erreichte der Satellit aus eigener Kraft den operativen Orbit 355 - 585 km.

Mit Resurs DK werden die Bemühungen der Raumfahrtbehörde Roskosmos fortgesetzt, hochauflösende Erdbeobachtungssatelliten in der Umlaufbahn zu stationieren. 2005 wurde Monitor-E von Chrunitschew gestartet und mit einigen Schwierigkeiten in Betrieb genommen.

Resurs DK wurde vom Samara Space Center gebaut, dass seit 40 Jahren Erdbeobachtungssatelliten, vor allem für militärische Zwecke, entwickelt. Das militärische Gegenstück von Resurs DK heißt Neman und ist seit 1982 im Dienst. Resurs DK wurde aber erheblich modernisiert. Der Satellit erreicht ein maximales Auflösungsvermögen von 80 cm und spielt damit in einer Leistungsklasse mit Ikonos (USA) und Eros (Israel). Die Aufnahmen werden digital direkt an die Bodenstation übertragen.

Die Funktionsdauer soll drei Jahre betragen, während Neman maximal 400 Tage eingesetzt werden konnte. Das opto-elektronische Beobachtungsinstrument Geoton-L1 liefert das Mechanische Werk Krasnogorsk, ein alter Partner von Samara beim Bau von Beobachtungssatelliten. Die dazugehörige Elektronik und Software (Sangur-1) kommt von OPTEX, während die Firma Totschpribor das Datenspeicher- und übertragungssystem beisteuert.

Resurs DK Nr.1 ist der bislang modernste und leistungsfähigste russische Erdbeobachtungssatellit, allerdings mit 6550 kg Masse, 7,93 m Länge und 2,72 m Durchmesser auch ein Gigant im Vergleich zu den westlichen Konstruktionen gleicher Leistungsklasse. Die Solarzellenflächen haben eine Fläche von 36 qm (zum Vergleich: Sojus-Raumschiff 14 qm).

Aufgrund der Nutzlastreserven der Sojus-U trägt Resurs DK neben dem Fotokomplex noch zwei wissenschaftliche Experimente: Pamela aus Italien (Nationales Institut für Nuklearphysik INFN) zur Suche nach Antimaterie und Ariana aus Russland (Institut für Ingenieurwesen und Physik Moskau) zur Untersuchung hochenergetischer Teilchen. Dieses Experiment reiht sich in die Versuche mit Kompas-2 (siehe Russische Raumfahrt-49) zur Erdbebenfrühwarnung durch Messung elektromagnetischer Phänomene ein.

Resurs DK hat eine lange Geschichte. Bereits 1999 war der Start geplant. Allerdings war die staatliche Finanzierung des Projekts so schlecht, dass der Termin kontinuierlich nach hinten geschoben werden musste. 2002 wurde der Satellit sogar Deutschland im Austausch für den Erlaß von Altschulden angeboten. Die Situation änderte sich ein Jahr später und der Bau des ersten Exemplars schritt rasch voran. Dennoch verzögerte sich am Ende der Start um rund ein Jahr. Die Trägerrakete Sojus-U Nr.096 wurde bereits im Sommer 2005 im MIK-112 in Baikonur eingelagert.

Kazsat gestartet

Am 18.Juni 2006 startete um 4.44 Uhr Ortszeit von der Rampe PU-39 (Platz 200) des kasachischen Kosmodroms Baikonur die Rakete Proton-K Nr.41012 mit der Oberstufe Block DM-3 Nr.23L und dem kasachischen Nachrichtensatelliten Kazsat. Es handelt sich um den ersten nationalen Satelliten Kasachstans, und entsprechend groß war das Interesse der Politik. Die beiden Präsidenten Putin (Russland) und Nasarbajew (Kasachstsan) ließen es sich nicht nehmen, dem Start persönlich beizuwohnen. Für den Niedergang von ausgebrannten Raketenstufen und Raketenreste wurden die Aufschlagzonen Nr.25 und 326 in Kasachstan und Sibirien genutzt. Zwei Zündungen der Oberstufe Block DM-3 genügten, um den nur rund 850 kg schweren Kazsat im geostationären Orbit abzusetzen. Er wird bei 103 Grad Ost stationiert.

Kazsat wurde im Auftrag der kaschischen Raumfahrtbehörde Kazkosmos bei Chrunitschew in Moskau gebaut. Der Vertrag wurde erst Anfang 2004 unterzeichnet. Eigentlich sollte er bereits Ende 2005 gestartet werden, aber erhebliche technische Probleme bei Chrunitschew verzögerten den Start.

Am 28.4. traf der Satellit mit einem Großraumtransporter An-124 in Baikonur ein. Er wurde in den Cleanrooms der riesigen Montagehalle MIK 92A-50 auf seinen Einsatz vorbereitet. Am 2.5.begann das Erprobungsprogramm. Zunächst wurde der Start für den 8.6. angekündigt, aber schon bald musste der Termin wegen technischer Probleme bei der Erprobung aufgeschoben werden.

Am 14.6. wurde die Rakete auf die Rampe PU-39 gerollt.

Die Rakete Proton-K Nr.41012 musste von den Streitkräften geborgt werden. Sie sollte ursprünglich einen militärische Frühwarnsatelliten vom Typ US-KMO transportieren. Aus politischen Gründen erhielt Kazsat Priorität, obwohl die Kapazität der Proton-K bei dieser Mission nur ungenügend genutzt wurde. Der dringend benötigte Militärsatellit kann nun erst 2007 starten.

Kazsat ist als Zusatznutzlast zu einem russischen Hauptsatelliten konzipiert. Allerdings fand sich keine geeignete Nutzlast und die Trägfähigkeit der Proton-K ist nur begrenzt. Die Proton-M mit der Oberstufe Bris-M war zu teuer und hätte ebenfalls modifiziert werden müssen, um eine größere Nutzlast im geostationären Orbit abzusetzen. Aus dem kommerziellen Programm (International Launch Services) war noch der ungenutzte Block DM-3 Nr.23L übrig, den der Energija-Konzern zur Verfügung stellte. Die Firma Lawotschkin baute eine Nutzlastverkleidung, wie sie bei kommerziellen Einsätzen mit westlichen Satelliten üblich ist.

Kazsat trägt 12 Transponder im Ku-Band. Er baut auf Chrunitschew´s Universalplattform Jachta auf, wurde aber erheblich modifiziert. Die Grundstruktur ist ein hohler Metallzylinder zur Lastaufnahme in der Startkonfiguration (wird direkt auf Block DM montiert und trägt an der Oberseite die Hauptnutzlast.

An der Außenseite des Zylinders sind die Paneele mit den Bordsystemen und der Nutzlast angebracht, so dass eine Kastenform entsteht. Wie alle modernen Satelliten ist Kazsat nicht hermetisiert. Er soll zehn Jahre arbeiten.

Progress M-57 gestartet

Am 24.06.2006 startete um 21.08 Uhr Ortszeit von der Rampe PU-5 (Platz 1) des kasachischen Kosmodroms Baikonur die Trägerrakete Sojus-U Nr.101 mit dem Versorgungsraumschiff Progress

M-57 für die Internationale Raumstation. Der Start erfolgte absolut planmäßig nach dem bereits vor einem Jahr angekündigtem Terminkalender. Der Startmannschaft des Konstruktionsbüros für Allgemeinen Maschinenbau (KBOM) gelang es, innerhalb von nur einer Woche den Startplatz für einen weiteren Abschuß vorzubereiten. Am 22.6. wurde die Rakete aus der Montagehalle MIK-112 zur Rampe gerollt und aufgerichtet.

Progress M-57 bringt 2580 kg Fracht zur Internationalen Raumstation. Am 26.6. koppelte das Schiff automatisch am Modul Pirs an. Der Stutzen war am 19.6. von dem ausgedienten Schiff Progress M-55 freigemacht worden. Progress M-55 verglühte drei Stunden später über dem Pazifik. An der Raumstation verblieben Progress M-56 am Modul Swesda und Sojus TMA-8 am Nadirstutzen von Sarja.

Kosmos 2421 gestartet

Am 25. Juni 2006 startete um 10.00 Uhr Ortszeit von der Rampe PU-20 (Platz 90) des kasachischen Kosmodroms Baikonur eine Trägerrakete des Typs Zyklon-2 mit dem Militärsatelliten Kosmos 2421 an Bord. Mit Hilfe des bordeigenen Antriebssystem gelangte der Satellit auf eine Bahn 405 - 415 km bei 65,0° Neigung.

