Lösungsbeschreibung des Preisrätsels vom Mai 2016

Ellipsoid im Tetraeder

1.) Überlegungen zum Lösungsweg

Es gibt sicherlich auch andere Wege zum Ziel, aber hier ist meiner:

Angenommen, ich habe eine Lösung. Das Ellipsoid befindet sich an der richtigen Stelle im geeignet großen Tetraeder. Diese Kombination wird im folgenden als Einheit aufgefasst, mit der einige Transformation ausgeführt werden. Zu Beginn wird die Kantenlänge des Tetraeders auf $1$ normiert. Alles wird also nur kleiner. Die Eckpunkte des Tetraeders werden in Bezug auf ein festes Koordinatensystem gewählt. Die nun folgende Kompression soll das Ellipsoid zu einer Kugel umformen. Dazu ist zunächst die Einheit im Raum so zu drehen, dass das Ellipsoid mit seinen Halbachsen parallel zu den Koordinatenachsen liegt. Nun kann die Kompression der größten und der mittleren Halbachse erfolgen. Das Ergebnis ist eine Kugel in einem nicht regelmäßigen Tetraeder. Diese Kugel ist die Inkugel. Da es eine relativ einfache Beziehung zwischen dem Radius dieser Inkugel und dem Volumen und der Oberfläche des allgemeinen Tetraeders gibt, ist nun nur noch die Größe des Inkugelradius in Abhängigkeit der räumlichen Orientierung zu maximieren, um eine minimale Kantenlänge des Tetraeders zu erhalten.
Lösungsweg als Animation
Das Koordinatensystem ist in der obigen Animation mit seinem Ursprung im Schwerpunkt des Tetraeders und als Rechtssystem dargestellt. Für die Lösung des Rätsels sind aber absolute Koordinaten ohne Bedeutung und auch ein Linkssystem ( y-Achse mit z-Achse vertauscht) liefert die richtige Lösung. Für die nachfolgenden Rechnungen kann man sich 25% der Arbeit ersparen, wenn man den Koordinatenursprung in eine Ecke des Tetraeders legt.

2.) die allgemeine Lösung

Das noch ferne Ziel ist es, den Inkugelradius $\rho$ als Funktion von $\alpha$, $\beta$ und $\gamma$ zu formulieren. Diese Funktion hat wegen der Symmetrie des regelmäßigen Tetraeders sicherlich viele gleiche absolute Maxima und Minima. Jeweils ein Maximum und ein Minimum ist zu bestimmen. Die zugehörigen Werte für $\alpha$, $\beta$ und $\gamma$ werden nicht weiter verwendet. Die rein mathematische Methode über Ableitungen wird wegen der Komplexität fehlschlagen. Stattdessen sind Hilfsmittel wie Solver (EXCEL) oder Näherungsverfahren mit Intervallschachtelung am Ende erfolgreich. Wenn auf diese Weise ein $\rho_{min}$ und ein $\rho_{max}$ gefunden ist, sind die beiden Fragen des Rätsels so zu beantworten: $$\rand{\begin{align} \text{minimale Kantenlänge zu Frage 1: }\quad a_1=\frac1{\rho_{max}} \\ \text{minimale Kantenlänge zu Frage 2: }\quad a_2=\frac1{\rho_{min}} \end{align}}$$ Diese einfache Lösung ergibt sich aus der durchzuführenden Skalierung aller Achsen mit $\frac1{\rho}$, um den Inkugelradius auf $1$ zu bringen, was er ja eigentlich nach den oben im Einzelnen durchgeführten Transformationen sein soll. Diese Skalierung ist genau das Inverse von dem, was ganz oben als erste Aktion beschrieben wurde: $$\tonc{\text{"Zu Beginn wird die Kantenlänge des Tetraeders auf $1$ normiert. Alles wird also nur kleiner."}}$$