Es handelt sich um einen Satelliten des Typs US-PU (System "Legenda"). Diese elektronischen Überwachungssatelliten dienen der Zielzuweisung für die Angriffs-U-Boote der russischen Kriegsmarine. Sie wurden in den 1960er Jahre zur Ortung der amerikanischen Trägerverbände entwickelt. Bis Anfang der 1990er Jahre wurden sie bei Arsenal in Sankt Petersburg gebaut. Kosmos 2421 befand sich 15 Jahre in einem Lager, bevor er startklar gemacht wurde. Bislang gibt es keinen modernen russischen Ozeanüberwachungssatelliten, wie sie der US Navy zur Verfügung stehen. Daher werden die Restbestände der vorhandenen US-PU mit den ebenfalls noch vorhandenen Restbeständen der Zyklon-2-Rakete gestartet. Beide Systeme sind schon seit mehr als 10 Jahren nicht mehr im Bau. Die Funktionsdauer eines US-PU beträgt 2 Jahre. Während früher 3-4 Satelliten gleichzeitig operierten, ist nun immer nur ein Exemplar im Orbit. Wenn es zum Absturz gebracht wird, wird der nächste Satellit einsatzbereit gemacht. Seit Jahren wird bei Arsenal an einem Nachfolgegerät gearbeitet, aber die Arbeiten haben sich wegen technischer und finanzieller Probleme erheblich verzögert.

Die Dringlichkeit des Starts von Kosmos 2421 wurde dadurch unterstrichen, dass an einem Sonntag gestartet wurde. Das ist für russische Verhältnisse sehr ungewöhnlich. Üblicherweise wird von Montag bis Samstag geflogen, der Sonntag ist den russischen Startmannschaften heilig. Nur in Ausnahmefällen wird auch Sonntag gestartet. Vom Aufrichten der Rakete auf der Rampe bis zum Abschuss vergingen nur vier Stunden. Das ist typisch für die Einsatzbereitschaft der nach militärischen Aspekten entwickelten Zyklon-2.

Eine Woche nach dem Start meldete die russische Zeitung "Kommersant", dass es technische Schwierigkeiten mit Kosmos 2421 gibt. Eine der beiden Solarzellenflächen konnte nicht entfaltet werden. Sollte das Problem nicht beseitigt werden, muß Mission Kosmos 2421 als gescheitert gelten.

Schon in Vergangenheit gab es Probleme mit lange gelagerten Raketen und Satelliten.

Galaxy 16 gestartet

Am 18.Juni 2006, nur wenige Stunden nach Kazsat, startete um 12.50 Uhr Ortszeit von der Plattform Odyssey im Pazifik eine Rakete des Typs Zenit-3SL mit dem amerikanischen Nachrichtensatelliten Galaxy 16. Nach 60 min Flugdauer und zwei Brennsequenzen der Oberstufe Block DM-SL wurde die geplante Bahn gewohnt präzise erreicht 2300 - 35.643 km bei 0°Neigung. Der 4640 kg schwere Galaxy 16 wird bei 99° West stationiert. Von dort übertragt er Fernsehen (8 Fernsehsender in Standard-Verfahren und HDTV) und Daten in den USA, Alaska, Hawaii, Kanada und Mexiko. Er wurde bei Space Systems/Loral (Typ SS/L 1300) gebaut und trägt 24 C-Band und 24 Ku-Band-Transponder.

Galaxy 16 wird von der amerikanischen Firma Panamsat betrieben.

Ausstieg aus der Internationalen Raumstation

In der Nacht vom 1. zum 2. Juni 2006 stiegen die beiden Raumfahrer Winogradow (Russland) und Williams (USA) aus dem Modul Pirs der Internationalen Raumstation für 6 Stunden 31 min in den freien Weltraum aus. Dabei trugen sie die russischen Raumanzüge Orlan-M Nr.25 (Winogradow) und 26 (Williams). Es war der 65.Ausstieg im Rahmen des Programmes der Internationalen Raumstation seit 1998. Unter Nutzung des Strela-Kranarmes wurden die beiden Raumfahrer auf dem Modul Swesda abgesetzt, wo sie ein Ventil für den Elektron- Sauerstofferzeuger austauschten. Durch dieses Ventil wird der bei der Elektrolyse entstehende Wasserstoff in den Weltraum abgeblasen.

Danach reparierten die Raumfahrer eine defekte Kamera auf der Mobile Base (Schienenweg für den Canadarm) und tauschten die russischen Experimente Kromka und Biorisk aus. Außerdem befestigten sie ein lockeres Kabel in der Nähe der Antenne WAL-2 auf dem Modul Swesda. Die Antenne WAL-2 wird für die Kopplung des europäischen Frachters ATV benötigt.

U-Boot-Rakete gestartet

Am 30. Juni 2006 startete um 10.25 Uhr Ortszeit aus einem getauchten Atom-U-Boot der Nordflotte in der Barentsee eine ballistische Rakete des Typs R-29RM. Es handelte sich um einen üblichen Übungsflug. Einen Monat zuvor hatte eine Rakete gleichen Typs den Satelliten Kompas-2 in den Erdorbit gebracht.


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Russische Raumfahrt-49 (Mai 2006)

Kosmos 2420 gestartet

Am 3.5.2006 startete um 21.38 Uhr Ortszeit von der Rampe PU-2 (Platz 16) auf dem nordrussischen Kosmodrom Plessezk eine Trägerrakete des Typs Sojus-U mit dem Militärsatelliten Kosmos 2420 an Bord. Nach 9 min erreichte der Satellit eine Erdumlaufbahn.

Nach übereinstimmender Meinung verschiedener Beobachter ist Kosmos 2420 der zweite Fotoaufklärungssatellit des Typs Kobalt-M. Man rechnet mit einer Flugdauer von rund 4 Monaten.

Mit Kosmos 2420 verfügt Russland nach einer Pause von 7 Monaten wieder über einen funktionierenden Fotoaufklärer im Orbit.

Kobalt-M wird bei Arsenal in Sankt Petersburg gebaut. Für 2007 wurde der Erstflug des neuen Aufklärungssatelliten "Person" angekündigt.

Kompas-2 verloren ?

Am 26.5.2006 startete um22.50 Uhr Ortszeit aus einem Silo des getauchten Atom-U-Bootes K-84 "Jekaterinburg" (Typ 667BDRM "Delfin") in der Barentsee eine Rakete des Typs Schtil. Sie brachte den Forschungssatelliten Kompas-2 in eine Umlaufbahn 488 - 401 km bei 78,9° Neigung.

Es war der zweite Orbitaleinsatz der Schtil. Dabei handelt es sich um eine normale U-Boot-Rakete des Typs R-29RM. Durch ein verändertes Aufstiegsprofil kann die Rakete anstelle nuklearer Sprengköpfe eine kleine Nutzlast in einen erdnahen Orbit transportieren. Der Hauptnachteil der Rakete besteht in dem sehr begrenzten Nutzlastvolumen. Der Satellit muß in einen speziellen kegelförmigen Container passen, um vor den Abgasstrahlen der Triebwerke geschützt zu werden. Nach Erreichen der Umlaufbahn wird der Container geöffnet und der Satellit ausgeworfen.

Kompas-2 wurde im Auftrag des ISMIRAN, des Moskauer Instituts der Akademie der Wissenschaften für Erdmagnetismus, Ionosphäre und Ausbreitung von Funkwellen, bei Makejew in Miass gebaut (Makejew hat auch die Rakete konstruiert). Der Satellit trägt Detektoren für Elektronen, UHF/VHF-Wellen, UV-Strahlung, einen Frequenzanalysator für elektrische Feldwellen und ein Majak- Funksignalfeuer. Mit dieser Ausrüstung soll er helfen, Erdbeben und Vulkanausbrüche durch damit verbundene ionosphärische Effekte voraussagen zu können. Es handelt sich um die erste wissenschaftliche Weltraummission Russlands seit 2001.

Um so größer war die Enttäuschung als es unmittelbar nach dem Erreichen der Umlaufbahn technische Probleme mit dem Satelliten gab. Die Telemetrie meldete sich nur sporadisch, das Kommandosystem funktionierte nicht, die Bordakkus entleerten sich, ohne nachgeladen zu werden und die Instrumente konnten nicht in Betrieb genommen werden. Vermutlich hatten sich die Solarzellenflächen nicht entfaltet oder der Satellit taumelte.

Bereits 1979 hatten Messungen mit einem Interkosmos-Satelliten ergeben, daß Vulkanausbrüche, Erdbeben, Wirbelstürme und Gewitter bestimmte niederfrequente "Geräusche" in der Ionosphäre auslösen. 2001 hatte ISMIRAN den ersten Satelliten des Erdbebenfrühwarnsystem, Kompas-1, gestartet. Zwar gelangte der Satellit in den Orbit, funktionierte aber nicht. Bis Ende 2006 sollte nun Kompas-3 gestartet werden. Sollte er sich bewähren, plant Roskosmos bis 2010 ein Frühwarnsystem "Vulkan" aus 8 Satelliten zu stationieren. Bis 2015 sollen dafür 1,7 Millarden Rubel ausgegeben werden. Allerdings muss die Kompas-Plattform nun erst einmal beweisen, daß sie überhaupt funktioniert.

Sitsch 1M verglüht

Nach 477 Tagen ist der ukrainisch-russische Ozeanüberwachungssatellit Sitsch-1M am 15.4.2006 verglüht. Durch einen Fehler der Rakete Zyklon-3 hatte er nicht die geplante Kreisbahn erreicht.

Da er nicht über eigene Antriebe verfügte, war von Anfang klar, dass er seine Aufgaben nicht erfüllen würde. Tatsächlich wurde lediglich kurz nach dem Start gemeldet, dass stabiler Funkkontakt bestehe. Damit erschöpften sich die Informationen über Sitsch-1M.

Weitere Starts von Sitsch-Satelliten sind nicht vorgesehen. Der Einsatz der Zyklon-3 in Plessezk wurde mit diesem Teilerfolg eingestellt.

Projekt Air Launch

Bis heute gibt es weltweit nur ein operatives luftgestützes Trägersystem: die amerikanische Pegasus-Rakete. 1999 schlug der russische Betreiber der Großraumtransporter des Typs Antonow AN-124 Ruslan, die Firma Poljot Cargo Airlines aus Uljanowsk, vor, sein Flugzeug als Basis für eine luftgestützte Rakete zu benutzen,die von führenden russischen Raketenherstellern entwickelt werden sollte. Poljot mietete 4 Ruslan-Maschinen von den russischen Luftstreitkräften und ließ mindestens eine auf eine Standard AN-124-100AL (AL = Airlaunch) umrüsten. Bislang werden die Maschinen für kommerzielle Frachtflüge verwendet, um damit das notwendige Geld für das Airlaunch-Projekt zu verdienen.

Die Rakete wird von Makejew, Samara Space Center und KBTM entwickelt. Die Triebwerke liefern Chimawtomatika und Kusnezow. Ursprünglich sollte der Energija-Konzern die Rakete konstruieren, schied aber vor einiger Zeit wegen Differenzen mit Poljot aus dem Projekt aus. Die Rakete besteht aus drei Stufen mit Flüssigkeitstriebwerken und der Treibstoffkombination Kerosin+Flüssigsauerstoff.

Die erste Stufe wird mit dem Triebwerk Kusnezow NK-43M betrieben. Das NK-43 wurde ursprünglich für die Mondrakete N-1 gebaut. Es sind Lagerbestände vorhanden, die leicht modifiziert werden können. Die zweite Stufe stellt eine Version der Sojus-Oberstufe Block-I des Samara Space Center dar. Als Triebwerk dient das brandneue RD-0124 von Chimawtomatika aus Woronesh, das für die Sojus-2 entwickelt wurde. Die Oberstufe wird mit dem Triebwerk RD-0158,ebenfalls von Chimawtomatika, betrieben. Sie dient vor allem dem Einschuß in höhere Umlaufbahnen,z.B. die geostationäre Transferbahn. Die Nutzlast von Poljot´s Airlaunch beträgt 3 t für erdnahe Umlaufbahnen, 1,65 t für die geostationäre Übergangsbahn und 800 kg für den geostationären Orbit.

2006 wurde das Projekt in das staatliche Raumfahrtprogramm der Raumfahrtbehörde Roskosmos aufgenommen. Obwohl es keinerlei staatliche Förderung gibt, ist die Aufnahme in das offizielle Raumfahrtprogramm ein wichtiger Meilenstein. Poljot und seine Partner müssen noch eine Reihe von Aufgaben lösen. Vor allem die saubere Trennung von Rakete und Flugzeug, Sicherheitsaspekte des gesamten Konzepts (immerhin wird ein hochexplosiver 90 t - Körper aus einem Flugzeug ausgeworfen) und die dynamischen Belastungen beim Manöver Auswurf- Zündung der ersten Stufe-Einnehmen der Fluglage für den Aufstieg sind noch nicht befriedigend bearbeitet. Airlaunch beabsichtigt, seine Flugzeuge in Indonesien zu stationieren, um die äquatornahe Startbasis zur Erhöhung der Nutzlast nutzen zu können. Man hofft auch auf ausländische Investoren. Alle Fragen der Exportlizenzen und der Verhinderung der Verbreitung hochsensibler Rüstungstechnologie wurden berücksichtigt. Airlaunch hofft, ab 2010 den Flugbetrieb aufzunehmen. Die Entwicklungskosten für das System werden mit 130 Millionen Dollar angegeben. Pro Start will Airlaunch 20-23 Millionen Dollar verlangen.

...und die kasachische Konkurrenz: Ischim

Seit einiger Zeit ist Kasachstan dabei, seine Petroldollars in sinnvollen Zukunftstechnologien anzulegen. Dazu gehört ein eigenes Raumfahrtprogramm. 2005 wurde die nationale Raumfahrtagentur KazCosmos gegründet. Nun arbeitet man gemeinsam mit den russischen Firmen MiG und MIT an einem luftgestützen Satelliten - Trägersystem mit dem Namen Ischim. Ischim wurde nach einem Fluß benannt, der durch Kasachstan und Russland fließt. Grundlage sind zwei Düsenjäger vom Typ MiG-31D, die durch den Zusammenbruch der Sowjetunion auf dem Versuchsgelände Sary-Schagan am See Balchasch verblieben. Sie waren dort zur Erprobung der Antisatellitenrakete Kontakt (Konstruktion: NPO Almas "A.A.Raspletin") stationiert worden. Kontakt war das Gegenstück zum amerikanischen ASAT-System . Die Erprobung wurde nie abgeschlossen und die beiden Trägermaschinen wurden eingemottet. MiG, das Moskauer Luftfahrinstitut und EADS entwickelten verschiedene Konzepte, auf Basis der MiG-31 kleine Trägerraketen oder einen bemannten Container für Suborbitalflüge mit Weltraumtouristen einzusetzen, aber wegen Geldmangel kam keine Idee zur Umsetzung. Erst der Einstieg der Kasachen ermöglichte eine Reaktivierung der Flugzeuge. Nun werden sie auf den Standard MiG-31I (für Ischim) umgerüstet. Die 50t schwere Maschine (mit Rakete), hat eine Reichweite von 600 km. In 15.000-18.000 m Höhe wird die Rakete bei einer Geschwindigkeit von 2120 - 2230 km/h ausgeklinkt. Die Überwachung übernimmt eine fliegende Kontrollstation vom Typ Iljuschin IL-76MD.

Die Ischim wird vom Moskauer Institut für Wärmetechnik (MIT) gebaut, dass auch die beiden modernsten russischen Militärraketen Topol-M und Bulawa projektiert hat. Die Rakete verfügt über drei Stufen mit Festtreibstoff, ist 10,76 m lang, hat einen Durchmesser von 1,34 m und eine Masse von 10,3 t. Die Nutzlastsektion ist 1,4 m lang und hat einen Durchmesser von 94 cm. Die Nutzlast beträgt maximal 160 kg. Ab 2007 soll Ischim einsatzbereit sein. Die Entwicklungskosten wurden mit 18,4 Milliarden Tenge ( 144 Millionen Dollar) veranschlagt. Kunden gibt es bereits auch schon: KazCosmos plant insgesamt acht Mikrosatelliten zur Erdbeobachtung und Umweltüberwachung.