3.) die mathematische Vorgehensweise

Zunächst werden die Ecken $P$, $Q$, $R$ und $S$ des regelmäßigen Tetraeders als Vektoren festgelegt: $$\begin{align} P& =\left(\matrix{ x_P \cr y_P \cr z_P}\right)=\left(\matrix{ 0 \cr 0 \cr 0}\right)& Q& =\left(\matrix{ x_Q \cr y_Q \cr z_Q}\right)=\left(\matrix{ 1 \cr 0 \cr 0}\right) \\ R& =\left(\matrix{ x_R \cr y_R \cr z_R}\right)=\left(\matrix{\scriptstyle{\frac12}\cr\scriptstyle{\frac12}\sqrt3\cr 0}\right)& S& =\left(\matrix{ x_S \cr y_S \cr z_S}\right)=\left(\matrix{\scriptstyle{\frac12}\cr\scriptstyle{\frac16}\sqrt3\cr\scriptstyle{\frac13}\sqrt6}\right) \end{align}$$ Die Drehungen und Skalierungen können durch folgende Matritzen definiert werden: $$\text{Drehung um } \alpha \text{ um die x-Achse:}\quad R_x(\alpha)=\left(\matrix{ 1 & 0 & 0 \cr 0 & \cos\alpha & -\sin\alpha \cr 0& \sin\alpha & \cos\alpha}\right)$$ $$\text{Drehung um } \beta \text{ um die y-Achse:}\quad R_y(\beta)=\left(\matrix{ \cos\beta & 0 & -\sin\beta \cr 0 & 1 & 0 \cr \sin\beta & 0 & \cos\beta}\right)$$ $$\text{Drehung um } \gamma \text{ um die z-Achse:}\quad R_z(\gamma)=\left(\matrix{\cos\gamma & -\sin\gamma & 0 \cr \sin\gamma & \cos\gamma & 0 \cr 0 & 0 & 1}\right)$$ $$\text{Skalierung der x-Achse um }\frac13 \text{ und y-Achse um }\frac12\text{:}\quad S_{xy}=\left(\matrix{\scriptstyle{\frac13} & 0 & 0 \cr 0 & \scriptstyle{\frac12} & 0 \cr 0 & 0 & 1}\right)$$ Die transformierten Eckpunkte lassen sich dann so berechnen: $$P'=S_{xy}\cdot R_z(\gamma)\cdot R_y(\beta)\cdot R_x(\alpha)\cdot P$$ $$Q'=S_{xy}\cdot R_z(\gamma)\cdot R_y(\beta)\cdot R_x(\alpha)\cdot Q$$ $$R'=S_{xy}\cdot R_z(\gamma)\cdot R_y(\beta)\cdot R_x(\alpha)\cdot R$$ $$S'=S_{xy}\cdot R_z(\gamma)\cdot R_y(\beta)\cdot R_x(\alpha)\cdot S$$ Dabei ist auf die Reihenfolge der Multiplikationen zu achten. Der Original-Eckpunkt $P$ wird zunächst um $\alpha$ gedreht, dann um $\beta$ und dann um $\gamma$. Zuletzt werden die Skalierungen in Richtung der x-Achse und der y-Achse durchgeführt, die sich nicht gegenseitig beeinflussen, also gleichzeitig ausgeführt werden können.

Nun liegt das unregelmäßige Tetraeder mit dem verformten Ellipsoid als Inkugel vor. Die Berechnung vom Inkugelradius $\rho$ ist der noch verbleibende Rest. $$\rho(\alpha,\beta,\gamma)=3\cdot\frac{V'_{Tetraeder}}{O'_{Tetraeder}}$$ Dabei ist das Volumen des Tetraeders $$V'_{Tetraeder}=\frac13 \cdot \frac12 \cdot V_{Tetraeder}= \frac13 \cdot \frac12 \cdot \frac1{12} \cdot \sqrt2$$ also das ursprüngliche Volumen des regelmäßigen Tetraeders mit Kantenlänge 1 verändert um die Skalierungen in x- und y-Richtung.