Ausschreibung für Kliper

Kliper, das russische Raumschiff des 21.Jahrhunderts und Nachfolger des in die Jahre gekommenen Sojus-Schiffes, nimmt allmählich Gestalt an. Nachdem die Firma Energija zunächst auf eigene Faust ein neues Raumschiff konzipiert hat, griff die Raumfahrtbehörde Roskosmos den Vorschlag auf und schrieb am 18.1.2006 offiziell eine neue Generation bemannter Raumschiffe aus. Folgende Eckpunkte wurden vorgegeben: wiederverwendbares Schiff (mindestens 80% der Baugruppen, mindestens 20 Einsätze pro Gerät) zur Versorgung und Besatzungswechsel von Raumstationen, als Rettungsboot, Transport von 500 kg Fracht in den Orbit, Rücktransport von Material zur Erde (mindestens 500 kg) mit 6 Personen Besatzung und auch im automatischen Modus. Drei Firmen reichten daraufhin ihre Vorschläge ein: Energija, Chrunitschew und Molnija. Alle drei sind alte Bekannte und verfügen über jahrzehntelange Erfahrungen bei der Projektierung bemannter Raumfahrzeuge. Allerdings flogen nur Raumschiffe des Energija-Konzerns tatsächlich mit Menschen an Bord.

Molnija reichte sein Projekt MAKS ein. Das ist nichts Neues, sondern ein Projekt, dass bereits in den 1980er Jahre vorgeschlagen wurde. MAKS heißt Mnogorasowaja Awiatsionno-Kosmitscheskaja Sistema oder auf deutsch Wiederverwendbares Luft-Raumtransportsystem. Kernstück ist der ukrainische Großraumtransporter AN-225 Mrija von Antonow aus Kiew. Er trägt auf seinem Rücken einen kleinen Raumgleiter für 2-6 Personen Besatzung und einen Außentank mit den Treibstoffen für den Raumgleiter. Raumgleiter und Tank werden in großer Höhe ausgeklinkt und steigen aus eigener Kraft in den Orbit auf. Anstelle des Gleiters kann auch ein Nutzlastcontainer mit 8,3 t Fracht mitgeführt werden. Der MAKS-Gleiter kann 1,5 t Nutzlast zur Erde zurückbringen.

Das Konzept hat nur geringe Chancen. Erstens beruht es auf einem ausländischen Flugzeug, von dem nur ein Exemplar existiert, das außerdem noch 20 Jahre alt ist. Zweitens sind geflügelte Geräte nach den beiden Shuttle-Katastrophen in Mißkredit geraten. Wie verhält sich ein Hitzeschild aus Kacheln nach einem halbjährigem Einsatz im Weltraum ? Welche Rettungsmöglichkeiten bestehen im Havariefall ?

Konkurrent Chrunitschew verkauft ebenfalls alten Wein in neuen Schläuchen: das Raumschiff TKS aus dem militärischen Almas-Programm der 1960er Jahre. Allerdings wurde TKS zu Unrecht noch nie bemannt geflogen. Die Konstruktion war und ist in ihren Möglichkeiten Sojus weit überlegen. Politische Intrigen führten dazu, daß TKS nie die Chance erhielt, diese Möglichkeiten mit Kosmonauten an Bord unter Beweis zu stellen. Ende der 1970er Jahre wurden die Testflüge eingestellt und das Kosmonautenteam der Firma Chrunitschew aufgelöst. Einige der damals gebauten Kapseln vom Typ WA haben bis heute überlebt. Das Projekt von Chrunitschew sieht vor, mehrere Varianten des modernisierten TKS einzusetzen:

PTK: das eigentliche Raumschiff, bemannt und unbemannt einsetzbar. Damit 6 Kosmonauten hineinpassen, muss die WA-Kapsel überarbeitet werden.

MMK: Multfunktionelles Modulares Raumschiff, ein Modulsatellit ähnlich Sarja und den Mir-Modulen zum Frachttransport in belüfteten und unbelüfteten Sektionen.

PTK für interplanetare Flüge, PTK für autonome Langzeitflüge ( Versionen mit 14,5 t und 24,5 t Gesamtmasse), Schwergewichtsfrachter GTK (24 t Gesamtmasse) mit Landekapsel.

Der Vorteil des Chrunitschew-Konzeptes besteht darin, dass ein Trägersystem aus eigenem Haus dazu angeboten wird: die Angara-3P (Nutzlast: 14,5,t) als bemannte Version der Angara-Familie, die Angara-5 für die Schwergewichtsvariante (24 t) oder -als Reservevariante - die Proton-M.

PTK kann bei einer Startmasse von 14,5 t neben 6 Kosmonauten 6,35 t Fracht mitnehmen und 1,87 t Nutzlast zur Erde zurückbringen.

Favorit der Ausschreibung ist allerdings Energija mit seinem brandneuen Raumschiff Kliper. Energija hat seit 1958 alle bemannten Raumschiffe von Wostok bis Buran entwickelt und gebaut. Sojus fliegt nun seit 40 Jahren und ist trotz permanenter Modernisierung ausgereizt. Hauptkritikpunkte: wenig Platz, geringe Nutzlast, begrenzte Manövrierfähigkeit, rauhe und ungenaue Landung. Kliper soll alle diese Probleme lösen. Lange wurde überlegt, ob man eine Kapsel oder einen geflügelten Auftriebskörper bauen soll. Im Moment wird dem geflügelten Gerät der Vorzug gegeben. Das 14,5 t schwere Schiff kann neben 6 Kosmonauten 700 kg Fracht mitführen. 500 kg werden zur Erde zurückgebracht. Jedes Gerät kann 25 Flüge absolvieren. Laut Nikolai Sewastjanow, Chef von Energija, kostet eine Kliper-Mission den 30.Teil eines Space Shuttle-Fluges. Mit dem Erstflug kann für 2011 gerechnet werden. Kliper hat aber auch eine Schwachstelle: das Trägersystem. Lange wurde die Zenit-2 aus der Ukraine favorisiert. Sie ist bereits vorhanden, preiswert und zuverlässig. Nach der Orangenen Revolution sind die Beziehungen zwischen Kiew und Moskau merklich abgekühlt. Bei Roskosmos will man sich nun nicht mehr auf ein ukrainisches Trägersystem verlassen.

Energija brachte eine eigene Rakete namens Onega ins Spiel, die aber als Neuentwicklung zuviel kosten würde. Derzeit sind das Samara Space Center mit der Sojus-3 oder Chrunitschew´s Angara-3P im Gespräch.

Zur Überraschung aller Beobachter wurde zum geplanten Ende der Ausschreiber am 3.2.2006 kein Sieger benannt, sondern alle Teilnehmer aufgefordert, ihre Vorschläge zu überarbeiten. Nun wird für Juni 2006 mit einer Entscheidung gerechnet. Der Grund: Roskosmos kann das neue Raumschiff nicht aus eigener Kraft finanzieren. Die Agentur rechnet damit, vom Staat 11,5 Milliarden Rubel zu bekommen. Weitere 5 Milliarden Rubel müssen aus anderen Quellen kommen, um die Entwicklung abzuschließen. Es werden dringend ausländische Investoren benötigt. Die Russen hoffen insbesondere auf die ESA, aber auch Japan. Es muß ein Konzept erarbeitet werden, daß es auch ausländischen Firmen erlaubt, signifikante Beiträge zu dem Raumschiff zu liefern. Allerdings hat die ESA bislang recht kühl reagiert. Auf der Ministerratstagung in Berlin im Dezember 2005 fand sich kein europäischer Staat, der bereit war, Geld für Kliper zu geben. In die Bresche könnten Privatfirmen einspringen, die sich mit dem boomenden Weltraumtourismus beschäftigen.

Neuer Auftrieb für GLONASS

Das russische Satellitennavigationssystem GLONASS verfügt derzeit über 14 funktionierende Satelliten.

Bis 2008 soll es auf 18 Satelliten anwachsen und damit die minimale Stärke für den operativen Einsatz erreichen. Der Aufbau von GLONASS hat sich wegen finanzieller Probleme verzögert. Von 2002 bis 2004 erhielt GLONASS nur 72 Prozent der geforderten Mittel. 2005 wurden 2552 Millionen statt der gewünschten 2896 Millionen Rubel gezahlt. Aufgrund der begrenzten Mittel kann pro Jahr immer nur eine Proton-Rakete mit je drei Glonass-Satelliten an Bord gestartet werden. Die älteren Modelle haben nur eine Funktionsdauer von 3 Jahren. Erst das neue Modell Glonass-M, von dem allerdings erst vier Exemplare gestartet worden, ist für 7 Jahre Flugdauer ausgelegt. Ende Dezember 2005 beauftragte Präsident Putin Verteidigungsminister Iwanow, den Aufbau von GLONASS deutlich zu beschleunigen. Zusätzliche Mittel in Höhe von 1,6 Milliarden Rubel sollen es ermöglichen, bereits vor 2008 18 einsatzbereite Satelliten im Orbit zu haben. Der Hintergrund: der amerikanische Konkurrent GPS droht, sich in Rußland auszubreiten. Ist der Markt erst einmal an ausländische Mitbewerber verloren, wird es schwer, ihn zurückzuerobern. Putin hat Indien als ersten ausländischen Kunden ins Boot geholt. Im Gegenzug sollen Glonass-Satelliten mit indischen PSLV-Raketen starten.