Bei der Oberfläche $O'_{Tetraeder}$ ist es nicht ganz so einfach, weil die Richtung der Skalierung in Abhängigkeit von $\alpha$, $\beta$ und $\gamma$ eingeht. Es müssen aus den transformierten Koordinaten der Eckpunkte zunächst die Längen der 6 Kanten berechnet werden und danach aus diesen Kanten die 4 Flächen des Tetraeders. $$\text{Kante a: }\quad a=\left|P'-S'\right|=\sqrt{(x'_P-x'_S)^2+(y'_P-y'_S)^2+(z'_P-z'_S)^2}$$ $$\text{Kante b: }\quad b=\left|Q'-S'\right|=\sqrt{(x'_Q-x'_S)^2+(y'_Q-y'_S)^2+(z'_Q-z'_S)^2}$$ $$\text{Kante c: }\quad c=\left|R'-S'\right|=\sqrt{(x'_R-x'_S)^2+(y'_R-y'_S)^2+(z'_R-z'_S)^2}$$ $$\text{Kante p: }\quad p=\left|Q'-R'\right|=\sqrt{(x'_Q-x'_R)^2+(y'_Q-y'_R)^2+(z'_Q-z'_R)^2}$$ $$\text{Kante q: }\quad q=\left|P'-R'\right|=\sqrt{(x'_P-x'_R)^2+(y'_P-y'_R)^2+(z'_P-z'_R)^2}$$ $$\text{Kante r: }\quad r=\left|P'-Q'\right|=\sqrt{(x'_P-x'_Q)^2+(y'_P-y'_Q)^2+(z'_P-z'_Q)^2}$$ $$\text{Dreiecksfläche 1: }\quad F1=\frac14\sqrt{2a^2b^2+2a ^2r^2+2b^2r^2-a^4-b^4-r^4}$$ $$\text{Dreiecksfläche 2: }\quad F2=\frac14\sqrt{2b^2c^2+2b ^2p^2+2c^2p^2-b^4-c^4-p^4}$$ $$\text{Dreiecksfläche 3: }\quad F3=\frac14\sqrt{2c^2a^2+2c ^2q^2+2a^2q^2-c^4-a^4-q^4}$$ $$\text{Dreiecksfläche 4: }\quad F4=\frac14\sqrt{2p^2q^2+2p ^2r^2+2q^2r^2-p^4-q^4-r^4}$$ Die Oberfläche ist dann $$O'_{Tetraeder}=F1+F2+F3+F4$$

4.) das EXCEL-Programm


Global ecken(1, 3, 2)

Const Start = 0: Const Ziel = 1
Const P = 0: Const Q = 1: Const R = 2: Const S = 3
Const x = 0: Const y = 1: Const z = 2
Const scalx = 1 / 3: Const scaly = 1 / 2

Function rho(alpha, beta, gamma)
    ecken(Start, P, x) = 0
    ecken(Start, P, y) = 0
    ecken(Start, P, z) = 0

    ecken(Start, Q, x) = 1
    ecken(Start, Q, y) = 0
    ecken(Start, Q, z) = 0

    ecken(Start, R, x) = 0.5
    ecken(Start, R, y) = Sqr(3) / 2
    ecken(Start, R, z) = 0

    ecken(Start, S, x) = 0.5
    ecken(Start, S, y) = Sqr(3) / 6
    ecken(Start, S, z) = Sqr(6) / 3

    ecken(Ziel, P, x) = ecken(Start, P, x)
    ecken(Ziel, P, y) = ecken(Start, P, y)
    ecken(Ziel, P, z) = ecken(Start, P, z)

    transf Q, alpha, beta, gamma
    transf R, alpha, beta, gamma
    transf S, alpha, beta, gamma

    Sa = Seite(P, S)
    Sb = Seite(Q, S)
    Sc = Seite(R, S)
    Sp = Seite(Q, R)
    Sq = Seite(P, R)
    Sr = Seite(P, Q)

    F1 = Dreieck(Sa, Sb, Sr)
    F2 = Dreieck(Sb, Sc, Sp)
    F3 = Dreieck(Sa, Sc, Sq)
    F4 = Dreieck(Sp, Sq, Sr)

    F = F1 + F2 + F3 + F4
    V = Sqr(2) / 12 * scalx * scaly
    rho = 3 * V / F
End Function

Function Seite(P1, P2)
    xx = ecken(Ziel, P1, x) - ecken(Ziel, P2, x)
    yy = ecken(Ziel, P1, y) - ecken(Ziel, P2, y)
    zz = ecken(Ziel, P1, z) - ecken(Ziel, P2, z)
    Seite = Sqr(xx * xx + yy * yy + zz * zz)
End Function