Der Hersteller NPO PM plant, bis 2007 insgesamt 9 Glonass-M-Satelliten bauen. Das wesentlich modernere Muster Glonass-K soll 2008 die Erprobung aufnehmen. Dieser Typ kann 10-12 Jahre arbeiten und mit kleineren und billigeren Raketen (Sojus-Fregat) starten.

Die aktuellen Pläne sehen außerdem vor, ab 2009 GLONASS international anzubieten.

Internetadressen

Kospribor (RNII KP) (Satelliten-Ausrüstung)

Samara Space Center (Rakete Sojus, Satelliten)

NPZ AP "N.A.Piljugin" (Lenksysteme)

Poljot, Omsk (Hersteller Rakete Kosmos-3M, Satelliten)


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Russische Raumfahrt-48 (April 2006)

Sojus TMA-7 gelandet

Am Sonntag, den 9.April 2006, ist das Raumschiff Sojus TMA-7 sicher zur Erde zurückgekehrt. Die Kapsel mit den Kosmonauten Waleri Tokarew (Russland), Bill McArthur (USA) und Marcos Pontes (Brasilien) an Bord landete um 5.47 Uhr Ortszeit 54 km nordöstlich der kasachischen Stadt Arkalyk. Bereits Sonntagnachmittag kehrte das Trio wohlbehalten nach Moskau zurück.

Sojus TMA-7 war rund eine Stunde vor dem Sonnenaufgang in den Steppen Mittelasiens gelandet. Dennoch konnte das Bergungsteam die Kapsel sofort finden. Tokarew und McArthur hatten rund 190 Tage an Bord der Internationalen Raumstation zugebracht, während Pontes ein zehntägiges Besuchsprogramm absolviert hatte.

Von der Abkopplung bis zur Landung in Kasachstan vergingen 3 h 20 min.

Hier noch einige Details der typischen Sojus-Landeprozedur:

Zur Vorbereitung auf die Wiederanpassung an die Schwerkraft der Erde ziehen die Raumfahrer russische Spezialunterwäsche mit der Bezeichnung Kentawr an, die vor einem orthostatischen Kollaps schützen soll. Russischen Kosmonauten wird empfohlen, viel zu trinken und Kochsalztabletten einzunehmen, um den Elektrolythaushalt zu stabilisieren. Daneben legen die Raumfahrer ein Geschirr mit Sensoren für biomedizinische Daten an und schnallen sich in ihren Konturensitzen Kasbek in der Sojus-Kapsel fest. Um Übelkeit zu vermeiden, sollen Bewegungen, insbesondere Kopf- und Augenbewegungen, minimiert werden. Insbesondere das Auspendeln des Hauptfallschirms kann zu Übelkeit führen. Nach dem Aufsetzen sollen die Raumfahrer noch in ihren Sitzen bleiben und erst nach einigen Minuten aufstehen.

Die Fallschirme haben folgende Abmessungen: die beiden Bremsschirme 0,62 und 4,5 Quadratmeter, der Pilotschirm 16 und der Hauptfallschirm 518 Quadratmeter. Die Landegeschwindigkeit ohne Bremsraketen beträgt 9,9 m/s.

JCSat-9 gestartet

Am 12.April 2006 startete um 16.30 Uhr Ortszeit von der Plattform Odyssey, stationiert im Stillen Ozean bei 154 Grad West, eine Trägerrakete des Typs Zenit-3SL (SL-31) mit dem japanischen Satelliten JCSAT-9 an Bord. Nach 63 min wurde JCSAT-9 mit höchster Präzision (nur 200 m Abweichung von der berechneten Bahn im Apogäum!) in der vorgesehenen Transferbahn 1685 - 35.725 km mit 0° Neigung abgesetzt. Von dort wird er mit eigener Kraft in die geostationäre Bahn aufsteigen und bei 132° West stationiert. Neben den beiden ukrainischen Zenit-Stufen brannte russische Oberstufe Block DM-SL von Energija aus Koroljow zweimal und stellte ihre Zuverlässigkeit unter Beweis. Den Auftrag zum Start des Satelliten erhielt Sea Launch, die Betreibergesellschaft der Zenit-3SL, von Arianespace im Rahmen der Launch Services Alliance.

JCSAT-9 sollte ursprünglich auf der Ariane fliegen. Sea Launch hatte den Start ursprünglich für den 11.4. angekündigt, aber dann einige Tage vorher abgesagt, ohne Details für diese Verschiebung mitzuteilen. Schließlich wurde der 12.4. als endgültiges Startdatum angegeben und eingehalten.

JCSAT-9 wurde im Auftrag der JSAT Corporation aus Tokio von Lockheed Martin gebaut. Der 4401 kg schwere Nachrichtensatellit gehört zum Typ A2100AX und verfügt über 20 C-Band , 20 Ku-Band und S-Band-Transponder. Die S-Band-Nutzlast dient mobilen Kommunikationsdiensten, während die anderen Geräte die üblichen Kommunikationsdienstleistungen in Japan, Südostasien und Hawaii sicherstellen. JSAT verfügt bereits über 9 geostationäre Satelliten. JCSAT-9 soll 12 Jahre arbeiten.

Progress M-56 gestartet

Am 24.April 2006 startete um 23.03 Uhr Ortszeit von der Rampe PU-5 des kasachischen Kosmodroms Baikonur die Trägerrakete Sojus-U Nr.100 mit dem Versorgungsraumschiff

Progress M-56 (Prod.Nr.356). Der lange angekündigte Start gelang pünktlich und erfolgreich.

Die ausgebrannten Stufen und abgeworfene Teile gingen in den Aufschlagzonen Nr. 16, 306 und 309 in Kasachstan und Südsibirien nieder. Das 7320 kg schwere Schiff koppelte am 26.April automatisch am Heck des Moduls Swesda der Internationalen Raumstation an. Es brachte 2596 kg Fracht zur Station.

Eros B gestartet

Ohne großes Aufsehen ist am 25.April 2006 vom Kosmodrom Swobodnij in Sibirien eine Feststoffrakete vom Typ Start-1 mit dem israelischen Erdbeobachtungssatelliten Eros B gestartet.

Der 290 kg schwere Satellit erreichte nach einer Viertelstunde die geplante Bahn 503 - 513 km bei 97,3° Neigung. Aus diesem sonnensynchronen Orbit kann er Aufnahmen mit einer Auflösung von 70 cm machen. Die Betreibergesellschaft ImageSat hofft, Eros B 8-10 Jahre nutzen zu können.

Wie der Vorgänger Eros A und die militärischen Gegenstücke Ofeq wurde Eros B von der Israel Aircraft Industries (IAI) gebaut.

Der Start von Eros B war die erste Satellitenmission in Swobodnij seit 5 Jahren. Das Kosmodrom soll wegen der mangelnden Auftragslage geschlossen werden.

Raketentestflug in Kapustin Jar

Am 22.April 2006 startete auf dem Raketenversuchsgelände Kapustin Jar in der Nähe von Wolgograd eine Rakete des Typs K65M-R zu einem Suborbitalflug in Richtung Sary-Schagan, Kasachstan. Die Rakete transportierte "einen neuen Gefechtskopf für land- und seegestützte Raketen".

Der Flug reiht sich ein in eine Reihe von Tests der russischen Raketentruppen zur Erprobung neuartiger, hochmanövrierfähiger Köpfe zur Überwindung der feindlichen Raketemabwehr.

Das Versuchsgelände Sary-Schagan am See Balchasch in Kasachstan wird von Russland gemietet und verfügt über zahlreiche Radaranlagen zur Ortung anfliegender Raketen und Gefechtsköpfe.

Die neuen russischen Nuklearraketen Topol-M und Bulawa sollen mit neuartigen Gefechtsköpfen ausgerüstet werden, die die feindliche Raketenabwehr austricksen können.

Die K65M-R ist eine Variante der Trägerrakete Kosmos 3M ohne Zusatztanks an der 2.Stufe. Sie kann daher nur Suborbitalflüge unternehmen.