Function Dreieck(a, b, c)
    a2 = a * a
    b2 = b * b
    c2 = c * c
    Dreieck = Sqr(2 * a2 * b2 + 2 * a2 * c2 + 2 * b2 * c2 - a2 * a2 - b2 * b2 - c2 * c2) / 4
End Function

Sub transf(Punkt, alpha, beta, gamma)

x0 = ecken(Start, Punkt, x)
y0 = ecken(Start, Punkt, y)
z0 = ecken(Start, Punkt, z)

x1 = x0
y1 = y0 * Cos(alpha) + z0 * -Sin(alpha)
z1 = y0 * Sin(alpha) + z0 * Cos(alpha)

x2 = x1 * Cos(beta) + z1 * -Sin(beta)
y2 = y1
z2 = x1 * Sin(beta) + z1 * Cos(beta)

x3 = x2 * Cos(gamma) + y2 * -Sin(gamma)
y3 = x2 * Sin(gamma) + y2 * Cos(gamma)
z3 = z2

ecken(Ziel, Punkt, x) = x3 * scalx
ecken(Ziel, Punkt, y) = y3 * scaly
ecken(Ziel, Punkt, z) = z3
End Sub

5.) der Parameterraum von $\rho$

Mit der obigen EXCEL-Funktion kann man nun eine große Zahl von Funktionswerten mühelos und schnell berechnen. Für das Monatsrätsel sind nur zwei Extremwerte erforderlich, aber zur Veranschaulichung des Problems kann man ein Funktionsgebirge erzeugen. Typischerweise werden so Funktionen mit zwei Variablen als "gebirgige" Fläche dargestellt, wobei die Berghöhen den Funktionswerten entsprechen. Hier haben wir aber drei Variable: $\alpha$, $\beta$ und $\gamma$. Das wäre ein Fall für einem Raum, dabei kann man sich nur schwer eine geeignete Eigenschaft als Funktionswert vorstellen. Da bietet sich etwas an, was viel zu wenig eingesetzt wird: eine Variable bildet die reale Zeit und man erhält einen Film bzw. eine Animation.

Hier nun die Beschreibung zu der unten abgebildeten Animation:
Die drei Winkel $\alpha$, $\beta$ und $\gamma$, die die jeweilige Drehung um die Koordinatenachsen $x$, $y$ und $z$ bedeuten, können als Parameter für ein zweidimensionales Funktionsgebirges herangezogen werden. Dazu wird $\alpha$ und $\beta$ jeweils von 0° bis 180° durchlaufen. Größere Winkel erzeugen nur Wiederholungen. Dies erzeugt ein typisches Funktionsgebirge. Um auch für $\gamma$ den Bereich von 0° bis 180° durchlaufen zu können wird die "lebendige" Zeitachse benutzt, d.h. es wird für eine große Anzahl von $\gamma$-Werten ein Bild des Funktionsgebirges aufgenommen und zu einem Film zusammengesetzt.

Funktionsgebirge für gamma = 0 bis 180

6.) die konkreten Lösungen

Mit dem Solver kann man in EXCEL schnell konkrete Lösungen für die Extremwerte von $\rho$ erhalten, z.B. diese:

$\alpha$ °$\beta$ °$\gamma$ °$\rho_{max}$$a_1$
-6,021792 0,000000 0,000000 0,099580 10,042198
 
$\alpha$ °$\beta$ °$\gamma$ °$\rho_{min}$$a_2$
-35,264384 -45,000000 0,000000 0,094491 10,583005


Damit sind die beiden Fragen des Rätsels beantwortet. Wo genau der Mittelpunkt des Ellipsoids liegt, geht aus dieser Rechnung nicht hervor und es wurde auch danach nicht gefragt. Für eine bildliche Darstellung sind diese Werte natürlich nötig und auch zu berechnen, aber das ist eine andere Sache.

Zum Schluss noch eine Animation, in der alle 12 möglichen Lösungen nacheinander dargestellt werden, und eine 13. mit der Überlagerung aller Lösungen.

Lösungen als Animation



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