Mission Kosmos 2405

Der letzte verbliebene militärische russische Ozeanüberwachungssatellit, Kosmos 2405, beendete am 19.April 2006 seine Mission. Er wurde durch die letzte Zündung des Manövrierssystems in eine Bahn gebracht, die ihn bald zum Verglühen in der Atmosphäre bringen wird. Kosmos 2405 gehört zum Typ US-PM der Firma Arsenal aus Sankt Petersburg. Er arbeitete knapp zwei Jahre. Es ist unklar, ob und wann ein Nachfolgegerät starten wird. Die US-PM dienen dem Aufspüren amerikanischer Trägerkampfgruppen und der Zielzuweisung für flugkörpertragende Atom-U-Boote.

Abschlussbericht für Arabsat-4A-Fehlstart vorgelegt

Am 1.3.2006 schlug die Mission Arabsat-4A durch einen technischen Fehler der Oberstufe Bris-M fehl. Es war der erste Fehlschlag einer Mission dieser Oberstufe der Firma Chrunitschew.

Die sofort eingesetzte Staatliche Untersuchungskommission hat jetzt ihren Abschlußbericht vorgelegt. Demnach haben die ersten drei Stufen der Rakete Proton-M einwandfrei funktioniert. Auch die erste Brennsequenz der Bris-M Nr.88515 verlief einwandfrei. Eine Stunde 32 min 16 s nach dem Start, während der zweiten Brennsequenz der Oberstufe, wurde plötzlich der Hauptantrieb abgeschaltet. Das Flugkontrollsystem stellte eine Havariesituation fest und trennte in Übereinstimmung mit den dafür vorgesehenen Prozeduren 5 s später den Satelliten Arabsat-4A von der ausgefallenen Stufe ab. Arabsat-4A gelangte dadurch in die unvorhergesehene Bahn 506 - 14.679 km bei 51,5° Neigung. Die Staatliche Kommission hat auf der Basis der Telemetriemeldungen der Bris-M Nr.88515 die möglichen Fehlerursachen analysiert und durch Prüfstandversuche, einschließlich Brennen des Haupttriebwerkes im Prüfstand, verschiedene Szenarien untersucht.

Als wahrscheinlichste Ursache wurde ein Problem in der Zufuhr des Oxidators im Triebwerk festgestellt. Ein "Fremdkörper" soll eine Düse in der Hydraulikpumpe des Treibstoffzufuhrsystems verstopft haben. Woher der Fremdköper kam, erklärt der Bericht nicht. In der Vergangenheit mußten immer wieder Fremdkörper zur Erklärung von Triebwerksausfällen in russischen Raketen herhalten. Im Klartext heißt das: es gibt erhebliche Qualitätsmängel in der Raumfahrtindustrie Russlands. Die Kommission schließt einen Konstruktionsfehler aus und gibt Empfehlungen zur Vermeidung dieses Problems bei künftigen Missionen. Ende Mai sollen die beiden nahezu baugleichen Oberstufen Bris-M und Bris-KM wieder zum Flug zugelassen werden.

Neben der russischen Staatlichen Kommission untersucht auch die Betreibergesellschaft ILS mit einem eigenen Ausschuß den Fehlschlag. Bis Ende Mai soll der Bericht des ILS-Untersuchungsausschusses vorliegen. Im Sommer 2006 rechnet man mit der Wiederaufnahme der Flüge der Raketen Proton-M mit der Oberstufe Bris-M und Rockot mit der Oberstufe Bris-K.

Details über die U-Boot-Rakete Bulawa

Über die neueste russische Atomrakete Bulawa sind einige Details bekanntgeworden. Die Bulawa absolvierte 2005 ihren Erstflug und soll die veralteten Raketen Sinjewa und R-31M ablösen. Sie wird auf den Atom-U-Booten des Typs 955 stationiert. Gegenwärtig sind zwei Exemplare, die "Juri Dolgorukij" und "Wladimir Monomach" in Sewerodwinsk am Weißen Meer in Bau.

Die Bulawa ist eine Marinevariante der jüngsten landgestützten Atomrakete, Topo-M. Beide Raketen werden im Moskauer Institut für Wärmetechnik (MIT) entwickelt. Die Rakete wird mit Festtreibstoff betrieben und ist in einem 12,1 langen und 2,1 breiten zylinderförmigen Startcontainer untergebracht.

Die Bulawa wiegt 36,8 t und kann 1150 kg Nutzlast über interkontinentale Entfernungen transportieren. Das können maximal sechs nukleare Gefechtsköpfe sein. Daneben ist die Bulawa wie die Topol-M mit einem hyperschallschnellen Manövriersystem ausgerüstet, um das feindliche Raketenabwehrsystem zu überwinden. Die Rakete ist 12,1 m lang und hat einen maximalen Durchmesser von 2 m. Die erste Stufe ist 3,8 m lang und 18,6 t schwer. Über die anderen beiden Stufen und den Kopfblock mit Gefechtsköpfen und Manövriersystem wurden aus Geheimhaltungsgründen keine Angaben gemacht. Es ist lediglich bekannt, daß der "Kopfblock" 60 cm lang ist.


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Russische Raumfahrt-47 (März 2006)

Mission Arabsat 4A mißlungen

Am 1.März 2006 startete um 2.10 Uhr Ortszeit von der Rampe PU-39 (Platz 200) auf dem kasachischen Weltraumbahnhof Baikonur die Trägerrakete Proton-M Nr. 53511 mit der Oberstufe Bris-M Nr. 88515 und dem arabischen Nachrichtensatellit Arabsat-4A an Bord. Der erste russische Raketenstart im Jahr 2006 war eine kommerzielle Mission im Auftrag der internationalen Marketingorganisation International Launch Services (ILS). Zum Entsetzen aller Verantwortlichen versagte diesmal die als hochzuverlässig eingeschätzte Oberstufe Bris-M. Welchen Folgen der Fehlschlag für den Hersteller der Rakete, Chrunitschew, und die kommerziellen Aktivitäten der russischen Raumfahrtindustrie im allgemeinen haben wird, ist offen. Angesichts der großen Konkurrenz auf dem Raketensektor ist aber mit einem herben Rückschlag für die russischen Marketingbemühungen zu rechnen.

Hier die Chronologie und die Details der Ereignisse. Am 25.1.2006 kam Arabsat-4A mit einem Großraumflugzeug vom Typ AN-124 auf dem Flugplatz "Jubileinij" im Norden von Baikonur an. Im Anschluß wurde er in die Montagehalle MIK 92A-50 gebracht. Am 6.2. wurde als letztes Bauelement die Oberstufe Bris-M Nr.88515 in Baikonur eingeflogen. Gleichzeitig liefen nun die Arbeiten an Proton-M, Bris-M und Arabsat-4A in verschiedenen Säalen des MIK 92A-50.

Am 25.2.2006 wurde die fertige Kombination zur Rampe PU-39 gefahren und aufgerichtet. Arabsat-4A wurde im Auftrag von Arabsat (Rijad, Saudi-Arabien) bei EADS Astrium gebaut. Es handelt sich um einen Kommunikationssatelliten des Typs Eurostar 2000+ (3340 kg) mit 24 Transpondern im C-Band und 24 Transpondern im Ku-Band. Die Kommunikationsausrüstung wurde von Alcatel Alenia Space geliefert. Es war geplant, mit Hilfe des Satelliten für 15 Jahre Fernsehen, Internet und Telefon im Mittleren Osten, Nordafrika und Westeuropa zu übertragen.

Die Bris-M Nr. 88515 sollte Arabsat-4A nach neun Stunden auf einer Transferbahn 3157 - 35.792 km bei 14,2° Neigung abliefern, aus der er mit Hilfe des bordeigenen Antriebs auf die geostationäre Bahn aufsteigen und bei 26° Ost stationiert werden sollte.

Zunächst lief die Mission wie geplant. Durch das erste fünfminütige Brennen der Oberstufe wurde eine ernahe Parkbahn erreicht. Vier weitere Brennsequenzen der Bris-M Nr. 88515 waren nun noch erforderlich. Die zweite Brennsequenz sollte 31 min dauern. Das ist eine sehr lange Brenndauer für einen Raketenmotor, aber bei einer anderen Mission brannte eine Bris-M sogar 39 min. Während dieser Brennsequenz versagte die Bris-M völlig überraschend. Gemäß der Logik des Lenksystems wurde Arabsat-4A in einer falschen Bahn 505 - 14.695 km bei 51,5° Neigung freigegeben. Sofort wurde eine Untersuchungskommission gebildet, die innerhalb von einem Monat eine Bericht vorlegen soll.

Arabsat und die Versicherung kamen schnell überein, die Mission Arabsat-4A abzuschreiben. Am 23.3. wurde der Satellit mit Hilfe seines Triebwerkes zum Absturz über dem Pazifik gebracht. Vergeblich hatte die amerikanische Firma Orbital Recovery vorgeschlagen, Arabsat-4A zu parken, bis ein in Entwicklung befindlicher Bergeroboter der Firma einsatzbereit sei und den Satelliten in einem nutzbaren Orbit abliefern könne.

Der elfte Start einer Proton-M sollte eigentlich der letzte Testflug dieser Rakete sein. 2001 hatte Kasachstan zehn Testflüge genehmigt. Der zehnte Flug wurde am 29.12.2005 durchgeführt. Roskosmos hatte Kasachstan um die Genehmigung eines weiteren Test gebeten, weil es bereits früher bestimmte technische Probleme mit der Bris-M gegeben hatte. Kasachstan hatte den Flug erlaubt, allerdings ein aktuelles Umweltgutachten für die mit toxischen Treibstoffen betriebene Proton-M gefordert. Nun wurde die Testserie mit einem fulminanten Fehlschuss beendet. Unter diesen Umständen wird das System Proton-M/Bris-M das Einsatzzertifikat allerdings nicht erhalten. Chrunitschew hatte mit ILS verhandelt, künftig 15% mehr Geld für seine Rakete zu bekommen. Diese Verhandlungen dürften damit geplatzt sein.

Seit 1996 hat die Proton 36 kommerzielle Einsätze absolviert. Davon sind drei Missionen misslungen, wobei zweimal die Oberstufe Block DM von Energija und einmal die Bris-M von Chrunitschew versagten. Zum Vergleich: die amerikanische Atlas ist seit 1993 78mal hintereinander fehlerfrei geflogen.

Der nächste kommerzielle Proton-Einsatz war am 28.4.2006 mit Hot Bird 8 geplant. Er wird auf unbestimmte Zeit verschoben. Arabsat-4B, der derzeit bei Astrium im Bau ist, sollte im Lauf des Jahres ebenfalls mit der Proton-M fliegen.

Tabelle der Einsätze der Oberstufe Bris-M

Startdatum  Proton  Serien Nr.   Nutzlast       Bemerkungen

05.07.1999      K         88501      Raduga         Fehlstart Proton-K
06.06.2000      K         88502      Gorisont
07.04.2001      M         88503      Ekran-M
29.12.2002      M         88504      Nimiq-2
06.06.2003      K         88505      AMC-9
10.12.2003      K         88506      GLONASS
15.03.2004      M         88507      Eutelsat W3A
16.06.2004      M         88509      Intelsat 1002
04.08.2004      M         88508      Amazonas
14.10.2004      M         88510      AMC-15
03.02.2005      M         88511      AMC-12
22.05.2005      M         88512      DirecTV-8
08.09.2005      M         88513      Anik F1R
29.12.2005      M         88514      AMC-23
28.02.2005      M         88515      Arabsat 4A   Fehlfunktion Bris-M

Sojus TMA-8 gestartet

Am 30.3.2006 startete die dreizehnte Expedition zur Internationalen Raumstation. Der Start erfolgte um 8.30 Uhr Ortszeit von der Rampe PU-5 des Platzes 1 (Gagarinskij Start) von Baikonur (Kasachstan). Bei strahlend blauen Himmel hob die Rakete Sojus FG Nr.018 planmäßig und pünktlich ab. Der Aufstieg verlief analog den vorangegangenen bemannten Flügen in Baikonur zur ISS. Ausgebrannte Stufen und Baugruppen stürzten in den Aufschlagzonen Nr.16, 69,306 und 309 herunter. Entlang der Aufstiegstrasse befanden sich insgesamt 37 Hubschrauber und Flugzeuge in Bereitschaft, um im Notfall die Kosmonauten bergen zu können.

Durch einen Fehler auf einem Molnija-Nachrichtensatelliten fiel für 15 min die Telemetrie von der Rakete vollständig aus. Der Sprechfunkkontakt, der über andere Kanäle erfolgt, verlief dagegen normal. An Bord von Sojus TMA-8 (7220 kg) befanden sich der russische Kommandant Pawel Winogradow (2.Flug), der amerikanische Bordingenieur und Wissenschaftsastronaut Jeffrey Williams (2.Flug) und der brasilianische Gastkosmonaut Marcos Pontes. Zu Winogradow und Williams soll im Sommer der Deutsche Thomas Reiter stoßen, wenn der Shuttle bis dahin wieder einsatzbereit ist. Pontes absolvierte ein zehntägiges nationales Programm mit dem Namen "Centenario". Er ist der erste Brasilianer im Weltraum und sollte ursprünglich mit dem Shuttle fliegen. Erst im Herbst 2005 begann seine Flugvorbereitung im Sternenstdtchen bei Moskau.

Am 1.4. koppelte Sojus TMA-8 vollautomatisch an den Nadirstutzen des Moduls Sarja an. Der Stutzen war frei geworden, nachdem Sojus TMA-7 am 20.3. von Sarja zum Heck von Swesda umgekoppelt wurde. Progress M-55 befindet sich an Pirs, wenige Meter von Sojus TMA-8 entfernt.

Am 3.3. hatte Progress M-54 vom Heck von Swesda abgekoppelt, und verglühte drei Stunden später über dem Pazifik. Das Raumschiff hatte 4mal die Bahn der Internationalen Raumstation korrigiert. Wiliams ist der erste NASA-Astronaut, der für seinen Mitflug im Sojus-Raumschiff bezahlen muß. Roskosmos erhält von den Amerikanern 43,8 Millionen Dollar, um Williams noch oben und McArthur zur Erde zurückzubringen. Hinzu kommen noch einige Trainingseinheiten für weitere amerikanische Astronauten. Künftig wird die NASA bis 2011 für jeden Sojus-Flug einen Festpreis von 21,8 Millionen Dollar zahlen.

Sojus TMA-8 sollte ursprünglich am 22.3.2006 starten. Der Start wurde um eine Woche verschoben, weil Reparaturen am Steuersystem erforderlich waren. Am 30.1. traf die Rakete Sojus FG Nr.018, am 9.2. das Raumschiff TMA-8 in Baikonur ein. Am 28.3. wurde die fertig montierte Kombination aus der Halle MIK-112 zur Rampe PU-5 gefahren. Als Ersatzbesatzung wurden Micheal Fincke, Fjodor Jurtschichin und Sergej Wolkow eingesetzt.

Express AM-11 ausgefallen

Einer der modernsten russischen Kommunikationssatelliten, Express AM-11, ist am 29.3.2006 überraschend ausgefallen. Der Satelliten geriet in eine unkontrollierte Rotation und verlor die Orientierung. Der Hersteller, die Firma NPO PM aus Sibirien, ist überzeugt, dass AM-11 von einem Fremdkörper, zum Beispiel einem Stück Weltraummüll, getroffen wurde. Dabei wurde das Thermoregulationssystem beschädigt. Kühlmittel trat aus einem Leck aus, wodurch die Rotation entstand. Seit dem 31.3. 2006 wird Express AM-11 aus dem geostationären Orbit herausmanövriert, da es keine Chancen mehr gibt, ihn weiter zu nutzen. Der Satellit war erst am 27.4.2004 gestartet.

NPO PM hatte eine Garantie abgegeben, dass er mindestens 12 Jahre arbeiten würde.

Vierter Weltraumtourist nominiert

Der Japaner Daisuke Enomoto, kurz "Dice-K", wird im Herbst 2006 als Passagier in Sojus TMA-9 mitfliegen. Der Vertrag mit Space Adventures wurde im März unterschrieben. Space Adventures hat bereits die Flüge von Dennis Tito, Mark Shuttleworth und Gregory Olsen organisiert.

Literaturtipp

Peter Alway, Twelve Missiles of the Cold War, 34 Seiten
farbige Zeichnungen der Raketen:
R-1, R-2, R-5, R-7, R-11, R-17, R-12, R-14, S-25, S-75, S-125 und RS-25
Kosten: 15€ + Versand
zu beziehen bei: http://members.aol.com/satrnpress/12-soviet.htm

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Russische Raumfahrt-46 (Februar 2006)

Suisat gestartet - Ausstieg aus der ISS

Eine neue Art von Satellit wurde am 3.2.2006 aus der Internationalen Raumstation ausgesetzt: ein ausgedienter Raumanzug wurde zu einem Amateurfunksatelliten umgerüstet und von den Raumfahrern Bill McArthur und Waleri Tokarew im Rahmen eines Weltraumspaziergangs über Bord geworfen.

Die Idee zu dem Suisat, Radioskaf, Iwan Iwanowitsch, Mr. Smith oder Amsat-Oscar-54 genannten Satelliten hatte eine Gruppe von Amateurfunkern des russischen Raumfahrtkonzerns Energija um Sergej Samburow. Samburow ist Absolvent der renommierten Bauman-Universität und wollte seiner alten Hochschule zu ihrem 175. Geburtstag ein besonderes Geschenk bereiten.

An Bord der ISS befand sich der ausgediente Raumanzug Orlan-M Nr.14, dessen Kühlsystem seit 2003 irreparabel ausgefallen war und der seitdem im amerikanischen Segment gelagert wurde. Da der Rücktransport wegen der bekannten Probleme mit dem Space Shuttle nicht möglich war, sollte der Anzug über Bord geworfen werden. Das hatte man auf der Mir bereits 1991 und 1993 mit nicht mehr benötigten Raumanzügen gemacht (27.7.1991 Orlan-DMA N.10, 29.10.1993, Nummer des Anzuges unbekannt ). Aber statt ihn einfach über Bord zu werfen, schlug Samburow vor, Orlan-M Nr.14 mit einer Amateurfunkanlage auszurüsten. Die Idee fand Unterstützung durch internationale und nationale Amateurfunkorganisationen und wurde in die Tat umgesetzt. Progress M-54 brachte die Ausrüstung zur Station. McArthur und Tokarew bauten Sender, Batterien, Sensoren, eine Webcam und eine Bedientafel in den Anzug ein.

Am 3.2.2006 verließen die beiden durch die Luftschleuse Pirs die Station. Dabei trugen sie die Orlan-Anzüge Nr. 25 und 27. Gleich zu Beginn der EVA wurde Suisat ausgesetzt. Erwartungsvoll horchten Amateurfunker auf der ganzen Welt auf der Frequenz 145,990 MHz UKW nach Signalen des neuen Erdsatelliten. Aller 30 Sekunden sollte Suisat Telemetriedaten, Sprechproben in Englisch, Französisch, Japanisch, Russisch, Deutsch und Spanisch und Standbilder übertragen. "Das ist Suisat, RSORS", kam allerdings kaum an. Einige Funker konnten sehr schwache Signale empfangen. Der Sender arbeitete nicht mit der erwarteten Stärke. Man hatte gehofft, 3-4 Tage Signale zu empfangen. Nun funktionierte Suitsat länger (fast zwei Wochen), aber die Signale waren nur mit aufwendiger Technik zu empfangen.

Suisat alias Orlan-M Nr.14 war im Herbst 2001 mit dem Modul Pirs zur ISS gebracht worden. Der Anzug war bis 2003 im Einsatz und wurde von den Kosmonauten Juri Onufrijenko, Waleri Korsun und Michael Foale genutzt.

Neben dem Aussetzen von Suisat erfüllten McArthur und Tokarew während des 5 Stunden 43 Minuten langen Ausstieges noch andere Aufgaben. Sie fotografierten die Außenhaut der Station, insbesondere die Mikrometeoritendetektoren auf Swesda, setzten eine Befestigung von Sarja auf den Adapter PMA3 um und bargen das Experiment Biorisk auf der Hülle des Moduls Pirs. Es gelang leider nicht, einen Sicherungsbolzen an einem Kabel auf dem Mobil Transporter, der "ISS-Eisenbahn", anzubringen. Stattdessen wurde das Kabel einfach festgebunden. Der Mobil Transporter ist damit zunächst nicht benutzbar. Zum Abschluß warfen die beiden noch eine Reihe von Putztüchern in den Weltraum. Es war der 64. Ausstieg seit Beginn des Aufbaus der Internationalen Raumstation 1998.

EchoStar X gestartet

Am 15.2.2006 startete um 15.35 Uhr Ortszeit von der schwimmenden Plattform Odyssey im Pazifik eine Trägerrakete des Typs Zenit-3SL mit dem amerikanischen Kommunikationssatelliten EchoStar X an Bord. Nach den von der Zenit-2 übernommenen beiden unteren Stufe brannte die Oberstufe Block DM-SL von Energija im Abstand von einer halben Stunde zweimal. Nach anderthalb Stunden Flug wurde EchoStar X in der geplanten geostationären Transferbahn 1685 - 35.737 km bei 0,0° Neigung ausgesetzt. Die Mission erfolgte - wie bei Sea Launch üblich - mit ungeheurer Präzision: das Apogäum lag lediglich 11 km über dem geplanten Wert, bei Perigäum und Inklination gab es überhaupt keine Abweichung !

EchoStar X wurde bei Lockheed Martin gebaut. Es handelt sich um einen direktstrahlenden Fernsehsatelliten des Typs A2100AX. Der 4333 kg schwere Satellit ist für eine Funktionsdauer von 15 Jahren ausgelegt. Er wird bei 110° West stationiert und dient der Bestrahlung des amerikanischen Kontinentes. Der Provider DISH Network, eine Tochterfirma von Echostar, Englewood, Colorado, USA, bietet seinen mehr als 11,7 Millionen Kunden hunderte Kanäle für Fernsehen, Radio, HDTV, Interaktives Fernsehen und weitere Multimedia-Anwendungen. EchoStar X gehört zu den modernsten Satelliten seiner Klasse.

Der Start hatte sich wegen einiger Probleme um rund zwei Wochen verzögert. Am 8.2. und 12.2.2006 mußte der Countdown angehalten und die Rakete von der Rampe genommen werden. Zum einen gab es Probleme mit den Bodenanlagen, bei der zweiten Verzögerung war die Strömung im Meer für einen Abschuß zu stark.

Antisatellit Narjad

Die Trägerrakete Rockot ist bekanntlich eine umgebaute ehemalige Militärrakete des Typs UR-100NUTTCh (Gerät 15A35), die mit einer neuentwickelten Oberstufe - Bris - nachgerüstet wurde. Aber woher stammt die Bris und warum wurde sie entwickelt ? Die erste Rockot startete am 20.11.1990 und an den kommerziellen Einsatz der Rakete war damals noch nicht zu denken. Die Spur der Bris führt zu einem brisanten militärischen Geheimnis - dem Antisatelliten Narjad. Bereits 1987 wurde dem damaligen sowjetischen Generalsekretär Gorbatschow bei einem Besuch in Baikonur ein Modell von Narjad gezeigt.

Narjad wurde vom Konstruktionsbüro Saljut entwickelt, das auch die Interkontinentalrakete UR-100NUTTCh projektiert hat. Die Oberstufe Bris-K wurde als hochmanövrierfähige Oberstufe dieser ballistischen Rakete konzipiert. Das Antriebssystem wurde in wesentlichen Teilen von der Raumsonde Fobos bzw. der Oberstufe ADU (später besser als Fregat bekannt) übernommen. Es ist überaus zuverlässig und mehrfach zündbar, was für einen Antisatelliten äußerst bedeutsam ist.

Die Bris-K ist also das Kernstück des Antisatelliten Narjad und die drei Testflüge 1990 - 1994 wurden von militärischen Einheiten in Baikonur durchgeführt. Es erfolgten zahlreiche Manöver und beim letzten Flug 1994 wurde nach dem Aussetzen des Amateurfunksatelliten Radio-ROSTO die Stufe im Orbit gesprengt - war das ein Test des Sprengpakets von Narjad ? Die Armeezeitung "Roter Stern" berichtete 2004, dass beim Erstflug der Rockot am 20.11.1990 der Raumflugkörper Narjad-W mitgeführt wurde.

Es war geplant, auf den landesweit dislozierten Silos der UR-100NUTTCh Narjad-Antisatelliten zu stationieren. Das Antisatellitensystem der 1.Generation, IS, konnte dagegen nur mit der Zyklon-2 in Baikonur starten.

Als Chrunitschew 1993 mit dem Saljut-Büro fusionierte, brachte Saljut ein verfügbares leichtes Trägersystem mit in die Ehe ein. Ein Jahr später wurde mit Daimler-Benz das Vermarktungsunternehmen Eurockot gegründet. Heute ist die Bris in den Varianten Bris-KM und Bris-M die wichtigste Oberstufe der Firma Chrunitschew.

Quelle: eMail Bart Hendrickx, FPSpace, 6.1.2006

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